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Schmied aus Leidenschaft

Von Martin Dunst, 08. Juni 2013, 00:04 Uhr
Schmied aus Leidenschaft
Ein Trio mit Schlagkraft: Georg, Johann und Johann jun. Schmidberger aus Molln. Bild: Gregor Semrad

Als Kind träumte er von Prinz Eisenherz. Als Jugendlicher lernte er das Schmiedehandwerk im familieneigenen Betrieb in Molln. Heute ist Hans Schmidberger ein zufriedener, international gefragter Mann und geht im Vatikan ein und aus.

In der alten Schmiede in Molln brennt ein munteres Feuer in der Esse. Angespornt vom pumpenden Blasebalg, der es unentwegt mit Sauerstoff versorgt. Johann Schmidberger (62) und sein Sohn Georg hämmern im Takt auf ein glühend rotes Stück Eisen ein. Die Schläge auf den Amboss klingeln in den Ohren. Die Arbeit vermittelt etwas Archaisches, macht tausende Jahre menschliche Kulturgeschichte lebendig, zeigt die enge Verbindung zwischen Mensch und Eisen. Die Schmiede ist Arbeitsplatz und Schauraum in einem. Jeder Winkel ist gefüllt mit Eisenwaren der vergangenen tausend Jahre. Frühzeitliche Hufeisen, Krampen, Schilde und Hämmer, große und kleine Feuerzangen. Ob Waffen oder Werkzeuge, die Arbeit des Schmieds hat sich zumindest in der rußgeschwärzten Esse im Steyrtal kaum verändert. „Des kannst net vü anders machen“, sagt der Seniorchef Johann Schmidberger. Das Eisen müsse geschmiedet werden, solange es warm ist. An diesem Grundsatz habe sich nichts geändert. „So hat man auch schon vor hunderten Jahren gearbeitet.“

Wie kein Zweiter beherrscht Schmidberger die Schmiedetechnik der alten Meister, das macht ihn heute zu einem international gefragten Mann.

Der Eisenanteil im Blut der Schmidbergers dürfte wesentlich höher sein als jener bei ihren Mitmenschen. Seit Jahrhunderten formt diese Familie Metalle zu Schwertern, Beschlägen, Harnischen, Nägeln und Schaufeln.

Schmieden im Blut

Betrachtet man die aufwendig gestalteten Schlösser an einer Wand der Schmiede oder einbruchssichere mittelalterliche Truhen samt Geheimschloss, wird aus dem Hand- ein Kunstwerk und aus der Schmiede ein Museum. Das Schmieden liegt Schmidberger nicht nur im Blut, er trägt es auch im Namen und führt eine jahrhundertealte Tradition fort. Der Senior und seine Söhne Johann und Georg arbeiten in der Schmiedstraße 17. Die „Schmidten bei der Lackn“ geht zurück bis in das Jahr 1350. Molln gehört zur Region Pyhrn-Eisenwurzen, ist eine Gemeinde an der Eisenstraße. Mehr Bezug zum Metall geht nicht. „Mich fasziniert der Werkstoff Eisen, man kann alles aus ihm machen“, sagt Schmidberger. So entsteht an einem Tag in der Schmiedstraße ein Teil einer Ritterrüstung, am nächsten ein Grabkreuz oder ein Gartentor.

Die Liebe von „Hans dem Schmied“ gehört dem Mittelalter. Burgen, Rüstungen, Schwerter, Armbrüste, Schilde haben es dem Steyrtaler angetan. Die Schmiede erinnert dementsprechend an eine gut ausgestattete Waffenkammer eines adeligen Feldherrn. Von der Hellebarde bis zur Armbrust reicht der Fundus.

Ihren Ursprung hat diese Leidenschaft schon in der Kindheit Schmidbergers. „Die Schmiede war mein Spielplatz.“ Als Bub habe er die Geschichten von Prinz Eisenherz verschlungen und von Rittersagen geträumt. Freunde vom „Eisen-Hans“ meinen augenzwinkernd, der Schmied sei 500 Jahre zu spät auf die Welt gekommen. Neben Prinz Eisenherz hat der Schmied als Lehrling das Eisen und das Mittelalter in sein Herz geschlossen – mit ganzem Herzblut Schmied statt Ritter aus Leidenschaft. „Für mich war das genau das Richtige und immer mehr Berufung als Beruf.“

Während er erzählt, schlüpft Schmidberger wie beiläufig in einen eisenbewehrten Lederhandschuh. Die polierten Metallplättchen erinnern an Fischschuppen. Unzählige Stunden Arbeit und viel Feingefühl stecken in diesem Rüstungsteil. Zufrieden prüft der Schmied die Beweglichkeit der einzelnen Fingerglieder. In diesem Moment kommt der Bub, der einst so sein wollte wie Prinz Eisenherz, wieder zum Vorschein. Begeistert präsentiert der Mittelalter-Fachmann seine Schwertersammlung. Vom Dolch bis zum Bihänder ist alles an Hau- und Stichwaffen vertreten. Bei allem Feuer, mit dem Schmidberger noch 35 Jahre nach seiner Meisterprüfung für seine Profession brennt, ist das Dasein als selbstständiger Schmied doch nicht immer ein Honigschlecken gewesen. Gerade die Anfänge rund um das Jahr 1980 waren nicht immer leicht. Ein Schmied zählte zu den vom Aussterben bedrohten Berufsständen.

