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Nach Aus für Pflegeregress: "Bund in die Pflicht nehmen"

Von Magdalena Lagetar, Max Hofer, Josef Schuldenzucker und Dieter Seitl, 01. Februar 2018, 17:04 Uhr

INNVIERTEL. Die drei Innviertler Sozialhilfeverbände sind als Betreiber der Alten- und Pflegeheime künftig noch mehr gefordert, die Kosten steigen Die Nachfrage nach Heimplätzen ist im Innviertel bereits spürbar gestiegen, die Bezirkshauptleute stehen künftig auch vor einem Personalproblem.

Seit Anfang des Jahres darf nicht mehr auf Privatvermögen zurückgegriffen werden, um Pflegekosten abzudecken. Was Betroffene freut, stellt die Heimbetreiber vor eine riesige Herausforderung.

Von vier Millionen Euro Zusatzkosten für die 46 Gemeinden des Bezirks Braunau spricht Bezirkshauptmann Georg Wojak. Wie berichtet, will er den Bund in die Pflicht nehmen und nennt weitere Schritte: "Eine Pflegeversicherung ist über kurz oder lang unverzichtbar. Und dass wir auch die 13. und 14. Pensionszahlung zur Finanzierbarkeit des Pflegesystems benötigen, versteht auch ein jeder."

Rund doppelt so viele Heimaufnahmen wie im Vergleichsmonat des Vorjahres gebe es heuer im Jänner. "Es kommt zu einer Verlagerung von den mobilen zu den stationären Diensten", beobachtet Wojak. Während die Heime derzeit noch mit genügend Pflegepersonal ausgestattet sind, bereitet dem SHV-Obmann die bevorstehende Pensionierungswelle in den kommenden Jahren Kopfzerbrechen. "Wichtig ist, dass auch das TAU-Kolleg in Braunau unverzüglich Pflegefachkräfte ausbilden darf, da ansonsten diese hohe Pflegequalität in unseren Häusern nicht mehr gewährleistet werden kann", sagt er. Für das neu errichtete Pflegeheim in Eggelsberg, das im Juni eröffnet wird, sei man noch auf der Suche nach Pflegekräften.

Schärdings Bezirkshauptmann Rudolf Greiner beziffert die Mehrkosten ohne Zuschüsse des Bundes mit etwa 1,4 Millionen Euro, die vom Bund zugesagten 700.000 Euro seien bereits eingeplant. Eine mögliche Pflegeversicherung sieht der Schärdinger Behördenchef in der Verantwortung der Politik, auf längere Sicht sei jedoch die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. "Eine Pflegeversicherung ist eine denkbare Lösung. Unsere Heime sind voll belegt, daher kommt es nur zu Neuaufnahmen, wenn ein Platz frei wird. Die Anfragen um Heimplätze sind spürbar mehr geworden."

Nach wie vor sei es aber der vorrangige Wunsch vieler, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden verbleiben zu können. "Spürbar ist derzeit eher eine Verlagerung von der 24-Stunden-Betreuung zur Heimaufnahme, da der Heimplatz nun günstiger kommt." Schärding sei, so Greiner, der Bezirk mit den wenigsten Betten im Verhältnis zur Zahl der Pflegebedürftigen. "Wir sind daher immer voll ausgelastet."

Ried: 20 auf der Warteliste

Durch den Entfall des Pflegeregresses rechnet der Sozialhilfeverband des Bezirks Ried mit Mehrkosten von mindestens 2,6 Millionen Euro pro Jahr. Bei einem Gesamtbudget für den Pflegebereich von 18,5 Millionen mussten bisher 6,2 Millionen Euro zugeschossen werden.

