Andreas Babler: "Ich finde, wir haben jetzt einen guten Drive"

WIEN. Der SP-Chef im ORF-Sommergespräch über rote Linien und Widersprüche
Vor zwei Wochen hat Beate Meinl-Reisinger im ORF-Sommergespräch ihrem Titel als die Schnellrednerin unter den Parteispitzen alle Ehre gemacht.
Am Montag hat Andreas Babler bei seinem ersten derartigen Auftritt der Neos-Chefin in dieser Disziplin den Rang abgelaufen. Vielleicht das Motiv für Moderatorin Susanne Schnabl, um am Ende eines 45-minütigen Stakkatos im "Sprechzimmer 23" vom SP-Vorsitzenden die letzten drei Fragen ohne Worte beantworten zu lassen. Hand aufs Herz war Bablers abschließende Geste, mit der er seinen Politikstil verstanden haben wolle.
Bis dahin ließ Babler kaum eine Möglichkeit aus, um darzustellen, dass er als Traiskirchner Bürgermeister, der gerade durch Österreich tourt, viel näher als seine Mitbewerber an den Menschen und damit an deren Sorgen und Bedürfnissen sei.
Was ihn gleich zum ausführlichen Vorgriff auf die von SPÖ und FPÖ angesetzte Sondersitzung im Nationalrat zur Teuerung am Mittwoch warmlaufen lassen sollte. Mieten deckeln, Zinseingriffe bei Banken, Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel streichen, so die Botschaften. Das Neue daran: Wenn die Inflationsrate wieder bei zwei Prozent liege, könne man über ein Zurückfahren der staatlichen Eingriffe reden.
Video: SP-Chef Andreas Babler im ORF-Sommergespräch:
Nicht schneller als 100 km/h
Schwieriger wurde es etwa bei SP-intern umstrittenen Themen: Ob er selbst wirklich immer nur maximal 100 km/h auf der Autobahn fahre? "Ja, immer. Wir wollen uns an unsere Vorgaben halten" und Bewusstsein bilden.
Im Kampf gegen die Klimakrise sei der Schlüssel aber ohnehin ein "Masterplan für den Verkehr". Er wolle, dass "im ländlichen Raum jeder innerhalb von 15 Gehminuten eine öffentliche Verkehrsanbindung hat". Ob gegen die Teuerung, für eine Klima- oder Bildungsoffensive – zentrale Quelle bei der Finanzierung seines Programms sind Vermögens- und Erbschaftssteuern. Babler hat dazu bereits im Laufe des Tages einen Entwurf vorgelegt (siehe Kasten). Als Bundeskanzler würde er "garantieren, dass 96 Prozent der Menschen damit weniger Steuern zahlen müssen". Der Rest würde einen gerechten Anteil leisten. Ob die Erfüllung dieses Punktes tatsächlich seine "rote Linie" bei Koalitionsverhandlungen sei? Von der EU bis zur OECD, überall werde bestätigt, dass in Österreich die Besteuerung von Vermögen zu gering und die von Arbeit zu hoch sei. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Gegenüber "diese Ungerechtigkeit so belassen will".
"Direktwahl" des Vorsitzes
Im Hinblick auf den SP-Sonderparteitag im Herbst bestätigte Babler, dass die Stärkung der Mitgliedermitbestimmung sein "Hauptanliegen" bleibe. Dabei sei die hohe Priorisierung" die Direktwahl des Vorsitzes. Auch skeptische Landesorganisationen wie jene in Wien sieht der Bundesvorsitzende hinter sich ("Wir haben ja alle gesehen, dass es eine Notwendigkeit gibt").
In Sachen Ukraine-Krieg stellte Babler fest, dass unter ihm die SP-Reihen bei einer Rede von Präsident Wolodymyr Selenskyj im Parlament geschlossen wären. Beim "Fehler", einst gegen Österreichs EU-Beitritt gestimmt zu haben, sei er "in guter Gesellschaft mit dem Bundespräsidenten und dem Vizekanzler". Ein Austritt wäre heute "ein absolutes Tabu" für ihn.
Trotz der schwachen Umfragewerte für die SPÖ findet Babler: "Wir haben jetzt einen guten Drive." Sein wichtigstes Ziel sei es, bei der Nationalratswahl "Schwarz-Blau mit all dem Wahnsinn, den wir erlebt haben, zu verhindern".
Details zum SP-Erbschaftssteuer-Modell
Vor dem Sommergespräch lancierte die SPÖ – als Erste berichtete die Tiroler Tageszeitung – Präzisierungen zur von ihr geforderten Erbschaftssteuer. Demnach soll für Erbschaften und Schenkungen bis zu einer Million Euro ein Freibetrag gelten. Alle Erbschaften und Schenkungen über 30 Jahre hinweg sollen aber zusammengerechnet werden.
Laut SP-Berechnungen blieben damit dennoch 98 Prozent der Erbschaften in Österreich steuerfrei. Fallen soll die Grunderwerbssteuer. Diese fällt bisher beim Erben von Grund an und beträgt bis zu 3,5 Prozent.
Video: Im Studio analysieren der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier und die Journalistin Johanna Hager („Kurier“) das Sommergespräch mit Andreas Babler.
Für Beträge zwischen einer Million bis zu fünf Millionen Euro sollen nach SP-Plänen 25 Prozent Erbschaftssteuer anfallen. Bei einer Erbschaft von zwei Millionen Euro würden demnach 250.000 Euro Steuern fällig. Zwischen fünf Millionen und zehn Millionen Euro soll die Steuer auf 30 Prozent, ab zehn Millionen Euro auf 35 Prozent steigen.
Wird ein Betrieb an Erben übergeben, sollen 85 Prozent des Betriebsvermögens nicht besteuert werden, wenn der Betrieb mit den Mitarbeitern zumindest fünf Jahre weitergeführt wird. Eine solche Regelung gibt es bereits in Deutschland.
Kritik kam vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria sowie vom VP-Wirtschaftsbund. Agenda Austria nannte die SP-Pläne "Symbolpolitik". Das "Höchststeuerland Österreich" brauche keine neuen Steuern. Aus Sicht des Wirtschaftsbunds "versucht die SPÖ, die KPÖ links zu überholen".
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