Kein Acht-Stunden-Job

Geld oder Arbeitsstunden hat Schmidberger nie gezählt. „Ich habe oft bis in die Nachtstunden hinein gearbeitet und mich gefreut, wenn zum Beispiel eine aufwendige mittelalterliche Kassette stetig gewachsen ist.“

Die Arbeit als Metaller in einer der großen Fabriken in Steyr wäre nichts für den Schmied gewesen. „Ich schätze meine Freiheit und die Vielfältigkeit meiner Arbeit.“ Heute ist der Mollner Schmied Sammlern, Fachleuten und Mittelalter-Fans auf der ganzen Welt ein Begriff. Die Kunden schätzen sein Wissen, das sonst wohl nirgendwo derart gebündelt zu finden ist. Helme, Schilde und Rüstungen von Schmidberger werden sogar von Experten immer wieder für Originale aus dem Mittelalter gehalten.

Schmidberger rüstete unter anderem Bruno Ganz als Odysseus mit einem Brustpanzer aus. „Ein interessanter Mensch, der sich mit mir ganz locker über Alltägliches unterhalten hat, da haben die Damen von der Maske gestaunt“, erinnert sich der Handwerker, der auch für Klaus Maria Brandauer (Wallenstein) und Plácido Domingo (Othello) Rüstungsteile fertigte. Die Krönung seines Arbeitslebens kam allerdings nicht aus einem Opern- oder Schauspielhaus sondern aus dem Vatikan.

Schmidberger und seine Söhne fertigen Harnische für die Schweizergarde. „Erst am vergangenen Montag sind wieder fünf Stück in einer Holzkiste Richtung Rom gegangen.“ Für den kleinen Schmied „bei der Lackn“ ist das „ein Hammer“. Die Arbeit aus Oberösterreich wird im Vatikan hoch geschätzt. Die Schmidbergers gehören bereits zur verschworenen Gardefamilie. „Wir waren am 6. Mai zur Angelobung der neuen Rekruten eingeladen, saßen in der dritten Reihe gleich hinter dem Schweizer Bundespräsidenten.“

Mit dem Auftrag aus dem Vatikan kam auch die Aufmerksamkeit der Medien. Von Universum über Servus TV bis zur Washington Post interessieren sich Presseleute für den Schmied mit den Zauberhänden. Touristen stürmen die Werkstatt in Molln regelrecht. Es scheint so etwas wie eine Renaissance für altes Handwerk zu geben. Ein Gegenentwurf zu Massenfertigung und Wegwerfgesellschaft. „Wir bieten Workshops an, in denen sich die Teilnehmer an einem Tag ein Schwert schmieden können“, sagt Johann Schmidberger junior, der die Meisterprüfung abgelegt und die Schmiede von seinem Vater übernommen hat. Viele Teilnehmer halten die Aufgabe, selbst ein Schwert zu fertigen, zu Beginn für unmöglich. „Abends gehen die meisten mit müden Armen und hochzufrieden damit, etwas mit den eigenen Händen geschaffen zu haben, nach Hause.“

Gemeinsam mit seinem Bruder Georg führt Johann Schmidberger die Schmiede-Tradition in der Schmiedstraße 17 fort. Die nächste Generation scharrt auch schon in den Startlöchern. Wie einst der Opa, haben sie die Schmiede bereits als Spielplatz für sich entdeckt, wachsen mit Hammer und Amboss auf. Den Großvater freuts. Als Hans Schmidberger von seinem Enkelsohn erzählt, der das Eisen schon richtig im Feuer dreht, lächelt er zufrieden. „Es ist alles so gekommen, wie ich es mir erträumt habe. Meine Söhne führen den Betrieb weiter, der Auftrag aus dem Vatikan ist überhaupt das Größte für mich.“ Dazu ist Schmidberger seit vier Jahren Burgherr auf Hochosterwitz in Kärnten, darf sich dort ein bisschen so fühlen wie der Held seiner Jugend, Prinz Eisenherz. „Erzwingen lässt sich das alles nicht“, ist Schmidberger überzeugt. Weder die Berufswahl der Söhne noch der Auftrag aus dem Vatikan. „Ich bin halt zeitlebens meinen Weg ganz gerade gegangen, habe mein Handwerk mit Liebe ausgeübt.“

