Wahlkampf in Gummistiefeln: Wenn nach der Flut die Politiker kommen

WIEN. Nach den Unwettern vom Wochenende rückten Kern und Kurz zum Lokalaugenschein aus.
Da ein Betriebsbesuch bei den Kapfenberger Stadtwerken, dort die Präsentation der nächsten Kandidaten für die Bundesliste – an sich war Tag 69 vor der Wahl bei Christian Kern und Sebastian Kurz ohne räumliche Überschneidungen durchgeplant.
Doch die verheerenden Unwetter vom Wochenende warfen alles über den Haufen und führten den roten wie den schwarzen Spitzenkandidaten kurzfristig nach Oberwölz, in die kleinste Stadt der Steiermark, deren Bewohner zuletzt gleich mehrfach von Verwüstungen betroffen waren.
Zeitlich gewann Kurz den Wettlauf, der bereits um 8 Uhr gemeinsam mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (VP) beim Lokalaugenschein in der Obersteiermark war. Ganz ohne Medienvertreter, um sich nicht dem Vorwurf der Wahlkampfinszenierung auszusetzen, wie es aus dem Büro des Außenministers hieß. Später in Graz sollte Kurz, diesmal vor Kameras, mit dem nachgereisten Finanzminister Hans Jörg Schelling (VP) "ganz unbürokratisch" 100 Millionen Euro aus dem Katastrophenfonds in Aussicht stellen. Bundeskanzler Kern traf erst am frühen Nachmittag in Oberwölz ein, nahm dafür aber gleich an einer Einsatzbesprechung der Helfer teil.
Der Kanzler lobte die "herausragende Leistung" der Retter, verwies vor Medien ebenfalls auf den Katastrophenfonds, blieb aber vorsichtiger mit der konkreten Summe. Fest stehe, dass für die freiwilligen Helfer "drei zusätzliche Urlaubstage" mitzufinanzieren seien, versprach Kern.
Der scheinbare Wettlauf von Kern und Kurz um den Lokalaugenschein am Ort der Verwüstung entspricht einer – internationalen – Wahlkampflogik. Regierungspolitiker können bei Naturkatastrophen Bürgernähe und Empathie, aber vor allem Leadership zeigen. Oppositionskandidaten müssen sich in solchen Ausnahmesituationen zurücknehmen und können allenfalls später Versäumnisse kritisieren.
Kanzler in Gummistiefeln
Dass die Inszenierung als Katastrophen-Politiker ein schmaler Grat ist, zeigen die Beispiele eines deutschen und eines österreichischen Ex-Kanzlers. Gerhard Schröder (SPD) wurde 2002 beim Elbe-Hochwasser als Krisenmanager "Leadership in Gummistiefeln" attestiert. Herausforderer Edmund Stoiber (CDU), der zu Hause bedauerte und Schröder kritisierte, verlor die Wahl.
Legendär wurden 1997 Viktor Klimas (SP) gelbe Gummistiefel beim Hochwassereinsatz, allerdings für eine peinliche Überinszenierung, nachdem der Kanzler für die Kameras kübelweise Wasser von der einen auf die andere Seite geschüttet hatte.
Wahlkämpfer im Katastropheneinsatz
Mit dem Hubschrauber landete Viktor Klima (SP) im Juli 1997 in Hirtenberg (NÖ), um vor Fotografen in gelben Gummistiefeln schnell durchs Hochwasser zu waten und den Kübel zu schwingen, ehe der Kanzler wieder entschwebte.
Im August 2002 nahm sich Gerhard Schröder nicht Klima, sondern mit Helmut Schmidt (beide SPD) einen deutschen Kanzler zum Vorbild. Schmidt hatte in den 1960er Jahren als Hamburger Innensenator mit authentischem Engagement bei einer Flut den Grundstein für seine Karriere gelegt. Schröder tat es ihm bei der großen Elbe-Flut gleich und fing danach bei der Bundestagswahl Herausforderer Edmund Stoiber (CDU) knapp ab.
Eine Woche vor der US-Präsidentschaftswahl 2012 fegte der Wirbelsturm „Sandy“ über die Ostküste. Amtsinhaber Barack Obama punktete mit Präsenz und stach so Herausforderer Mitt Romney aus. Sieben Jahre davor hatte George W. Bush die Verwüstung von New Orleans durch „Katrina“ von der Ranch in Texas aus verfolgt und war danach als Präsident untendurch.