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Franz Brunner: (K)ein Schiff wird kommen

22. September 2020, 10:49 Uhr
Franz Brunner
Franz Brunner

STEYR. Autor Franz Brunner begab sich für seine heutige Kolumne auf den Steyrer Stadtplatz und ließ sich von diversen Eindrücken berieseln...

(K)ein Schiff wird kommen.

Wen wundert‘s, ich saß ja auch nicht am Meer, sondern am Steyrer Stadtplatz. Da kommen eben keine Schiffe, da konnte ich die griechische Schnulze noch so leidenschaftlich mitbrummen, es kommen trotzdem nur Autos. Keine Panik, ich mische mich jetzt nicht in die Diskussion um einen autofreien Stadtplatz ein, ich finde aber Autos genauso interessant wie Schiffe, es ist alles nur eine Frage der Einstellung. Keine Frage der Einstellung, vielmehr eine Frage der Reisebeschränkungen war es aber, heuer das Meer nicht in natura zu sehen. Ich tröstete mich damit, dass das Meerwasser salzig und der Strand sandig ist, da war doch 16 Grad frisches Steyr-Wasser und runder Schotter, der nicht zwischen die Zehen kriecht, ungleich angenehmer. Ich zumindest mag das.

Also saß ich an einem heißen Vormittag im September gelassen im Sprühnebel des Leopoldi-Brunnens, für einen Schattenplatz war ich zu spät dran. Die besten Plätze waren bereits seit Stunden von den Dosenbierliebhabern, die sich lautstark über die zu geringe Mindestsicherung beklagten, belegt. Begleitet wurden ihre Reklamationen von akustischen Meisterleistungen des Zwerchfells nach den regelmäßigen Schlucken aus den Alu-Dosen.

Mir gings aber nicht so sehr um einen Platz zum Entspannen, sondern um eine gute Beobachtungsposition. Und die hatte ich gefunden. Ich thronte wie ein Wächter leicht erhöht am Rand des Brunnens, mit den Füßen lässig pendelnd und den gesamten Stadtplatz überblickend. Kein Auto, welches diesen querte, entging meiner Begutachtung. Dabei waren mir die Blechkisten im Grunde egal, tote Materie, deren Bedeutung ohnehin überschätzt wird. Die Fahrer allerdings, die hatten’s mir angetan, die gaben aus psychologischer Sicht echt was her, da lohnte sich das geduldige Sitzen. Kennen Sie die landläufige These, dass Hundebesitzer und deren treue Begleiter sich im Laufe ihres Zusammenlebens in Aussehen und Charakter immer ähnlicher werden?

Beispiele aus meinem persönlichen Umfeld bestätigen diese Annahme eindrucksvoll. Bert zum Beispiel, der hat einen 10-jährigen Mischlingsrüden, den FRITZL, mit dem er gerne im Bergland seine Runden geht. Bertl wie FRITZL hecheln und sabbern bereits nach wenigen Höhenmetern im Gleichtakt, geben dennoch nicht auf. Oder der Herr M., der wohnt samt Frau und Schäferhund HASSO in der Nachbarsiedlung, Herrchen wie Hund ständig finster dreinschauend und sehr leicht reizbar. Oder die Claudia mit ihrem Spielzeugpudel, der DAISY, die mehr quietscht als bellt. Frauchen und Hund in einträchtiger Stimmlage und in ebenso einträchtiger Haar- bzw. Pelztracht.

Doch zurück zum Stadtplatz, zurück zum Brunnen. Da tat sich ein ähnliches Phänomen auf. Irgendwann fuhr Ali vorbei, um genau zu sein, ALI 1, so besagte das Kennzeichen. Beide schwarz, protzig, laut und zudem fast gleichen Namens. Ali, der spätpubertäre Macho mit der Baseball-Kappe, natürlich verkehrt rum auf, und ALI 1, der schwarze 3er-BMW mit dem Sportauspuff.

Bei Herrchen und Hund ist es ja so, dass die Partner gleichermaßen Lebewesen sind, deshalb bewegen sich beide in Richtung einer Annäherung, man passt sich also gegenseitig an. Bei der Partnerschaft von Herrchen und Auto hingegen ist nur einer aktiv, ein Partner ist tote Materie, ändert sich charakterlich demnach nicht. So war es eben Ali, der sich seinem Blechhaufen unterwarf. Protzig, schwarz, laut und stinkend, irgendwann waren beide zwangsläufig im Gleichtakt.

Ich brauchte nicht sehr lange auf das weibliche Pendant zu warten. Ein beige-färbiger Mini, dem das Dach fehlte und der mit seinem Kennzeichen kundtat, dass eine Dame unterwegs ist. LADY 1 kurvte um den Brunnen, ihre blonde Mähne flatterte im Fahrtwind. Mit erhabenem Rundum-Blick scannte sie ihre Umgebung, vergewisserte sich der Aufmerksamkeit der Gäste in den Schanigärten und verließ mit ihrem Cabrio hüpfend über die Obere Kaigasse den Stadtplatz. Zwar nicht lady-like, aber erklärbar, denn aufgrund eines wichtigen Gesprächs mit ihrem Handy hatte sie keine Hand mehr frei, um den richtigen Gang einzulegen. Fürwahr ein peinliches Schicksal.

Sie werden mir vielleicht beipflichten, dass aus psychologischer Sicht und auch was den Unterhaltungswert betrifft, der Steyrer Stadtplatz einer Flaniermeile am Meer um nichts nachsteht. Geben Sie dem Heimatgefühl eine Chance und suchen Sie sich einen guten Sitzplatz im Zentrum. Fördern Sie die leidgeprüfte Steyrer Gastronomie durch ein wenig Konsumation und nehmen Sie sich genügend Zeit. Achten Sie dann bei den herumkurvenden Benzinkutschen auf Wunschkennzeichen, Fahrstil und Nebenbeschäftigungen beim Fahren, Sie werden sicher nicht enttäuscht sein. Urlaub in Österreich ist doch was richtig Interessantes und mitunter Lustiges. Und wenn man will, kann man da auch was lernen, z.B. mit sich selbst sehr zufrieden zu sein. Da ist ein Schulterklopfen schon mal angebracht.

www.franzbrunner.at

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