US-Anwältin: "Assange hat ernste und unmittelbare Gefahr verursacht"
LONDON. Am zweiten Tag einer entscheidenden Anhörung zur drohenden Auslieferung von Julian Assange an die USA haben Anwälte der amerikanischen Seite ihre Argumente dargelegt. Ein Gericht in London soll entscheiden, ob dem WikiLeaks-Gründer ein volles Berufungsverfahren zusteht. Für den 52-Jährigen wäre es die letzte Chance, sich vor einem britischen Gericht gegen seine Abschiebung zu wehren. Das US-Justizministerium will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen.
Eine Anwältin wies am Mittwoch den Vorwurf zurück, die USA würden Assange wegen seiner politischen Ansichten verfolgen. Stattdessen argumentierte Clair Dobbin für die US-Seite, Assange habe mit der Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente andere Menschen gefährdet. Es habe sich nicht um einen "Patzer" oder "Fehler" gehandelt, sondern es seien riesige Mengen unzensierten Materials veröffentlicht worden.
Letzte Chance: EGMR
Sollte Assanges Berufungsantrag in London abgelehnt werden, bliebe ihm noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Seine Frau Stella Assange hatte angekündigt, sein Team werde dort umgehend einen Antrag auf einstweilige Verfügung stellen, um eine sofortige Auslieferung zu verhindern. Stella Assange sagte im Voraus auch, sie fürchte wegen der erwarteten harten Haftbedingungen in den Vereinigten Staaten und der labilen Psyche ihres Mannes um sein Leben.
Wann genau eine Entscheidung über den Berufungsantrag fallen soll, stand zunächst nicht fest. Assanges Ehefrau befürchtet jedoch, dass der 52-Jährige innerhalb von Tagen in ein Flugzeug in Richtung USA gesetzt werden könnte.
Das US-Justizministerium will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Die US-Regierung wirft ihm vor, gemeinsam mit US-Whistleblower Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Unterstützer sehen in Assange dagegen einen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat. Der Australier sitzt seit seiner Festnahme im April 2019 im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh.
Die deutsche Regierung sprach sich indirekt gegen eine Auslieferung Assanges an die USA aus. "Es ist so, dass wir Diskrepanzen sehen zwischen unserem Rechtsverständnis und dem Rechtsverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums gestern in Berlin und verwies auf die Abwägung zwischen Presserecht und Geheimnisverrat.
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