Die wahren Abenteuer sind nicht im Kopf, sondern im Wohnzimmer
Karl-Markus Gauß berichtet in seinem neuen Roman "Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer" von seiner eigenen Wohnung.
Der Name Karl-Markus Gauß steht – unter anderem – für Reiseliteratur der Sonderklasse. Vor allem bereiste er den ost- und südosteuropäischen Raum, und es waren nicht in erster Linie die bekannten Metropolen, für die er sich interessierte, sondern oft die Grenzzonen, wo das Leben hart und glanzlos ist. Von einem Reiseabenteuer ganz anderer Art berichtet er in seinem neuen Buch.
Diesmal ist Karl-Markus Gauß daheim geblieben, nicht nur daheim in der Stadt Salzburg, sondern gleich ganz daheim in der eigenen Wohnung. Dort macht er sich auf die Suche nach den "Abenteuern" der eigenen Wohngeschichte, die auch Lebens- und Familiengeschichte ist. Manches Fundstück mag auf den ersten Blick banal wirken. So etwa ein Brieföffner mit der Aufschrift "Eternit Schiefer – Patent Hatschek". Aber was Gauß daraus macht, ist originell. Ausgehend von diesem Brieföffner rekonstruiert er nicht nur eine spannende Firmengeschichte rund um den giftigen Werkstoff Asbest, er denkt auch an die vielen Briefe, die er mit dem Werbegeschenk der Firma Hatschek geöffnet hat, und landet bei Betrachtungen über den Verfall der Briefkultur im digitalen Medienzeitalter.
Mit diesem assoziativen Verfahren, das vom Gegenständlichen in der vertrauten Wohnung ausgeht, um dann weit in die Welt hinauszuführen, gelingt Gauß ein ebenso unterhaltsamer wie kluger Text. Stilprägend sind elegante Hypotaxen und eine feine Ironie, die der Autor auch auf sich selbst anwendet, zum Beispiel wenn er sich als Sammler von Duschhauben aus Hotelbädern outet. Besondere Beachtung finden jene Gegenstände, die für das Leben eines Schriftmenschen existenziell wichtig sind: die Bücher, die Schreibmaterialien, der Schreibtisch.
Das Ehepaar Gauß lebt mittlerweile mit der ernüchternden Erfahrung, dass auch eine große Wohnung nur eine begrenzte Zahl von Wänden aufweist, an die man Bücherregale stellen kann, zumal dort vielleicht auch schon Bilder hängen, eng gedrängt in sogenannter "Petersburger Hängung". Dennoch bleiben Gauß und Gattin dem Druckmedium Buch treu, auch wenn man heute als Besitzer einer ausufernden Privatbibliothek eher belächelt als bewundert wird. Überhaupt macht Karl-Markus Gauß mehrmals bewusst, dass die geistige Welt seiner Generation zu einem gar nicht so geringen Teil bereits eine Welt von gestern geworden ist. An melancholischen Tönen mangelt es nicht in seiner "Abenteuerlichen Reise", zumal auch schon mancher ehemalige Weggefährte nur mehr auf dem Friedhof besucht werden kann.
Karl-Markus Gauß: "Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer". Zsolnay, 221 Seiten, 22,70 Euro
OÖN Bewertung:
Veranstaltungshinweis: Lesung von Karl-Markus Gauß, Linzer Posthof, Freitag, 12. April, 20 Uhr.