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„Es war Zufall, wer sterben musste und wer überlebte“

28. Juli 2012, 00:04 Uhr
„Es war Zufall, wer sterben musste und wer überlebte“
Alfred Bergsmann, 15 Jahre nach dem verheerenden Unfall auf Rhodos Bild: att

KATSDORF. Alfred Bergsmann besitzt auf Rhodos ein Grundstück. Am 23. Juli 1997 starben darauf seine Frau, seine Tochter, seine Schwiegermutter.

Diese Woche wurden es 15 Jahre: Am 23. Juli 1997 verliert Alfred Bergsmann, damals 36, bei einem Verkehrsunfall drei nahe Verwandte. Seine Tochter Julia und er selbst überlebten. Das Leben ging weiter, irgendwie.

 

OÖNachrichten: Herr Bergsmann, Sie haben vor 15 Jahren bei einem Verkehrsunfall Frau, Kind und Schwiegermutter verloren. Wie konnten Sie weiterleben?

Alfred Bergsmann: Julia hat mir die Kraft gegeben. Sie braucht mich. Wir haben uns gegenseitig geholfen. Es gab viel Unterstützung aus der Familie, von Freunden und Bekannten. Es war eine grausliche Zeit. Ich habe lange nicht geglaubt, dass Julia den Unfall überlebt hat.

OÖNachrichten: Warum nicht?

Alfred Bergsmann: Sie lag im Kinderspital, ich im AKH Linz. Die Julia haben sie aber nicht zu mir gelassen, weil ich so ausgeschaut habe. Abschürfungen, Schädelbruch, Lungenflügel zerfetzt, Wirbelbruch, Serienrippenbruch, Herz- und Nierenquetschung, Beckenbruch. Es war lange nicht sicher, ob ich überleben werde. Sie sollte ihren Papa so in Erinnerung behalten, wie er für sie war.

OÖNachrichten: Wie war das erste Wiedersehen?

Alfred Bergsmann: Da habe ich gesehen, dass das Leben weitergeht.

OÖNachrichten: Wie lange waren Sie im Krankenhaus?

Alfred Bergsmann: Zwei Monate. Reha habe ich abgelehnt, ich konnte keinen Arzt mehr sehen. Julia musste wieder in die Schule. Ich wollte sie in die Schule bringen. Dass ich bei ihr bin.

OÖNachrichten: Welche Erinnerungen haben Sie an den 23. Juli 1997?

Alfred Bergsmann: Wir waren drei befreundete Familien, die in einem Kleinbus eine Inselrundfahrt gemacht haben. Ein fescher Tag. Das Komische war, dass an diesem Tag ständig irgendetwas passiert ist. Etwas vergessen worden ist, jemand auf die Toilette musste. Irgendwie mussten wir am 23. Juli 1997 um 16.32 Uhr – da ist meine Uhr stehengeblieben – an dieser Brücke sein.

OÖNachrichten: Wo der Unfall passiert ist.

Alfred Bergsmann: Das Letzte, was ich vom Fahrer unseres Busses gehört habe, war: „Ist der wahnsinnig?“ Er dürfte den Griechen noch im Rückspiegel kommen gesehen haben. Der wollte uns überholen, ist uns hinten hineingefahren, wir sind gegen die Leitplanken geflogen und wurden zurückkatapultiert, dann hat er uns wieder erwischt. Es hat uns auf der Brücke überschlagen.

OÖNachrichten: Der Grieche war leicht verletzt, im Kleinbus starben fünf Menschen, fünf waren schwer verletzt.

Alfred Bergsmann: Ich habe das Auto auf Fotos gesehen. Dass das überhaupt jemand überlebt hat. Es schien Zufall zu sein, wer sterben musste und wer überlebte. Meine Frau saß neben mir, die war tot. Meine Tochter Silvia saß rechts hinten. Sie wurde aus dem Auto geschleudert. Man hat mir nie gesagt, wie sie gestorben ist. Ich habe nie verstanden, dass er sie genommen hat und nicht mich.

OÖNachrichten: Er.

Alfred Bergsmann: Der Herrgott.

OÖNachrichten: Ihre Tochter Julia ist Ihnen geblieben.

Alfred Bergsmann: Ja. Julia hat ausgesagt, dass ich zurückgegriffen und sie gehalten habe, bevor es zum Unfall gekommen ist.

OÖNachrichten: Erinnern Sie sich an letzte Gespräche mit Frau und Tochter?

Alfred Bergsmann: Wir haben eine Gaudi gehabt. Ich habe meine Frau gefragt, ob sie sich zum Fenster setzen will. Sie wollte nicht. Sonst wäre ich auf diesem Platz gesessen. Das hat mir das Leben gerettet.

OÖNachrichten: Wie oft hadern Sie heute noch mit Ihrem Schicksal?

Alfred Bergsmann: Das kommt pausenlos. Die Welt ist zusammengebrochen. Wären wir doch woanders hingefahren. Man kommt einfach auf keine Antwort. Wir wollten diesen Ausflug an einem anderen Tag machen, haben aber das Auto nicht bekommen.

OÖNachrichten: Wie begehen Sie die Jahrestage?

Alfred Bergsmann: Ich habe in Griechenland eine Gedenkstätte gebaut, das Grundstück wurde mir geschenkt. Ich bin jedes Jahr auf Rhodos. Allerdings nie zum Unfalltag. Das halte ich nicht aus. Ich war damals beim Begräbnis meiner Familie nicht dabei, weil ich im Krankenhaus lag. Ich hatte nie einen Abschluss, erst ein Jahr später auf Rhodos. Da gehe ich in mich, da habe ich alles verloren.

OÖNachrichten: Hassen Sie den Unfallverursacher?

Alfred Bergsmann: Er zeigte nie Reue. Ich war bei der Verhandlung. Als ich ihn sah, hätte ich ihn am liebsten ... Er bekam neun Jahre und drei Monate.

OÖNachrichten: Wie geht es Ihrer Tochter Julia heute?

Alfred Bergsmann: Sie ist 21 und geht ihren Weg. Sie hatte große Probleme, das zu verarbeiten. Wir haben uns viel geholfen. Der Unfall ist ein Tabuthema.

Alfred Bergsmann: Haben Sie nie gefragt, warum?

Alfred Bergsmann: Ich habe mir den Tod nie gewünscht. Weil Julia mich brauchte. Vielleicht die Frage, warum Silvia und nicht ich. Es ist eine Katastrophe, wenn man seine Frau verliert, ein Kind, das ist das Schlimmste.

OÖNachrichten: Wie hat Sie der Unfall verändert?

Alfred Bergsmann: Ich genieße jetzt das Leben. Lebe heute und nicht morgen.

 

Rhodos, 23. Juli 1997, 16.32 Uhr

Drei befreundete Familien aus dem Raum Linz befinden sich auf der Rückfahrt von einem gemeinsamen Ausflug auf der Insel Rhodos zum Hotel. Auf einer Brücke will ein 23-jähriger Grieche den Kleinbus überholen. Es kommt zu einem verheerenden Unfall. Fünf Urlauber sterben, weitere fünf werden teils schwer verletzt. Beim Griechen werden 2,6 Promille Alkohol im Blut gemessen. Alfred Bergsmann aus Katsdorf überlebt schwer verletzt, seine Frau Cornelia (36), seine Tochter Silvia (14) und seine Schwiegermutter sterben. Tochter Julia (7) überlebt.

 

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