Ein Friedhof für Milliarden und falsche Hoffnungen
Ein Lokalaugenschein im nie in Betrieb gegangenen Atomkraftwerk Zwentendorf. Vor 40 Jahren entschieden die Österreicher gegen die Atomkraft. Ein Rückblick.
Die "Brennelementewechselbühne" von Waagner-Biro und der 60 Tonnen schwere "Reaktordruckbehälterdeckel" aus der VÖEST-Alpine schauen noch aus wie neu. Und in wenigen Minuten sollen wir den "Steuerstabantriebsraum" betreten, vorher begutachten wir noch das "Grubenwählscheibentelefon". Etwas, das die handyaffine Jugend angeblich stets ungläubig beäugt.
Nicht nur die Begriffe erscheinen hier wie völlig aus der Zeit gefallen. Sie sind groß und lang und ungebräuchlich. Ein Besuch im einzigen österreichischen Atomkraftwerk Zwentendorf ist eine Zeitreise ins Jahr 1978. Damals entschieden die Österreicher mit einer knappen Mehrheit von 50,47 Prozent gegen die Inbetriebnahme. Wohlgemerkt, nachdem das Kraftwerk praktisch fertig war, um Atomkerne zu spalten und dabei Strom zu erzeugen. Eine Milliarde Euro hat die Republik bis zum Jahr 1985 dafür ausgegeben, dass hier keine einzige Kilowattstunde erzeugt und in das österreichische Stromnetz eingespeist wurde.
Der Jahrestag der Volksabstimmung jährt sich am 5. November zum 40. Mal. Was ist Zwentendorf heute? Der Kasten aus Stahlbeton mit bis zu 1,5 Meter dicken Wänden ist umgeben von idyllischer Flusslandschaft. Die Donau und ein Radweg führen vorbei. Auf der Terrasse der benachbarten, im Vergleich zum AKW winzigen Raststation genießen die Radler die letzten Sonnenstrahlen und preiswerten Veltliner. Es gibt eine schöne Laufstrecke rund um das Kraftwerk.
Die Ruhe in 1050 Räumen
Drinnen selbst ist es noch ruhiger. 1050 Räume gibt es, dafür keine Fenster. Im Eingangsbereich hängen Schutzoveralls und hellgelbe Unterwäsche. Besucher eines funktionierenden Kernkraftwerks hätten dies anziehen sollen. Mit einem Ansturm auf das Renommierprojekt der Energiepolitik der 1970er-Jahre war fix gerechnet worden.
Die Kleidung wurde nie getragen, die Strahlendetektoren gingen nie in Betrieb. Der Reaktor blieb kalt. Das war Anfang der siebziger Jahre undenkbar gewesen. Schon in den fünfziger und sechziger Jahren hatte die Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld GmbH (GKT) im Auftrag der Bundesregierung nach Standorten für Siede- und Druckwasserkraftwerke in ganz Österreich gesucht. 1976 lag ein Plan mit Atomkraftwerken samt 3300 Megawatt vor, die fünf bis sechs Millionen Haushalte versorgen sollten. Drei Standorte waren konkret. Neben Zwentendorf waren das St. Pantaleon an der nieder-oberösterreichischen Grenze und St. Andrä in Kärnten.
An Zwentendorf hatte man 1972 zu bauen begonnen. 1976 war das Kraftwerk fix und fertig. Mit Ausnahme der Brennelemente war alles da. 1,8 Millionen Haushalte hätten aus dem Tullnerfeld mit Strom versorgt werden sollen. Allein der Betriebsbescheid fehlte noch.
Kohle, Kernkraft und Kreisky
Bundeskanzler Bruno Kreisky, dessen SPÖ die Atomkraft damals ebenso befürwortete wie die ÖVP (nur die kleine FPÖ war im Nationalrat dagegen), spürte Widerstand in der Bevölkerung und wollte mit einer Volksabstimmung die Diskussion beenden. Kaum jemand zweifelte, dass dann das AKW den Betrieb aufnehmen würde. Von Unfällen wie später in Harrisburg oder Tschernobyl war damals noch keine Rede.
Kohle und Kernkraft lautete Kreiskys Devise. Er knüpfte sein politisches Schicksal an die Zustimmung zu Zwentendorf. "Ich sage nicht Nein, dass ich nicht zurücktrete", sagte Kreisky kryptisch, was ÖVP-Obmann Josef Taus die Chance wittern ließ, Kreisky eine Niederlage zuzufügen.
