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Pflegende Angehörige: "Wir brauchen Solidarität, kein Mitleid"

Von Verena Gabriel, 30. November 2023, 18:11 Uhr
"Wir brauchen Solidarität, kein Mitleid"
Das Interesse war groß: Die Besucherinnen und Besucher nutzten die Veranstaltung auch zum gegenseitigen Austausch. Bild: VOLKER WEIHBOLD

LINZ. Die OÖN luden mit der Caritas zum "Forum für pflegende Angehörige". Experten erzählten aus ihrem Alltag und gaben rechtliche und finanzielle Tipps.

Aus ihrem Alltag im Seniorenwohnhaus Karl Borromäus erzählte Simone Puffer am Mittwoch im OÖN-Forum in den Linzer Promenaden Galerien: Eines Tages sei eine Heimbewohnerin zu ihr ins Büro gekommen. Die Dame hatte ihre Zimmernummer vergessen und bat die Pflegedienstleisterin, ihr die Nummer auf einem Zettel aufzuschreiben. "Wenig später habe ich einen Anruf von der Feuerwehr bekommen. Eine Dame soll mehrmals den Notruf 122 gewählt haben, weil sie ihr Zimmer nicht finden konnte." Es war jene Bewohnerin, die in 1-22 untergebracht war: erster Stock, Tür 22.

Forum für pflegende Angehörige
Simone Puffer vom Caritas-Seniorenwohnhaus Karl Borromäus und Validationslehrerin Hildegard Nachum sprachen über Demenz. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Die Anekdote von Simone Puffer erheiterte die Besucherinnen und Besucher, die sonst nicht viel zu lachen haben. Beim "Forum für pflegende Angehörige", das die OÖNachrichten am Mittwochnachmittag mit der Caritas veranstaltet haben, konnten sie ihre Sorgen und Wünsche an hochkarätige Experten richten.

Vor allem Frauen saßen im Publikum – ein Abbild der Gesellschaft, wie Caritas-Direktor Franz Kehrer ausführte. "Zwei Drittel der pflegenden Angehörigen sind Frauen." Insgesamt sind es rund 60.000 Menschen in Oberösterreich, die zu Hause ihre pflegebedürftigen Angehörigen oder andere nahestehende Personen betreuen. Dabei stoßen sie häufig an ihre Grenzen, körperlich und emotional. Ihre eigenen Bedürfnisse bleiben meist auf der Strecke. Eine Betroffene teilte ihre Gedanken mit Irene Hofinger-Grünauer, die den Treffpunkt für pflegende Angehörige in Alkoven leitet: "Manchmal weiß ich nicht, wo mein eigenes Leben bleibt. Aber es ist schön, dass meine Mama daheim sein kann. Wir brauchen Solidarität, kein Mitleid."

Forum für pflegende Angehörige
Die Experten der Caritas und Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (VP) waren sich einig: Pflegende Angehörige gehören entlastet. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Die Experten der Caritas und Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (VP) waren sich einig: Pflegende Angehörige gehören entlastet. Von der Caritas würden bereits leistbare "Entlastungswochen" organisiert, ab kommendem Jahr gebe es auch "Auszeittage", sagte die Leiterin der Servicestelle für pflegende Angehörige, Sonja Zauner. Damit ihre Klientinnen und Klienten überhaupt die Zeit dafür aufbringen könnten, brauche es mehr Kurzzeitpflegeplätze. Hattmannsdorfer stimmte zu: Bei Tageszentren seien "massive Investitionen" nötig.

Problematisch werde es, wenn kurzfristig Unterstützung gebraucht werde. "Was passiert, wenn ich als pflegender Angehöriger plötzlich krank werde?", sagte Caritas-Direktor Kehrer in Richtung des Landesrats.

Tipps für Pflegegeld und Karenz

Finanzielle Hürden kommen noch dazu. Heuer wurde der Angehörigenbonus von monatlich 125 Euro eingeführt. Neu ist auch der Rechtsanspruch auf eine dreimonatige Pflegekarenz. Diese hatte auch Gertraud Rainer aus St. Oswald genommen, um ihren Onkel zu betreuen – jedoch unentgeltlich. "Leider ist bei vielen Förderungen das nahe Verwandtschaftsverhältnis nachzuweisen. Nicht immer ist jeder Verwandtschaftsgrad berechtigt, das ist sehr unterschiedlich", sagte Irmtraud Truttenberger von der Caritas-Servicestelle. Berechtigte bekommen bei der Pflegekarenz etwa die Hälfte des Nettoeinkommens ausbezahlt. "Pflege ist immer mit finanziellen Einbußen verbunden", sagte Truttenberger.

Auch beim Pflegegeld muss man genau hinsehen. Wer zu niedrig eingestuft sei oder gar keinen Zuspruch habe, solle beim zuständigen Sozialgericht eine Klage einbringen. "Man darf sich das nicht gefallen lassen", sagte Rechtsanwalt Wolfgang Stütz. Er rät, vor dem Besuch des Sachverständigen ein Pflege-Tagebuch zu führen. Abschließend legte Stütz den Zuhörerinnen und Zuhörern eine Vorsorgevollmacht ans Herz. Zu einem Zeitpunkt, wo man noch klar denken kann, sollte man eine Person bestimmen. "Die erteilte Vollmacht tritt erst dann in Kraft, wenn man laut medizinischem Zeugnis nicht mehr entscheidungsfähig ist."

"Wir brauchen Solidarität, kein Mitleid"
Anwalt Wolfgang Stütz und Irmtraud Truttenberger (Caritas-Servicestelle) Bild: VOLKER WEIHBOLD

Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine fortgeschrittene Demenzerkrankung festgestellt wird. Über den Umgang mit Betroffenen sprach Validationsexpertin Hildegard Nachum. "Die Leute fühlen sich wie ein Schneemann, der zu schmelzen beginnt." Wenn sie kognitiv abbauten, komme verstärkt ihre emotionale Seite zum Vorschein, sagte Nachum. "Sie leben in ihrer eigenen Welt. Als Angehöriger muss man lernen, sie in dieser Welt zu begleiten." Das funktioniere am besten mit Beschäftigung, Verständnis und "Schmäh".

Die Veranstaltung können Sie hier in voller Länge nachschauen:

Bildergalerie: OÖN-Forum für pflegende Angehörige

Forum für pflegende Angehörige
Forum für pflegende Angehörige (Foto: VOLKER WEIHBOLD) Bild 1/14
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Autorin
Verena Gabriel
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