Von Ruhestand will der Senior nichts wissen. Mit seinen rußgeschwärzten Händen und in der Arbeitskluft samt Lederschurz wirkt der vitale Mann mit kräftigen Händedruck auch nicht wie ein Pensionist. Stolz zeigt er einen von Hand gemachten Helm, streicht fast liebevoll über eine Hellebarde. „Ruhestand ist mir fremd. Das Schmieden ist doch mein Leben, das kann ich nicht aufgeben, das mache ich, solange ich einen Hammer halten kann.“

Schmiedstraßen-Festl Die Schmiedstraße in Molln war einst gesäumt von Handwerksbetrieben. Diese Tradition wird wieder belebt. Die alte Schmiede ist das Zentrum dieses Handwerksfestes. Beginn ist am Sonntag, 9. Juni, um 10.30 Uhr. Insgesamt zwölf Handwerker präsentieren bei freiem Eintritt ihr Können. www.schmiede-schmidberger.at

Die alten Rittersleut

Hochosterwitz: Auf einem 170 Meter hohen Felsen thront in Kärnten Burg Hochosterwitz hoch über St. Veit an der Glan. Seit gut einer Woche ist die Wehranlage wieder für Besucher geöffnet. Der Mollner Schmied Johann Schmidberger hat in der alten Schmiede der Burg eine zweite Heimat gefunden. Schmidberger wurde von der Familie Khevenhüller, in deren Besitz die Burg seit knapp 500 Jahren steht, zum Kastellan ernannt. Während des Sommers wohnt Schmidberger mit seiner Frau auf der Burg und ist für den Betrieb verantwortlich. Alte Schriften zeigen, dass die Vorfahren des Mollner Schmieds bereits vor 450 Jahren Waffen aus dem Steyrtal nach Hochosterwitz geliefert haben.

Die Schmiedekunst gehört zu den ältesten Handwerken der Menschheitsgeschichte. Das Schmieden hat in allen historischen Völkern in Kunst und Kultur seinen Platz gefunden: von der griechischen Mythologie – Schmiedegott Hephaistos bist zum Germanischen „Wieland der Schmied“. Viele Sprichwörter haben in der Metallbearbeitung ihren Ursprung: „Pläne schmieden“, „jemanden zur Weißglut treiben“, „ein Eisen im Feuer haben“, „ein jeder ist seines Glückes Schmied“.

Die Päpstliche Schweizergarde ist verantwortlich für die Sicherheit des Papstes und sichert die Vatikanstadt ab. Das päpstliche Armeekorps wurde im Jahr 1506 gegründet. Die Kommandosprachen der Garde sind Deutsch und Italienisch. In der Schweizergarde dienen 110 Offiziere, Unteroffiziere und Hellebardiere. Mitglieder der Garde können nur katholische männliche Schweizer zwischen 19 und 30 Jahren werden. Kandidaten müssen mindestens 1,74 Meter groß sein und dürfen in den niederen Chargen nicht verheiratet sein.
 

Kleines Schmiedelexikon
Das Eisen muss geschmiedet werden, solange es warm ist – so lautet ein Leitsatz aller Schmiede. Das Wort „heiß“ verwenden Fachleute nicht. Eine Einführung in die Welt aus Eisen, Kohle und Feuer.

Esse von althochdeutsch „essa“, „Herd des Metallarbeiters“, bezeichnet eine offene Feuerstelle mit Abzug. MIt einem Blasebalg wird Sauerstoff zugeführt. Als Brennstoff dient Stein- oder Fettkohle.

Härten Das Härten von Stahl dient zum Erhöhen der mechanischen Widerstandsfähigkeit. Es kann durch Wärmebehandlung mit anschließendem schnellen Abkühlen erfolgen.

Strecken Dünnerschlagen und damit Dehnen eines erhitzten Metallblechs

Schroten Einhauen von Kerben in den Rand eines Metallstücks

Schweißen Zusammenhämmern zweier weißglühender Metallteile

Stauchen Verdicken der erhitzten Stelle eines Metallstabs

Prägen Kaltbearbeitung des Eisens mit dem Meißel

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 09.06.2013 08:12

abkupfern was sie wollen, nur das Original ist das Original.

Es kann ein hartes Brot sein, sich als Handwerker gegen die Massenproduktion behaupten zu müssen. Aber ein Produkt vom Rohstoff bis zum Manufakturware in seinen Händen entstehen zu lassen, ist ein anderes Arbeiten als am Fliessband.

Das Nischenprodukt wird immer seine Kunden haben.

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