"Das hatte zur Folge, dass ökoaffine Kreisky-Fans für das AKW stimmten und bürgerliche Kernkraftbefürworter dagegen", erinnert sich Stefan Zach an seine Kindheit. Der Niederösterreicher ist heute Pressesprecher des Energieversorgers EVN, dem Zwentendorf heute zu 100 Prozent gehört.
Kreisky und das AKW verloren knapp. Aber nur das AKW kam zu Schaden. Der "Sonnenkönig" hatte genug Energie, die folgenden Wahlen zu gewinnen.
Was in Zwentendorf folgte, war absurd. Weil die SPÖ überzeugt davon war, dass sich die Kernkraft doch irgendwann durchsetzen würde, wurde ein Scheinbetrieb mit 200 teils hochbezahlten Kernphysikern aufrecht erhalten, die so taten, als würde Strom erzeugt. "Das war ausgeprägte Fadesse, mit einer unüberschaubaren Menge an Aktenvermerken", sagt Zach.
Wer trug die Kosten?
Die Instandhaltung kostete bis 1985 etwa so viel wie der Bau des Kraftwerks. Die Eigentümer der Gesellschaft, vom Verbund über Nevag (heute EVN), OKA (heute Energie AG) bis Tiwag mussten sich damals intensiv mit dem Thema "stranded investment" auseinandersetzen. Was letztlich der Steuerzahler als Eigentümer der Eigentümer bezahlte. Auch über die Stromrechnung. Dass es niemals einen ausgereiften Plan zur Entsorgung des Atommülls gab und bei keinem Kraftwerk heute gibt, wurde damals gar nicht kalkuliert.
Als Ersatzteillager ein Flop
Zwentendorf sollte nach 1978 zunächst als Ersatzteillager für baugleiche Atomkraftwerke dienen. Was allerdings kein gutes Geschäft war, weil auch diese Kraftwerke allesamt neu waren und keine Ersatzteile brauchten.
1985 versank Zwentendorf endgültig in einen Dornröschenschlaf. Hausmeister Hansi Fleischer und sein Hund Leonie führten dort ein beschauliches Leben. "Zwentendorf wurde auch nachher seinem Ruf als Symbol für permanentes Scheitern gerecht", sagt Stefan Zach. Friedensreich Hundertwasser wollte ein Museum der gescheiterten Technologien daraus machen, Baumeister Rogner ein Abenteuerland, der schillernde Lebemann und später verurteilte Udo Proksch plante sein Projekt "Friedhof der Senkrechtbestattung". Dies scheiterte ebenso wie der Versuch,
Zwentendorf als Kulisse für den Hollywood-Film "Meltdown" mit Dolph Lundgren zu etablieren. Alles war schon vorbereitet.
Heute ist das Kraftwerk ein Schulungszentrum für Teams, die alte Kraftwerke abwracken. Der Abriss eines AKW à la Zwentendorf kostet noch einmal zwischen 0,7 und einer Milliarde Euro. Ein Projekt für 20 bis 25 Jahre.
Heute wieder abrissreif
Auch Zwentendorf wäre mittlerweile in einem Alter für einen Abriss. Stattdessen bleibt es ein Mahnmal für eine Technologie, die einst als fortschrittlich galt, in Wahrheit aber weder nachhaltig noch kostengünstig ist.
Die EVN nützt Zwentendorf als Marketinginstrument. Neben dem Kraftwerk steht eine Photovoltaikanlage, die wirklich Strom erzeugt. Zwei Tage vor dem Jahrestag der Abstimmung sendet Radio Niederösterreich von dort. Das Motto lautet "Radioaktivtag".
Gleichsam eine Feier für einen, um es im alten AKW-Spruch zu sagen, "Antiatomkraftwerksabstimmungserfolg".
Zwentendorfer Zahlen
- 50,47 Prozent der Österreicher entschieden sich am 5. November 1978 gegen die Nutzung der Kernkraft und damit des Atomkraftwerks Zwentendorf.
- 29.469 Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 64,1 Prozent machten den Unterschied zwischen Zustimmung und Ablehnung aus.
- Null Kilowattstunden Strom wurden in Zwentendorf mit dem Atomkraftwerk erzeugt. Heute befindet sich auf dem Gelände eine Photovoltaikanlage, die schon wesentlich mehr ins Stromnetz eingespeist hat.