442 Betten gibt es aktuell in den Heimen des Bezirks, sechs Betten sind frei. Seit Jahresbeginn stiegen die Anträge stark an – bis zu fünf Anträge pro Tag. Derzeit warten rund 20 Menschen unmittelbar auf eine Heimplatzzuweisung. In den Bezirksalten- und Pflegeheimen Ried und Obernberg gibt es derzeit genügend Pflegepersonal. Zunehmend werde es für den Sozialhilfeverband Ried im Innkreis jedoch eine Herausforderung sein, genügend geeignetes Personal zu rekrutieren, um den bisherigen hohen Pflegestandard weiterhin gewährleisten zu können. Für das Heim Eberschwang gelte dies bereits jetzt. Aufgrund der derzeitigen Personalsituation werde bei der Inbetriebnahme Mitte 2018 mit einer kleineren Bewohnergruppe gestartet und eine stufenweise Belegung erfolgen. Der Verband verweist wegen des Personalbedarfs auf Ausbildungskurse zur Gesundheits- und Krankenpflege am BFI.

"Ohne rasche Lösungsansätze wird das System unfinanzierbar!"
Johann Hingsamer Bild: VOLKER WEIHBOLD

„Ohne rasche Lösungsansätze wird das System unfinanzierbar!“

Rund zwei Millionen Euro an Mehrkosten kommen auf die Gemeinden des Bezirkes Ried mit der Änderung des Pflegeregresses zu.

„Bis vor kurzem lag die Bezirksumlage bei zirka 22 Prozent jetzt sind wir bei fast 25. Für meine Heimatgemeinde Taiskirchen bedeutet die Änderung höhere Kosten von zirka 70.000 Euro im Jahr“, sagt Bürgermeistersprecher Johann Weirathmüller.

Der große Ansturm auf die Heime im Bezirk Ried ist noch ausgeblieben. „Die Anmeldungen werden zwar mehr, allerdings nicht dramatisch. Es gibt aber noch genug Ressourcen, weil ja das Pflegeheim in Eberschwang Mitte des Jahres in Betrieb gehen wird. Da sprechen wir von einer zusätzlichen Kapazität von zirka 80 Betten“, sagt der Bürgermeistersprecher.

Dass die Mehrbelastungen einige Rieder Gemeinden wieder zu Abgangsgemeinden machen, schließt Johann Weirathmüller momentan aus. Es werde allerdings nicht ausbleiben, dass man sich über die Pflege der Zukunft Gedanken macht.

„Die demografische Entwicklung zwingt uns dazu. Wenn es nicht demnächst neue Lösungsansätze gibt, wird das System unfinanzierbar. Bei unseren deutschen Nachbarn gibt es eine Pflegeversicherung, die neben der gesetzlichen Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung die ,fünfte Säule‘ der gesetzlichen Versicherungen ist. Die Deutschen haben damit gute Erfahrungen gemacht“, sagt Johann Weirathmüller.

Voller Kostenersatz

Rund 71 Millionen Euro pro Jahr verlieren die oberösterreichischen Gemeinden dadurch, dass mit 1. Jänner der Pflegeregress – der Zugriff auf das Vermögen von Bewohnern von Altenheimen – abgeschafft wurde. Österreichweit wird der Verlust der Gemeinden auf nahezu 500 Millionen Euro geschätzt.

Gemeinde- und Ländervertreter verlangten schon wiederholt eine Kostenabdeckung durch den Bund. Der oberösterreichische Gemeindebund wird in diesem Zusammenhang ganz besonders deutlich. „Wenn im ersten Halbjahr keine Verhandlungslösung herauskommt, werden wir den Klagsweg vor dem Verfassungsgerichtshof beschreiten“, so Gemeindebundpräsident Johann Hingsamer. „Der Bund hat bei seinem Beschluss die vorgeschriebene Konsultation der Gemeinden nicht beachtet.“

Hingsamer, der auch VP-Bürgermeister von Eggerding ist, glaubt nicht, dass jemand großes Interesse daran habe, wenn eine Gebietskörperschaft die andere klagt, er hoffe auf einen Verhandlungserfolg mit dem Finanzminister. Die Forderung der Gemeinden sei jedenfalls klar. „Wir verlangen einen hundertprozentigen Ersatz.“

Juristen gäben, so der Gemeindebundpräsident, den Gemeinden im Fall einer Klage „sehr gute Chancen“.

