Parov Stelar: "Ich bin der schlampigste Perfektionist, den es auf der Welt gibt"
Am 1. Mai erscheint sein neues Doppel-Album „The Demon Diaries“, am 20. März gastiert Parov Stelar alias Marcus Füreder (40) mit seiner Band in der Linzer Tips-Arena. Im OÖN-Interview spricht er über sein neues Album und den Mythos vom leidenden Künstler.
Am 1. Mai erscheint das neue Doppelalbum "The Demon Diaries" von Parov Stelar, am 20. März gastiert Marcus Füreder (40) mit seiner Band in der Tips-Arena in Linz. Die OÖN trafen Österreichs wichtigsten Musikexport in der "Spinnerei Traun" bei den Proben für die anstehende Tournee zum Exklusivinterview.
OÖN: In wenigen Tagen startet die Tournee in Budapest, am 20. März steigt das Heimspiel in der Linzer Tips-Arena. Wie hoch ist Ihr derzeitiger Anspannungslevel?
Parov Stelar: Im Moment ist so viel zu tun, da gibt’s keine Zeit zum Nervössein. Das Wichtigste ist, dass das Live-Programm sitzt: die Programmierung des Lichts, die Video-Elemente, die Technik. Man muss sich auch geistig darauf einstellen, dass es wieder losgeht. Wir hatten ja jetzt doch zwei Monate frei.
Eine Tour ist das komplexe Zusammenspiel von Dutzenden unterschiedlichen Personen und Komponenten. Wie geht’s Ihnen da als selbst ernannter Perfektionist?
Ich bin der schlampigste Perfektionist, den es auf der Welt gibt. Die ersten Jahre war es schwierig für mich, Dinge aus der Hand zu geben. Je länger man mit Menschen, denen man vertraut, zusammenarbeitet, desto leichter wird es aber. Gewisse Dinge kann ich auch nicht kontrollieren. Versuch mir, etwas mit Zahlen oder Technik zu erklären – keine Chance! (lacht). Über das Konzept der Bühnenshow möchte ich nichts verraten. Wir werden jetzt aber nicht wie AC/DC mit riesigen Monsterpuppen auf die Bühne gehen.
"The Demon Diaries" erscheint am 1. Mai, die dazugehörige Tour startet bereits Wochen früher. Beobachten Sie die Reaktionen der Fans da noch genauer als sonst?
Das habe ich früher immer gemacht. Und war dann total verunsichert, wenn bei neuen Songs die Reaktion nicht dieselbe war, wie wenn wir einen Hit spielen. Jetzt nehm’ ich das nicht mehr so ernst. Ganz ehrlich: Wie oft im Leben hört man denn schon einen Song, der einen bereits beim ersten Mal total ausflippen lässt?
Stellt der Albumtitel "The Demon Diaries" eine Anspielung auf die inneren Dämonen dar, die aus dem guten Dr. Jekyll den bösen Mr. Hyde werden ließen? Ein Spannungsverhältnis, das vielleicht jenem zwischen Ihrer Bühnenpersönlichkeit und dem Privatmenschen Marcus Füreder ähnelt?
Das ist ein interessanter Ansatzpunkt, aber ist nicht ganz das, was ich im Sinn hatte. Der Dämon ist für mich nicht unbedingt negativ besetzt. Er steht für das Gefühl des Nicht-Loslassen-Könnens und des Fremdbestimmtseins, das einen als Künstler antreibt. Das kann die eigene Fantasie beflügeln, dich aber auch bestrafen.
Ist innere Getriebenheit also der beste kreative Motor?
Dem Mythos vom leidenden Künstler, der nur große Kunst erschaffen kann, wenn es ihm schlecht geht, hab’ ich abgeschworen. Das ist eine pubertäre, romantisierende Vorstellung. Die meisten Künstler reden immer nur vom eigenen Schmerz. Und wenn man die Nachrichten verfolgt, dann muss man als Mitteleuropäer sehen, dass niemand von uns hier Schmerzen erfährt.
Findet sich diese Doppelköpfigkeit des titelgebenden Dämons in der Zweiteilung des Albums wider?
Ja, ich unterscheide schon sehr klar zwischen CD 1 und CD 2. CD 1 wird das klassische Parov-Stelar-Programm sein, es knistert, es rauscht. Da habe ich mich stark von den Samplings treiben lassen, geschaut, wo diese mich hinführen. Die zweite CD ist dunkler, düsterer – und durchkomponierter. Sie geht auch vom Sound her in eine andere Richtung. Sie ist elektronischer, gleichzeitig hab’ ich aber viel mit Live-Instrumenten, sogar mit einem Orchester, gearbeitet. Es ist eine interessante Symbiose zwischen Organischem und Elektronischem entstanden. Als plötzlich die Streicher-Parts einsetzten, fingen auch die elektronischsten Parts zu "atmen" an. Das war ein schönes Erlebnis.
"Demon Diaries" wird auch als Einzel-CD veröffentlicht. Warum?
Es gibt vielleicht Menschen, die sich mit meiner Musik nicht so intensiv auseinandersetzen wollen. Denen reicht eine CD vollkommen. Ich hab’ das anfangs abgelehnt, aber das Zusammenstellen war insofern interessant, als ich gezwungen war, die Essenz meiner Arbeit herauszufiltern. Ich hab’ auch einige wichtige Songs weggelassen, weil ich einen Faden reinbringen, eine Geschichte erzählen wollte.
Das Einfach-Album erzählt also die gleiche Geschichte wie das Doppel-Album – nur in der "Reader’s Digest"-Version?
(lacht schallend) Wow, das ist jetzt aber echt böse! Sagen wir so: Ich hab’ "Der weiße Hai" damals zuerst in der "Reader’s Digest"-Versionen gelesen, und es gab dort auch nicht weniger Leichen als im Original. Und am Schluss war der Hai in beiden Büchern satt.