- 14 Milliarden Schilling, also etwa eine Milliarde Euro, kostete Zwentendorf bis zur Stilllegung im Jahr 1985. Wäre Zwentendorf in Betrieb gegangen, würde der Abriss noch einmal eine Milliarde Euro kosten.
- Keine Ahnung hatten Politik und Kraftwerksbesitzer damals, wo der radioaktive Atommüll später entsorgt werden sollte und was das letztlich kosten würde.
- 2,5 Millionen Euro ließ es sich die niederösterreichische EVN kosten, als sie 2005 die restlichen 50 Prozent an Zwentendorf vom Verbund übernahm.
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Im Gegensatz zu der heutigen Regierung wurde doch, wenn auch zu spät, ein Volks Begehren gestartet.
Auch damals hat sich schon gezeigt, wie regierungshörig gepolt die Menschen geworden sind
Obwohl das Wort "Proporz" noch in aller Munde war.
2 Fliegen auf einem Schlag.
Weil Kreisky ein Nein zu Zwentendorf
mit seinem Rücktritt junktimiert hatte,
haben die Österreicher am Ende kein AK gehabt,
aber dennoch Kreisky weiterhin als Kanzler.
Das AKW fix und fertig zu bauen, inkl. der Anlieferung der Brennstäbe
erst dann eine Volksabstimmung zu machen,
und es anschließend nicht in Betrieb zu nehmen,
war natürlich auch nicht das Gelbe vom Ei einer Atompolitik,
auch wenn wir Das heute als unseren frühen Weitblick
in der Anti- Atom- Debatte zu verkaufen versuchen .
Und wie lautete Kreiskys Milchmädchenrechnung:
Ich bin der Meinung, wenn 50,5 % bei einer Wahlbeteiligung von 64 %
gegen das AKW sind, dann ist doch die überwiegende Mehrheit dafür.
Diese Milchmädchenrechnung, und die Spekulation man wird es einmal in Betrieb nehmen können, haben zu einem "Scheinbetrieb" über einige Jahre geführt, der noch einmal soviel gekostet hat wie der Bau.
Diese "Betriebskosten" wären vermeidbar gewesen, hätte der "Sonnenkönig" die Entscheidung des Volkes sofort umgesetzt!
Österreich ist eben seit 1969 keine Demokratie mehr sondern nur mehr eine Sozialdemokratie mit einer Hierarchie der Anhimmler, mit einer juristischen Priesterherrschaft und mit einem medialen Pseudoparlament.
1969 war Josef Kaus ("Bäckensepp") bundeskanzler. dass der sozialdemokrat gewesen sein soll, ist mir neu. aber er war sehr katholisch - meinen Sie das mit priesterherrschaft?
GOTT SEI DANK, haben wir damals gewonnen. Ich schreibe wir, weil ich damals in den ANTI-AKW-KAMPF sehr involviert war. Der Kampf gegen die Atomenergie muss aber weitergehen, es geht nicht an, daß in den Nachbarstaaten an der Grenze zu Österreich Atomkraftwerke in Betrieb sind. Wir haben durch die Unfälle in Tschernobyl und Fukushima gesehen wieviel Leid und Elend über große Teile der Erde bringen können.
WIR HABEN NUR EINEN HEIMATPLANETEN-----DIE ERDE!!!
Gott sei Dank haben "WIR" damals gewonnen !
weil:
1. Ich gerne bei den Gewinnern bin
2. Ich wollte,, daß BK. Kreisky zurücktritt
3 Ich dem Kollegen Witzany eine Freude machen wollte
4. Mir die ganze Atomgeschichte suspekt gewesen ist,
insbesondere, weil sie so viele "Experten"
für unbedenklich und beherrschbar gehalten haben
...... nicht 1-4
sondern weil wir damals jungen Leute (ich war damals 23) ausreichend informiert waren, dass die Atomkraft schon damals eine Sackgasse war.
Energie erzeugen, dabei Plutonium produzieren, das eine Halbwertszeit von mehr als 20000 Jahren hat. D.h. auch danach ist noch die Hälfte dieses hochgiftigen Zeugs da. Und vor allem, keiner wusste (und weiss) wohin mit dem Zeug. Das wollten wir verhindern. Politik hatte für uns in diesem Zusammenhang aber schon überhaupt keine Bedeutung.
Ja, so hatten eben die Experten beider Seiten
ihre Argumente;
und wie Das halt nun so einmal ist:
Es kann nur Einer Recht haben!