 

Auswirkung auf mobile Pflege: "Es wird in beide Richtungen gehen"

Wie sich die Änderungen beim Pflegeregress auf mobile Pflegedienste auswirken, sei derzeit schwer zu beurteilen, sagt Sigrid Reiter, Leiterin der Mobilen Pflegedienste der Caritas für Betreuung und Pflege: „Seriöse Prognosen, wie und in welchem Ausmaß sich die Abschaffung des Pflegeregresses auf die mobilen Pflegedienste auswirkt, sind derzeit noch nicht möglich.“ Sie betreut mit ihrem Team die Bezirke Braunau, Grieskirchen und Ried.

Eine Statistik, wie viele Kundinnen und Kunden von den Mobilen Pflegediensten der Caritas betreut würden, sei aufgrund der hohen Fluktuation nur bedingt aussagekräftig: „Im Dezember 2017 wurden vom Team Braunau mit Stützpunkt in Höhnhart 196 Kundinnen und Kunden, vom Team Ried mit Stützpunkt Mettmach 89 Kundinnen und Kunden betreut.“

Ob sich die Situation für die mobilen Pflegedienste verändern wird, hänge auch davon ab, wie sich die veränderten Voraussetzungen für den Einzug in ein Alten- und Pflegeheim auswirkten. Bisher konnten Personen ab Pflegestufe drei in ein Heim einziehen, künftig werden es vorwiegend Personen ab Pflegestufe vier sein. „Es könnte sein, dass sich dadurch die Zahl der Menschen, welche mobile Pflegedienste in Anspruch nehmen, etwas erhöht“, sagt Sigrid Reiter.

Auch Silvia Anglberger, Leiterin der mobilen Pflegedienste des Roten Kreuzes im Bezirk Braunau glaubt, dass sich die Zahl der Patienten im mobilen Pflegedienst erhöhen könnte. „Es wird vermutlich in beide Richtungen gehen.

Manche werden die mobile Pflege brauchen, weil sich die Pflegestufe für Heime erhöht. Andere potenzielle Klienten mit Pflegestufe vier werden vielleicht eher ins Heim gehen.“ Genau könne man das noch nicht beurteilen, erst Mitte des Jahres werde sich die Auswirkung genau bewerten lassen.

Die mobile Pflege des Roten Kreuzes nehmen derzeit 578 Klienten im Bezirk Braunau in Anspruch. Nach der vereinbarten Sprengelregelung ist das Rote Kreuz der größte der vier Anbieter mobiler Pflegedienste neben Caritas, Hilfswerk und Volkshilfe.

 

Zahlen und Fakten

Pflegeheime im Innviertel

  • Ort (Träger)
  • Altheim (SHV)
  • Braunau (SHV, zwei Häuser)
  • Maria Schmolln (Orden)
  • Mattighofen (SHV)
  • Mauerkirchen (Diakonie)
  • Mehrnbach (Gemeinde)
  • Obernberg (SHV)
  • Ostermiething (SHV)
  • Ried (SHV, zwei Häuser)
  • Schärding (SHV)
  • Zell an der Pram (SHV)
  • Esternberg (SHV)
  • St. Bernhard Esternberg (Caritas)
  • Andorf (SHV)
     

Wieviel Kapazität?

  • Bezirk Braunau: 660 Plätze
  • Bezirk Ried: 440 Plätze
  • Bezirk Schärding: 391 Plätze
     

Welche Auslastung?

  • Bezirk Braunau: knapp 30 freie Plätze, um rund 20 weniger als vor der Gesetzesänderung
  • Bezirk Ried: sechs freie Plätze, 20 Personen auf der Warteliste
  • Bezirk Schärding: keine freien Betten
     

Weitere geplant?

Eberschwang (SHV, ab Juli, 84 Betten), Eggelsberg (SHV, ab April, 80 Betten), Schärding (SHV, Baubeginn 2019)

 

  • 71 Millionen Euro verlieren die oberösterreichischen Gemeinden jährlich durch die Änderung beim Pflegeregress
  • 500 Millionen Euro ist die vorsichtige Schätzung der Mehrkosten, die auf Österreichs Gemeinden zukommen.
  • 80 neue Betten werden Mitte 2018 in Eberschwang dazukommen. Deshalb ist zurzeit kein Engpass an Pflegeplätzen zu befürchten.
  • 578 Personen nehmen derzeit die mobile Pflege des Roten Kreuzes im Bezirk Braunau in Anspruch.
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