Terroranschlag in Wien: Verfahren gegen Waffenlieferanten irrtümlich eingestellt
WIEN. Im Zusammenhang mit dem Terror-Anschlag von Wien, bei dem am 2. November 2020 vier Passanten getötet worden sind, muss sich am kommenden Dienstag der mutmaßliche Waffenlieferant vor Gericht verantworten. Er profitiert dabei von einem Irrtum der Staatsanwaltschaft Wien.
Aufgrund einer bereits 2021 verfügten Verfahrenseinstellung kann Marsel O. nicht mehr wegen der Übergabe des beim Anschlag verwendeten Sturmgewehrs an den späteren Attentäter zur Verantwortung gezogen werden. Im Justizministerium reagierte man auf das Bekanntwerden dieses Umstands umgehend. "Es wurde bereits eine dienstrechtliche Prüfung in die Wege geleitet", hieß es Samstagmittag aus dem Ministerium.
Die Sprecherin der Wiener Anklagebehörde, Nina Bussek, hatte zuvor den Fehler eingeräumt. "Wir bedauern das", hielt sie fest. Man sei allerdings an die seinerzeit irrtümlich getroffene Verfahrenseinstellung "rechtlich gebunden". Den Fehler dürfte man bei der Justiz erst wenige Tage vor der Hauptverhandlung bemerkt haben. Der Beschluss des zuständigen Richters, demzufolge das Sturmgewehr des Typs Zastava M70 - ein im ehemaligen Jugoslawien hergestelltes, auf der Technik des Kalaschnikow-Sturmgewehrs AK-47 beruhendes Modell - nicht mehr Prozessgegenstand ist, datiert vom 26. Mai.
Marsel O. muss sich damit nur mehr für eine am 25. September 2020 und damit wenige Wochen vor dem Attentat gelieferte Pistole der Marke Tokarev verantworten, die er dem späteren Attentäter sowie dem Vermittler des Geschäfts, Adam M., in der Bundeshauptstadt übergeben haben soll. Der Attentäter wurde bei dem Anschlag in der Wiener Innenstadt von der Polizei erschossen, Adam M. im vergangenen Februar am Wiener Landesgericht nicht rechtskräftig für seine Beteiligung an der Waffenbeschaffung sowie wegen Beitrags zu vierfachem Mord und mehrfachem Mordversuch zu lebenslanger Haft verurteilt. Vorgeworfen werden ihm lediglich Vergehen gegen das Waffengesetz, eine Mitwirkung bzw. Mitwisserschaft am Terror-Akt ist nicht angeklagt. Die Anklagebehörde geht auch nicht von einer Beteiligung am Mord aus. Marsel O. drohen im Fall einer anklagekonformen Verurteilung bis zu zwei Jahre Haft.
Verfahren gegen am Rande Beteiligte ausgeschieden
Weshalb es zu dem staatsanwaltschaftlichen Fehler kommen konnte, erklärte Behördensprecherin Bussek wie folgt: Im Zuge der strafrechtlichen Aufarbeitung der Terror-Nacht wurde gegen weit mehr als 30 Beschuldigte umfangreich ermittelt. Um die Staatsanwältin zu entlasten, die jahrelang engagiert und zeitintensiv die Ermittlungen leitete, wurde in einzelnen Fällen das Verfahren gegen am Rande Beteiligte ausgeschieden. Eine weitere Staatsanwältin bekam so einen Akt gegen einen Verdächtigen auf den Tisch, der - wie Bussek betonte - nichts mit dem Anschlag an sich zu tun hatte. In einem Bericht, der sich zunächst primär auf diesen Mann und offenbar auf einen Verdacht in Richtung Verstoß gegen das Kriegsmaterialgesetz bezog, tauchte erstmals der Name Marsel O. auf. Die zweite, nicht federführende Staatsanwältin bezog den Slowenen kurzerhand in ihren Akt ein. Nach Auswertung der Erhebungsergebnisse kam diese Anklägerin zum Schluss, dass gegen den ursprünglich Verdächtigen keine hinreichenden Verdachtsmomente vorlagen, um diesen weiter zu verfolgen. Sie stellte daher das Verfahren gegen ihn ein - versehentlich bezog sich die Einstellung allerdings auch auf Marsel O., was behördenintern offenbar nicht weiter auffiel und auch der in erster Linie zuständigen Staatsanwältin nicht zur Kenntnis gelangte.
"Sind damit nicht glücklich"
"Wir sind damit natürlich nicht glücklich", erklärte Bussek. Da die Zastava M70 unter das Kriegsmaterialgesetz fällt, habe man in diesem Punkt den Strafantrag gegen Marsel O. zurückziehen müssen: "Wenn dort (gemeint: in dem bereits 2021 eingestellten Verfahren) das Kriegsmaterialgesetz eingestellt wurde, ist das derselbe Lebenssachverhalt." Den könne man dem Slowenen jetzt nicht mehr zum Vorwurf machen: "Daran sind wir gebunden. Es gibt keinen anderen Weg." Es sei aber nicht so, dass der Mann damit gar nicht mehr belangt werde: "Die Faustfeuerwaffe bleibt ja."
Allerdings wäre die Strafdrohung eine höhere, würde es am kommenden Dienstag nicht nur um die Pistole, sondern auch um das Sturmgewehr gehen. Wer Kriegsmaterial ohne die hiefür erforderliche Bewilligung ein-, aus- oder durchführt oder vermittelt, muss mit bis zu drei Jahren Haft rechnen.
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