Darum hat sich auch durchgesetzt,
daß die Erde eine Kugel (Erdapfel) ist.
und keine Scheibe,
wie das Experten Jahrtausende gepredigt haben.
Damals war ich noch, im Gegensatz zu euch Fanatikern, kein Parteifan sondern nur ein ÖVP-Wähler, um euch Fanatiker zu schwächen. Wirkungslos
https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Zwentendorf
Am 11. November 1969 wurde der Bau des Kernkraftwerks Zwentendorf von der damaligen Bundesregierung Klaus II genehmigt. Geplant war ein Siedewasserreaktor mit einer Nettoleistung von 692 Megawatt; er sollte 5,2 Milliarden Schilling (1,6 Mrd. Euro nach heutiger Kaufkraft) kosten. Am 4. April 1972 wurde mit dem Bau begonnen.
Auf Drängen der Bundesländer wurde der Baubeschluss für das Kraftwerk von der Bundesregierung unter Kanzler Kreisky am 22. März 1971 gefällt. Bereits das Energiekonzept der Regierung unter Josef Klaus sah den Bau des Kraftwerks vor.
"Man wird ja wohl noch gescheiter werden dürfen" Copyright "Sonnenkönig" Kreisky
Trotz absoluter persönlicher Präferenz für das AKW hat der grundehrliche Kreisky sein Scheitern zugegeben und dem Volkswillen Folge geleistet. Der Lohn war ein folgender fulminanter Wahlerfolg, weil ihm das Volk inkl. vielen vorherigen Anderswählern daraufhin vertraute.
Aber die Roten scheuten ab da eine echte Volksabstimmung wie der Teufel das Weihwasser, das darf sich nicht wiederholen unter den kalkulierenden Nadelstreiflern.
Das AKW selbst wurde aber bereits unter schwarzer Patronanz projektiert und der Bau begonnen, das war keine Marotte rein vom Kreisky.
> Das AKW selbst wurde aber bereits unter schwarzer Patronanz projektiert ...
Ist dir jetzt um ein Tortenstück leichter
Aber sicher, aber ich hole mir die Kalorien lieber vom Gerstensaft, solange er noch leistbar ist.
Das AKW selbst wurde aber bereits unter schwarzer Patronanz projektiert...
Würde der jago das in Abrede stellen wollen? Ich leg sogar noch eins drauf und behaupte, dass die mehrheitlich schwarzen Landeshauptleute auf den Bau drängten.
Aber nein, "in Abrede stelle ich" das nicht
Allerdings bin ich darüber enttäuscht, dass das primitiv-zweigeteilte Österreich nicht nur wirtschaftlich sondern auch kulturell und im Ansehen in Europa und in der Welt seinen Möglichkeiten weit hinterherhatscht.
Der Kreisky hat das nicht verursacht aber proletarisch-kultiviert ausgenutzt.
Der Wahlerfolg war durch die Volksabstimmung erst möglich, sonst hätte die Anti-AKW Bewegung sehr große Auswirkung auf das Wahlergebnis gehabt.
Hätte die Bevölkerung allerdings gewusst, dass dem Volkswillen jahrelang nicht folge geleistet wird, und das AKW mit hohen Kosten betriebsbereit gehalten wird,wäre die Wahl ebenfalls schlechter für die Sozialisten ausgegangen.
Der Kreisky war vielleicht schlau, aber sicher nicht grundehrlich.
Seien wir alle froh, dass dieser Atommeiler nie in Betrieb gegangen ist. Heute müsste man die Brennstäbe entsorgen, die angedachte Lagerstätte im Mühlviertel nahe Zell bei Zellhof ist jetzt ein Hühnerstall , auch nicht gerade Bio, aber doch gesünder.
Viel zu nahe am Zentralraum und an der Uni. Was hätte das für Demos gegeben.
"Keine Ahnung hatten Politik und Kraftwerksbesitzer damals, wo der radioaktive Atommüll später entsorgt werden sollte und was das letztlich kosten würde."
Das hat sich bis heute nicht geändert.
Der große Erfolg der Grünen bestand im großen Öko-Unwissen der breiten Masse an Politikern, leider sind die Grünen mittlerweile auch in diese Falle getappt, die wenigen Experten wichen Ideologen und Gesellschaftsveränderern.
Sicher Suppi, ganz sicher...
https://www.gruene.at/schwerpunkte/atomausstieg-energiewende
Es ist allerdings richtig, dass wir von Ahnungslosen regiert werden.