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"Humanismus ist unsere gemeinsame Wertebasis"

Von Reinhold Gruber, 05. November 2021, 00:04 Uhr
"Humanismus ist unsere gemeinsame Wertebasis"
Abt Reinhold Dessl und Chris Müller in der Stiftskirche

WILHERING/LINZ. Abt Reinhold Dessl steht in "seiner" Kirche in Wilhering, hat eine 3D-Brille auf dem Kopf und bewegt sich virtuell durch den Kölner Dom, verändert auf Knopfdruck Perspektiven und Standpositionen. Er staunt über das, was in diesem Moment nur er sieht. Neben ihm erklärt Tabakfabrik-Chef Chris Müller mit seiner ihm eigenen Begeisterung, was in naher Zukunft alles möglich sein könnte. Die beiden Männer kommen aus verschiedenen Welten, und doch eint sie vieles. Das soll 2022 auch mit Tagen des digitalen Humanismus im Stift sichtbar werden. Die OÖN haben die beiden im Büro des Abtes in Stift Wilhering zum Interview getroffen.

OÖN: Wie haben sich Ihre Wege gekreuzt?

Reinhold Dessl: Begonnen hat alles mit einem Wilheringer Politiker, der einen Vortrag von Chris Müller gehört hat. Er hat mir vorgeschlagen, dass wir uns die Tabakfabrik anschauen. Eine kleine Wilheringer Delegation ist dann nach Linz gefahren. Ich habe eine Gegeneinladung nach Wilhering ausgesprochen, und so wurde der Kontakt intensiver. Das Ganze ist in einem Studientag gegipfelt, bei dem es darum ging, wie wir Wilhering als Kraftort ausbauen könnten. Dort ist dann die Idee der "Plattform Humanismus" entstanden. Chris Müller: Bei diesem Gegenbesuch wurden wir vom Abt durch das Stift geführt. Für einen Menschen, der historisch interessiert ist, ist es unglaublich, was man hier an Schätzen aus 875 Jahren Geschichte findet. Wir sind durch den neuen Museumstrakt des Stiftes gegangen, und da gibt es einen jahrhundertealten Steinbrunnen, in den das Wasser digital hineinprojiziert wurde. Abt Dessl hat dann zu mir gesagt, dass wir in der Tabakfabrik keine Kontemplation, also die Besinnung und Beschäftigung mit geistigen Inhalten haben. Ich musste ihm zustimmen.

Und Sie haben überlegt?

Chris Müller: Ja. Ich bin mit einer Kollegin noch einmal nach Wilhering gefahren, um der Frage nachzugehen, wie wir unseren Leuten in der Tabakfabrik einen Raum, einen Tag anbieten können, um sich mit einem Thema total zu vertiefen. Mein erster Zugang war, dass die Entspannung zu etwas führt, das wir in der Tabakfabrik nicht bieten können.

Ist der Humanismus jener Bereich, in dem sich beide Welten sehr schnell getroffen haben?

Reinhold Dessl: Der klassische Humanismus ist die gemeinsame Wertebasis von uns beiden. Es steht einem Stift gut an, eine Plattform für Humanismus zu sein, weil wir seit Jahrhunderten ein spiritueller Ort sind, aber auch einer der Bildung und der Kultur. Wir wollen einfach einen Beitrag zu einer menschenfreundlichen Welt leisten. Chris Müller: Ich kann nicht sagen, dass ich theologisch gebildet bin, aber ich habe versucht, Dinge philosophisch zu ergründen. So ist die Beziehung immer enger geworden.

Was können Ihre beiden Bereiche voneinander lernen?

Chris Müller: Ich möchte mit der Tabakfabrik die Chance nutzen, Technologien zu finden, die wie früher ein Spaten Werkzeuge sind. Gemeinsam wollen wir die große Kraft einer riesigen Werkbank wie der Tabakfabrik und einen Ort von 875 Jahren Kompetenz, wo jede Pore im Stuck von Geschichte zeugt, verbinden. Wenn man hier im Stift Wilhering sitzt, merkt man schon, wie diese Ruhe wirkt, diese Größe des Raumes Eindruck macht. Reinhold Dessl: Ich glaube, dass längerfristig nur jene Organisationen überleben werden, die kooperationsfähig sind. Was mich an der Tabakfabrik gleich fasziniert hat, sind dieses kreative, innovative Milieu und gleichzeitig die moralischen Standards, die dort gelten. Die Putzfrau zu grüßen, ist etwa eine Bedingung für die Aufnahme. Chris Müller: In einer Community muss man leben wollen und andockfähig sein, sonst funktioniert das nicht. Im Stift gibt es die Regeln des heiligen Benedikt, und bei uns gibt es eine Hausordnung.

2022 wird es im Stift Wilhering eine Art Kongress zum Thema digitaler Humanismus geben. Was darf man sich davon erwarten?

Chris Müller: Wir wollen drei Tage lang zusammenkommen, um ernsthaft über die neuen Menschenrechte und auch Menschenpflichten zu reden. Das wird keine Disney-Veranstaltung. Ich bin dem Abt dankbar, dass wir in Räumlichkeiten gehen dürfen, die für sich selbst sprechen. Die Totenkapelle etwa ist ein Raum, der mit Marmor- und Steinplatten getäfelt ist – mit Blogbeiträgen von Jahrhunderten, die einem etwas erzählen. Wir dürfen dort sitzen und über die Endlichkeit von gesellschaftlichen Modellen reden. Dass sich etwas ändern muss, wird uns auch nach drei Tagen klar sein. Aber wir wollen danach einen wissenschaftlich hinterlegten Fahrplan haben, wie wir konkret erste Schritte gehen. Reinhold Dessl: Vielleicht kann man am Ende ein kleines Wilheringer Manifest festlegen, wie man in Zukunft besser mit den Herausforderungen umgeht. In der Verbindung von Rechten und Pflichten, von Individualität und Gemeinwohl. Wir haben noch nicht den großen Plan, aber die Kraft ist da, gemeinsam etwas zu entwickeln.

Autor
Reinhold Gruber
Lokalredakteur Linz
Reinhold Gruber
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