"Ich will nicht, dass ein Mob unser gutes Zusammenleben unterminiert"

LINZ. Polizeichef Andreas Pilsl über Corona-Demos, demokratiefeindliche Bewegungen und die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie.
Oberösterreichs Landespolizeidirektor Andreas Pilsl erwartet, dass "wir im Frühsommer wieder Richtung Normalität kommen", wie er im OÖN-Interview sagt. Doch bis dahin sei es noch eine lange Zeit, und die Unzufriedenheit steige. Er sei in Sorge, dass demokratiefeindliche Gruppierungen diese Unzufriedenheit für ihre Interessen nutzen, sagt Pilsl.
OÖN: Wir gehen in den elften Monat der Pandemie – und die Demonstrationen gegen die Handhabung der Krise nehmen zu. Erleben wir den Anfang einer größeren Protestwelle?
Andreas Pilsl: In einer lang andauernden Krise kommt es zwangsläufig dazu, dass immer mehr Unzufriedenheit auftritt. Leider, weil jetzt wäre es wichtig, sich noch einmal am Riemen zu reißen, vor allem, weil ein Ende in Sicht ist. Was uns mit Sorge erfüllt, ist, dass einige versuchen, diese Unzufriedenheit für sich zu verbuchen. Dabei sind auch vorbestrafte Leute federführend aktiv.
Ist die Szene aus Sicht der Polizei bedrohlich?
Bei den Demonstrationen sind sehr viele Menschen, die ihre Sorge berechtigt zum Ausdruck bringen – Familien und auch ältere Menschen. Aber die Proteste werden leider auch von Personen genutzt, die politisch motivierte Zielsetzungen haben und polizeilich schon vielfach auffällig waren.
In welcher Hinsicht?
Da sind welche darunter, die eine rechtsextreme Vergangenheit haben und nach dem Verbotsgesetz vorbestraft sind, Staatsverweigerer sowie Leute, die früher der Identitären Bewegung angehört haben. Sie benutzen die Unzufriedenheit als Vehikel für ihre demokratiefeindlichen Interessen. Sie herauszufiltern ist die große Herausforderung.
Wünschen Sie sich Versammlungsverbote?
Nein, kein Mensch will Versammlungen verhindern. Aber es gibt Regeln, an die man sich halten muss. Zum einen sind das gesundheitsbehördliche Regeln – etwa Maskenpflicht und Abstand. Zum anderen schauen wir sehr genau darauf, was auf der Bühne skandiert wird, welche Aussagen getätigt werden. Wenn das ins Staatsfeindliche geht, gilt es, einzuschreiten. Wo es enden kann, wenn man nicht rechtzeitig darauf schaut, hat man dieser Tage in den USA gesehen. Eine solche Spaltung wollen wir nicht. Und es hat auch bei uns in Social-Media-Foren dieser Szene schon Postings à la "Stürmen wir das Parlament" gegeben.
Sie sehen in Österreich die Gefahr von ähnlichen Szenen wie in den USA?
Nein, da sind wir noch weit weg. Aber Anfänge sind spürbar – und ich will nicht, dass ein Mob unser gutes Zusammenleben unterminiert. Daher habe ich auch ein Ersuchen an alle Menschen mit Vorbildfunktion in unserer Gesellschaft. Man sollte in der Kritik, die es natürlich geben soll, auf die Wortwahl aufpassen. Wenn wer ständig "Politiker XY muss weg" ruft, dann kann das von einem kleinen Prozentsatz von Menschen auch radikal ausgelegt werden. Und wir wollen nicht, dass Worten Taten folgen.
Bei der Anti-Corona-Demonstration am 1. Jänner in Linz gab es Kritik, dass die Polizei nicht energisch genug gegen Verstöße gegen die Maskenpflicht und die Abstandsregeln eingeschritten ist.
Wir haben das analysiert und uns für künftige Versammlungen eine Vorgangsweise zurechtgelegt, sodass das in dieser Form nicht mehr stattfinden können wird. Wir filtern diejenigen, die sich nicht an gesundheitsbehördliche Vorgaben halten, heraus und ahnden Verstöße. Wir haben diese Woche in Braunau beispielsweise 26 Personen zur Anzeige gebracht.
Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit von Anti-Corona-Maßnahmen: Haben Sie persönlich eigentlich schon einen gewissen Lockdown-Frust?
Wir bei der Polizei sind in einer privilegierten Lage, weil wir arbeiten durften – und das hat schon einen Vorteil. Mir fällt also die Decke nicht auf den Kopf, mir geht nur die Arbeit nicht aus. Und davon haben wir bei der Polizei genug, weil wir weiterhin viele Aufgaben für die Gesundheitsbehörden machen. In Oberösterreich erledigen wir auch Aufgaben, die anderswo vom Heer gemacht werden – wie die Grenzkontrollen.
Die Arbeit der Polizei wäre 2020 wahrscheinlich einfacher gewesen, wenn die Verordnungen und Gesetze gegen die Ausbreitung des Virus präziser und durchgehend verfassungskonform gewesen wären …
Natürlich haben da und dort Sachen nicht gepasst. Uns als Polizei steht es aber nicht zu, das zu beurteilen. Dazu gibt es den Verfassungsgerichtshof. Insgesamt habe ich Verständnis, dass nicht immer alles rund gelaufen ist. Es galt in kurzer Zeit, so viele Situationen zu regeln und in Gesetzestexte zu gießen, das ist extrem schwierig. Wir als Polizei haben dann ja auch versucht, bei Unzulänglichkeiten, die wir festgestellt haben, auszugleichen und nicht gleich zu strafen.
Was ist Ihre Pandemie-Prognose für 2021?
Ich bin kein Mediziner. Aber angesichts der Informationen, die uns vorliegen, schaut es gut aus, dass wir im Frühsommer Richtung Normalität kommen. Doch bis dahin ist es noch eine lange Zeit.
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