„Unwirksamer Klimaschutz“: Kinder klagen beim Verfassungsgerichtshof

WIEN. Zwölf Kinder und Jugendliche reichen am Dienstag eine Klimaklage vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof ein, weil die Bundesregierung durch fehlende Maßnahmen ihre Zukunft gefährden würde.
Im Namen von zwölf Kindern und Jugendlichen im Alter von fünf bis 16 Jahren hat die auf Klimaklagen spezialisierte Rechtsanwältin Michaela Krömer beim VfGH eine Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz eingebracht: Das Gesetz sei „nahezu unwirksam“, verletze die verfassungsgesetzlich garantierten Rechte der Kinder und sei daher verfassungswidrig und müsse aufgehoben werden, so die Argumentation.
Die Klimaklage wird von Fridays for Future und dem Verein Initiative für Klimarecht organisiert. „Das Klimaschutzgesetz schützt die Rechte von Kindern und Jugendlichen nicht“, kritisiert die 16-jährige Oberösterreicherin Franziska, die sich der Klage angeschlossen hat. „Wenn es nicht ausreicht, dass wir seit Jahren demonstrieren gehen und für Klimagerechtigkeit kämpfen, dann fordern wir unser Recht eben anders ein“, sagt sie.
Das Klimaschutzgesetz bewirke keine Reduktion der Treibhausgasemissionen, durch die fehlenden Maßnahmen der Regierung werde den Kindern und Jugendlichen die „Zukunft verbaut“, meinen die jungen Beschwerdeführer.
Juristen bezweifeln Erfolg
Der Verfassungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk rechnet allerdings damit, dass der VfGH die Klimaklage zurückweisen werde. Bereits 2020 hatte Greenpeace eine Klimaklage eingebracht, die die Höchstrichter verwarfen. Zwar liefere die neue Klage weitere Argumente für Verfehlungen in der Klimapolitik, was ein „gewisses Gewicht“ habe, sagt Funk. Die Rechtslage habe sich aber nicht geändert.
Wenn ein Gesetz verfassungswidrig sei, dürfe der VfGH die entsprechenden Passagen „nur aufheben, der Verfassungsgerichtshof hat aber nicht die Kompetenz, etwas Fehlendes zu ergänzen“, gibt Andreas Janko, Universitätsprofessor am Institut für Staatsrecht der Johannes Kepler Universität Linz, zu bedenken. Doch die mutmaßliche Verletzung von Kinderrechten bestehe ja gerade darin, dass der Staat zu wenig für den Klimaschutz tue. „Daher stellt sich die Frage, ob der Antrag zulässig ist“, sagt Janko. Wesentlich besser aufgehoben sei die Klimaklage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg: „Der EGMR braucht nur festzustellen, ob ein Gesetz eines Mitgliedstaates die Grundrechte verletzt oder nicht.“ Ob die Grundrechte durch ein Zuviel oder ein Zuwenig an Rechtsvorschriften verletzt würden, spiele in Strassburg keine Rolle. Um den EGMR anrufen zu können, müsse allerdings zuerst der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft werden, sagt Professor Janko. Beim EGMR sei eine vergleichbare Beschwerde von portugiesischen Kindern zugelassen, in der Sache selbst aber noch nicht entschieden worden. „In Wahrheit ist das juristisches Neuland“, sagt Janko.
Unmittelbare Betroffenheit?
Die Juristin Judith Fitz von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien sieht die nötige Antragslegitimation ebenso als große Hürde für die eingebrachte Klimaklage. „Man muss als Antragsteller unmittelbar von einem verfassungswidrigen Gesetz in seinen Rechten verletzt sein.“ Dennoch könne man argumentieren, dass die Last, Treibhausgase zu reduzieren, in unverhältnismäßiger Weise in die Zukunft verschoben werde, sagt Fitz. Und immerhin schreibe das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern auch die Wahrung der Generationengerechtigkeit vor.
Wie jeder Antrag werde auch die Klimaklage vom VfGH-Präsidenten einem Richterkollegen zugewiesen, so eine VfGH-Sprecherin. Wann es zu einer Entscheidung komme, könne man derzeit noch nicht sagen.
