Nach 21 Jahren sind die Junkies zurück
Morgen läuft die Fortsetzung von "Trainspotting" in den österreichischen Kinos an. Regisseur Danny Boyle im Interview.
"Trainspotting" traf 1996 den Nerv einer Generation. Die in rohen, ja teils drastischen Bildern erzählte Geschichte der heroinsüchtigen Freunde Mark (Ewan McGregor), Sick Boy (Jonny Lee Miller), Begbie (Robert Carlyle) und Spud (Ewen Bremner), die sich in der Blüte ihres Lebens an den Rausch verkaufen, war so gewalttätig wie genial. Regisseur Danny Boyle gelang ein Drogenfilm, der weder moralisch tadelte noch verherrlichte, eine groteske Komödie, bei der einem vor Ekel und Horror oft das Lachen im Hals stecken blieb.
21 Jahre später sind die Junkies zurück! Eines Tages steht Mark, der seine Edinburgher Freunde einst um viel Geld aus einem Drogendeal prellte und nach Amsterdam abhaute, plötzlich in Sick Boys versifftem Pub. Die Wiedersehensfreude ist überschaubar. Insbesondere bei dem aus der Haft geflohenen Begbie, der seine mörderisch-soziopathischen Neigungen nur allzu gerne an seinem früheren Kumpel ausleben würde...
Der Versuchung, die Erfolgsformel des schrill-hektischen ersten Teils zu wiederholen, hat Boyle widerstanden. "T2 Trainspotting" ist ein gänzlich anderer Film geworden. Einer übers Älterwerden, über verpasste Gelegenheiten und über die Frage, was es eigentlich heißt, ein Mann zu sein. Herzinfarkt, Impotenz, Einsamkeit, kein Kontakt zu den Kindern – jede der Figuren hat seine ganz persönlichen Verletzungen und Enttäuschungen zu verdrängen. Nüchtern sind sie mittlerweile ja, doch auch vom Leben ernüchtert. Was bleibt dir, wenn du Mitte vierzig bist und realisierst, dass dir nicht nur wie früher die Perspektive, sondern auch die Mittel fehlen, um etwas aus dir zu machen?
Trailer:
Kein Nostalgietrip
Clever schlägt "T2" mittels gezielt eingesetzter Szenen aus dem Originalfilm den Bogen zur Vergangenheit, ohne ins Selbstplagiat zu verfallen. Die Balance zwischen bitterbösem Schmäh, Surrealem und einer Portion Wehmut stimmt. "Nostalgie – darum bist du hier!", wirft Sick Boy an einer Stelle Mark vor. Falsch. "T2 Trainspotting" ist kein Nostalgietrip, sondern ein Film, der zeigt, was passiert, wenn man so in der Vergangenheit verhaftet ist, dass die Zukunft nicht mehr lebenswert erscheint.
Film: "T2 Trainspotting" (Großbritannien 2017, 117 Minuten), Regie: Danny Boyle
OÖN Bewertung:
"Ich bin kein nostalgischer Mensch"
Seine Low-Budget-Produktion "Trainspotting" wurde zum Kultfilm der 90er. 21 Jahre und einen Oscar für "Slumdog Millionär" später lässt der britische Regisseur Danny Boyle dem Drogenfilm eine Fortsetzung folgen.
"T2 Trainspotting" läuft in Ihrer Heimat bereits mit viel Erfolg. Ist Ihre Erleichterung groß?
Danny Boyle: Ja, das ist eine enorme Erleichterung. Wir sind an diesen Film nicht als Sequel herangegangen, sondern als etwas Eigenständiges. Aber je selbstbewusster wir wurden, desto mehr haben wir es mit dem Originalfilm verbunden – nicht, um einen Hit zu landen, indem wir die besten Szenen aus dem ersten Film wieder zeigen. Es sollte klar werden, dass die Filme zueinander gehören, im Dialog stehen.
Da eine lange Zeit zwischen den beiden "Trainspotting"-Filmen liegt, haftet "T2" automatisch Nostalgie an. Schwelgen Sie gerne in Erinnerungen?
Ich bin kein nostalgischer Mensch. Eines der Themen, von denen der Film handelt, ist die Tatsache, dass Männer viel eher dazu neigen, in der Vergangenheit zu leben. Nach meiner Erfahrung gehen Frauen mit dem Altern deutlich sensibler um, während sich Männer zu lange dagegen sträuben. Es ist tragisch.
Robert Carlyle hat bekundet, Irvine Welshs Roman "The Blade Artist" über Begbie drehen zu wollen. Sind Sie interessiert?
Das ist zweifellos ein großartiger, einzigartiger Roman in Irvines Werk. Wenn es realisiert wird, sollte man es nicht "T3" nennen, denn das muss mit allen vier zu tun haben. Ich bin mir sicher, dass es zustande kommt. Ich weiß nur nicht, ob ich involviert sein werde.