JFK: Der "Was wäre wenn"-Präsident
Unter John Fitzgerald Kennedy wäre der Vietnamkrieg nicht eskaliert, und er hätte den Kalten Krieg beendet. Wenn er nur Zeit gehabt hätte. Doch die war ihm nicht gegeben. Der US-Präsident wurde nur 46 Jahre alt, aber der Mythos Kennedy lebt weiter.
Das Ende ist bekannt. John F. Kennedy wird in Dallas in seinem offenen Wagen erschossen. Und dennoch: Bei jeder Dokumentation hofft man, dass der Attentäter doch noch davon abgehalten werden kann. Aber die Geschichte hält sich an ihren Ablauf, John F. Kennedy starb an jenem Freitag im November 1963. Während die ganze Welt trauerte, hatte sich Kennedys Vize, Lyndon B. Johnson, auf dem Rückflug nach Washington und im Beisein von Jackie Kennedy zum Präsidenten vereidigen lassen.
Die Bilder vom Attentat gingen um die Welt, noch heute haben sie die meisten Menschen – obwohl zum damaligen Zeitpunkt noch lange nicht geboren – im Kopf. Ebenso wie das Bild von Kennedys Sohn John jr., der vor dem Sarg seines Vaters salutiert. Eine Legendenbildung nahm ihren Lauf. Daran konnten auch die später ans Licht gekommenen Schattenseiten nichts ändern. Zu groß waren die Hoffnungen an den jungen Präsidenten, den ersten, der im 20. Jahrhundert geboren wurde, der um ein bis zwei Generationen jünger war als alle anderen wichtigen Staatsmänner jener Zeit, wie Mao, Chruschtschow, de Gaulle und Adenauer. Das ist Teil seiner Wirkung – und dann ziehen mit ihm seine attraktive Frau Jackie sowie die quirligen Kinder Caroline und John ins Weiße Haus ein.
Sex oder Kopfschmerzen
Doch Kennedy, der liebende Ehemann und Vater? Der Katholik hielt nichts von ehelicher Treue. Die von Marilyn Monroe zart gehauchten Geburtstagswünsche sind legendär. Aber nicht nur mit ihr hatte er eine Affäre. Im Weißen Haus gingen seine Liebschaften ein und aus. Seinem britischen Pendant soll er gesagt haben, er bekomme Kopfschmerzen, wenn er nicht jeden Tag mit einer Frau schlafe. Eine Affäre hätte ihn fast in die Bredouille gebracht: jene mit der Edelprostituierten Judith Campbell, die auch Gespielin eines Mafia-Bosses gewesen war.
Dass Kennedy Präsident wurde, war nicht vorgesehen. Nach dem Plan seines Vaters Joseph P. Kennedy hätte Joseph, Jr. dieses Amt für die Familie erobern sollen. Doch dieser starb während des Zweiten Weltkriegs bei einem Testflug. Also musste "Jack" den Traum des Patriarchen, der mit Hitler sympathisierte und dem Antisemitismus nicht fremd war, verwirklichen. "Jack" war prädestiniert dafür. Er sah gut aus, hatte in Harvard studiert, war charmant und ein Kriegsheld.
Allerdings galt er bei den Demokraten keineswegs als bevorzugter Kandidat. Er sei zu unerfahren und ein Playboy. Zudem warf man ihm vor, es nur dank seines Vaters, der auch durch Mafia-Verbindungen und Börsenspekulation zu Geld gekommen war, so weit gebracht zu haben. Doch "Jack" schaffte es. Auch wenn sein Sieg gegen Richard Nixon den knappsten Sieg in der US-Geschichte darstellt – prozentuell gesehen (0,2 Prozent). Die Manipulationsvorwürfe und Mafia-Gerüchte konnten seinem Image dabei nicht nachhaltig schaden.
"Fragt nicht, was euer Land ..."
Ein Satz seiner Rede bei der Inauguration am 20. Jänner 1961 zählt zu den berühmtesten Sätzen überhaupt: "Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, fragt, was ihr für euer Land tun könnt." Ein Satz mit Wirkung. "Kennedy hat gespürt, dass viele Junge mehr aus ihrem Leben und dem Land machen wollten", sagt der Kennedy-Biograf Andreas Etges, der am amerikanischen Institut der Uni München lehrt. "Mit seiner Rede hat er einen Geist entfacht, wonach jeder mithelfen kann, das Land besser zu machen."
Kennedys erste 100 Tage waren holprig. Die Invasion in der Schweinebucht mit dem Ziel, Kubas Machthaber Fidel Castro zu stürzen, wurde zum Desaster. Eingeleitet von seinem Vorgänger Dwight D. Eisenhower, der im Zweiten Weltkrieg Oberbefehlshaber bei der Landung in der Normandie gewesen war und dadurch große Reputation besaß, hatte der junge Kennedy wenig Spielraum, diese Bewegung zu stoppen. "Er stand unter enormem Druck. Was, wenn er die Aktion abgeblasen hätte? Dabei konnte er nicht gewinnen", sagt Etges. Kennedy musste die peinliche Niederlage der USA eingestehen und stärkte damit die Kommunisten. "Der Start von Kennedy war also alles andere als grandios", sagt der Historiker.
Und dann war da noch Vietnam. Obgleich erst sein Nachfolger Johnson US-Kampftruppen nach Vietnam schickte, war es Kennedy, der die CIA und Spezialeinheiten sowie tausende US-Militärbeobachter im Einsatz gegen die Vietcong-Kämpfer von der Leine ließ – und auch den Einsatz von Napalm genehmigte.
Heroisch für ihn endete hingegen die Kuba-Krise – wenn auch Glück dabei geholfen hat. Denn, so Historiker Etges: "Beide Seiten hatten ihre Leute in der eskalierenden Situation nicht mehr im Griff. Aus den Akten weiß man, dass jederzeit etwas passieren hätte können, das den Dritten Weltkrieg ausgelöst hätte." Am Ende reagierte jedoch nicht nur Kennedy richtig und besonnen, sondern auch der sowjetische Präsident Nikita Chruschtschow.
Berliner und Bürgerrechtler
Ohnehin hatte Kennedy ein Gespür für die richtige Handlung und das richtige Wort. Den Mauerbau in Berlin nahm er zwar hin, doch schaffte er es mit seiner Rede in Berlin im Juni 1963, die Solidarität zu allen Berlinern unter Beweis zu stellen. Der Satz "Ich bin ein Berliner" ist heute einer der berühmtesten Sätze eines Politikers überhaupt.
Was die Bürgerrechtsbewegung betrifft, hat Kennedy ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt. Vor seiner Wahl setzte er sich für die Freilassung von Martin Luther King ein. Kennedy wuchs von dieser Problematik weitgehend unberührt auf, der Rassentrennung im Süden stand er aber kritisch gegenüber – anders als sein Vater und die Demokraten. "Die Demokratische Partei damals war ja nicht die von heute. Die hat sich ja erst durch Kennedy und Johnson gewandelt. Viele Demokraten waren Rassisten", sagt Etges. Als dann James Meredith der erste afroamerikanische Student an der Universität von Mississippi wurde, waren Land und Demokraten gespalten. Kennedy sandte US-Marshals, um die Gewalt in den Griff zu bekommen.
Um all diese Situationen bewältigen zu können, benötigte der chronisch kranke Kennedy, der insgesamt drei Mal die Letzte Ölung erhielt, stets die Hilfe von einem Ärzteteam. Lange Zeit kam auch der umstrittene Arzt Max "Dr. Feelgood" Jacobson zu ihm, der Kennedy ein Wundermittel aus Amphetaminen, also Speed, und Schafsplazenta spritzte. Von seinem Bruder Robert darauf angesprochen, meinte JFK nur: "Und wenn es Pferdepisse ist, ich fühle mich damit besser."
Noch heute beliebter als Obama
Kein Makel blieb an Kennedy hängen – nicht einmal dass er, wie er in jungen Jahren in seinem Tagebuch schrieb, von der Figur Adolf Hitler fasziniert gewesen sei. In einer Gallup-Umfrage über die Nachkriegspräsidenten der USA kommt niemand an die Beliebtheit von Kennedy heran, nicht einmal Barack Obama.
Ein Grund für seine Popularität ist sein tragischer Tod. "Von Kennedy bleiben die Bilder des smarten Präsidenten in Erinnerung", sagt Etges. "Er wäre gewiss wiedergewählt worden, doch er wäre entzaubert worden." Aber so weit kam es nicht. Und alles, was dann kam, verstärkte seinen Mythos. "Der Vietnamkrieg eskalierte, es gab große Rassenauseinandersetzungen, der Watergate-Skandal ... Vieles war aus der Bahn gelaufen, und viele Menschen blickten verklärt zurück und sagten, dass alles ohne das Attentat anders gekommen wäre."
Kennedy stellte einst die Logik des Kalten Kriegs infrage, er wollte eine andere Art der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Und er stand auf der Seite der Bürgerrechtsbewegung. "Kennedy hat viel in die richtige Bahn gelenkt, doch – so pervers es klingt – die Erschütterung nach seinem Tod hat viele Reformen erst ermöglicht."
Die Vollendung des Mythos um Kennedy besorgen die Verschwörungstheorien zu seiner Ermordung: Mit ihm hätte es den Vietnamkrieg nicht gegeben, also musste er ermordet werden. Sein Nachfolger selbst, FBI und CIA stünden dahinter, wenn nicht gar die Sowjetunion, Castro und die Mafia. Etges hält eine Verschwörung zwar für möglich, aber bei weitem nicht in diesem Umfang. Vielmehr sieht er die Ursache darin, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: nämlich dass der große amerikanische Traum von einer obskuren, kleinen Person wie Lee Harvey Oswald zerstört worden ist.
"Der große Feind der Wahrheit ist oftmals nicht die Lüge ... sondern der Mythos", erklärte John F. Kennedy an der Yale-Universität im Juni 1962. Ein Mythos, der ihn nun selbst umgibt. Er lebt von der Frage: "Was wäre, wenn der Präsident überlebt hätte?"
Der Fluch der Kennedys
Der Name Kennedy ist nicht nur mit Macht und Erfolg, sondern auch mit Schicksalsschlägen verbunden.
Joseph Kennedy jr. (1915–1944): Der älteste Sohn fliegt als Navy-Pilot eine Spezialmission im Zweiten Weltkrieg. Sein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug explodiert über dem Ärmelkanal, die Leiche des 29-Jährigen wird nie gefunden.
John F. Kennedy (1917–1963): Der 35. Präsident der USA fällt am 22. November in Dallas einem Attentat zum Opfer.
Rosemary Kennedy (1918–2005): Die älteste Tochter von Rose und Joseph Kennedy wird als geistig leicht behindert eingestuft. Um den Ruf der Familie fürchtend, lässt der Vater ohne Wissen der Mutter an der 23-jährigen Rosemary eine Lobotomie durchführen – dabei werden Nervenbahnen im Gehirn durchtrennt. Die Folgen der Operation sind schlimm. Rosemary, nun schwerbehindert, wird in eine Heilanstalt gesteckt, wo sie den Rest ihres langen Lebens verbringt.
Robert F. Kennedy (1925–1968): Johns Bruder, US-Justizminister und aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat, wird in Los Angeles von einem palästinensischen Einwanderer erschossen.
Kathleen Kennedy (1920–1948): Bei schlechtem Wetter stürzt das kleine Flugzeug mit Kathleen und ihrem Geliebten an Bord über Frankreich ab. Mit ihnen sterben auch die beiden Piloten.
Edward Kennedy (1932–2009): Der jüngste Sohn von Joseph und Rose stürzt 1969 mit seinem Wagen auf dem Rückweg von einer Party auf der Insel Chappaquiddick von einer Brücke; seine Beifahrerin ertrinkt, Ted meldet den Unfall erst nach zehn Stunden. Wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort erhält er eine zweimonatige Haftstrafe auf Bewährung.
Patrick Kennedy (1963): Der zweite Sohn von John Fitzgerald und Jackie Kennedy kommt zu früh zur Welt und stirbt zwei Tage nach der Geburt.
David Kennedy (1955–1984): Das vierte der elf Kinder von Robert F. stirbt in einem Hotel in Palm Beach an einer Überdosis Drogen.
Michael Kennedy (1958–1977): Der Sohn von Robert F. prallt beim Skifahren in Aspen ungebremst gegen einen Baum und erliegt seinen Verletzungen.
John F. Kennedy jr. (1960–1999): Der Sohn des früheren Präsidenten stürzt mit seinem Flugzeug vor der US-Ferieninsel Martha’s Vineyard ins Meer. Er, seine Frau Carolyn und deren Schwester kommen ums Leben. (beli)
"Was wäre wenn?"
Ein altes Sprichwort aus der Steiermark: "waun da waun nit wa, wa da Kuahdreck Butta!"
Er war ein Kriegstreiber wie alle anderen auch. Und menschlich kein Vorbild - aber Schnee von gestern.
Sein Liebesleben geht mich nichts an, aber die Kriegstreiber (Militärs und Rüstungsindustrie) waren seine Todfeinde.
ist wie bei Maria Theresia über die Jahrzehnte werden sie "heilig"
Neuere Informationen lassen Kennedy nicht so toll aussehen: aufgrund einer Erkrankung ständig unter Schmerzmittel (Drogen). Als sexsüchtiger Macho sagt man ihm mehr als 2500 "Frauengeschichten" nach. Im weißen Haus wurde er dadurch als nationale Sicherheitsgefahr eingestuft, nicht zuletzt durch sexuelle Kontakte mit einer russischen Spionin. Alles weitere ist Spekulation.
Was soll daran schlimm sein, wenn er Krank war und Medikamente bekommen hat?
Und woher haben sie diese ganzen Infos, vom Stammtisch?
Es wäre nicht viel anders verlaufen, wenn Kennedy überlebt hätte. Kennedy war ein Showman und hätte diese Rolle auch weiter publikumswirksam gespielt, während die eigentliche politische Arbeit im Hintergrund von anderen getan wurde. Und da waren gute Leute wie sein Vize Lyndon B. Johnson. Dieser war dann auch der fleißigste Präsident, den die USA je hatten und hatte bei seiner Wiederwahl 1964 die größte Zustimmung in der Geschichte der USA. Das wird häufig vergessen, weil Johnson ein eher nüchternen Pragmatiker war.