Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Kammerschauspieler Ignaz Kirchner ist tot

Von nachrichten.at/apa, 27. September 2018, 11:43 Uhr
bilder_markus
Ignaz Kirchner Bild: (APA/GEORG HOCHMUTH)

WIEN. Kammerschauspieler Ignaz Kirchner ist gestern, Mittwoch, Abend 72-jährig gestorben. Er sei seiner langen Krankheit erlegen, hieß es heute aus dem Burgtheater, wo man um den großen Schauspieler trauert.

Er zählte zu den Stützen des Burgtheaterensembles und hat sich in unzähligen Rollen in das kollektive Gedächtnis der Wiener Theaterbesucher gespielt: Ignaz Kirchner. Über seinen Beruf sagte er einmal selbstironisch: "Wäre ich intellektueller, so wäre ich doch kein Schauspieler geworden!" Nun ist Kirchner, der in der vergangenen Saison noch in Ibsens "Volksfeind" zu sehen war, 72-jährig gestorben.

Kirchner, der am 13. Juli 1946 in Wuppertal als Hanns-Peter Kirchner geboren wurde und sich später nach dem hl. Ignatius benannte, wuchs in einem außergewöhnlichen familiären Umfeld mit zwei homosexuellen Eltern auf und absolvierte nach seinen Jahren in einem Vorarlberger Jesuiten-Internat zunächst eine Buchhändlerlehre, bevor er in Bochum seine Schauspielausbildung begann. "Auf der Schauspielschule war ich relativ dick. Ich fand das toll, so war man etwas Besonderes", sagte er einmal gegenüber "profil". Die Lehre habe er gemacht, um in einen sicheren Beruf zurückkehren zu können, falls es mit der Schauspielerei nicht klappen sollte.

Anfänge in Berlin, Stuttgart, Bremen und München

Der Erfolg stellte sich jedoch rasch ein und Kirchner spielte unter anderem an der Freien Volksbühne Berlin, bevor ihn Claus Peymann nach Stuttgart holte, wo er bis 1978 zum Ensemble gehörte. In Bremen feierte er 1981 unter der Regie von Jürgen Gosch als "Hamlet" große Erfolge, die "Zeit" schrieb damals allerdings skeptisch: "Der etwas dickliche Ignaz Kirchner schleicht als Repräsentant der Turnschuh-Generation über die Bühne."

Im Anschluss wechselte Kirchner an die Münchner Kammerspiele, wo er mit Regisseuren wie Dieter Dorn und Thomas Langhoff arbeitete. Mitte der 1980er verschlug es ihn schließlich nach Köln ans Schauspielhaus, wo er u.a. unter der Regie von Jürgen Flimm in Tschechows "Kirschgarten" auftrat. 1987 markierte schließlich seinen Umzug nach Wien, wo Peymann ihn ans Burgtheater engagierte. Dort spielt Kirchner - mit kurzen Unterbrechungen - bis zuletzt. Sein Debüt feierte er hier als Schlomo Herzl in George Taboris Uraufführung von "Mein Kampf". Damals kam er auch gleich erstmals mit der damals nicht vorhandenen NS-Aufarbeitung der Bevölkerung in Berührung - er erhielt per Post einen Scheißhaufen, wie er mehrfach in Interviews erzählte.

Auch mit Langhoff arbeitete Kirchner in Wien wieder zusammen, etwa in der Titelrolle von Heiner Müllers Sophokles-Bearbeitung "Ödipus, Tyrann". Unter Peter Zadek spielte er in Tschechows "Ivanov", über ihn sagte Kirchner einmal in der "Welt": "Er hatte eine große Menschenkenntnis und konnte Menschen wirklich kaputt machen", er selbst habe jedoch einen Weg gefunden, mit Zadek umzugehen. Zu einer seiner bekanntesten Rollen an der Burg gehört sein Jago in Shakespeares "Othello", den Tabori 1990 inszenierte. Kirchners lange künstlerische Zusammenarbeit mit Gert Voss wurde 1992 gewürdigt, als beide für ihre Darstellungen in Taboris "Goldberg Variationen" von der Zeitschrift "Theater heute" zum Schauspielerpaar des Jahres gewählt wurden - was 1998 für das gemeinsame "Endspiel" eine Wiederholung fand.

"Der könnte auch so ein Jude sein"

Als Erfinder der Konstellation Kirchner/Voss gilt Zadek, der die beiden 1988 für seinen "Kaufmann in Venedig" besetze. Laut Kirchner habe der Regiemeister damals gesagt: "Ich habe den Voss als Shylock besetzt, weil der Voss könnte auch gut als Nazi durchgehen. Und den Kirchner, der könnte auch so ein Jude sein. Der spielt den Antonio." Wie Kirchner einmal in einem "Welt"-Interview verriet, sei Voss zwei Wochen lang sauer gewesen.

Für kurze Zeit verließ Kirchner Wien, um in der Saison 1992/93 am Deutschen Theater Berlin zu spielen, wo er wieder mit Langhoff und Gosch zusammenarbeitete. Unter der Regie von Jürgen Flimm spielte er anschließend am Hamburger Thalia Theater den Zettel in Shakespeares "Mittsommernachtstraum" und die Titelrolle in Molieres "Tartuffe". Bereits 1997 trat Kirchner wieder ins Burgtheater ein, wo er auch immer wieder mit Gert Voss auf der Bühne stand, etwa in Neil Simons "Sunshine Boys", in Becketts "Endspiel" oder Genets "Die Zofen".

In mehreren Soloprogrammen bot er dem Publikum etwa Robert Walsers "Der Spaziergang", Wilhelm Reichs "Rede an den kleinen Mann" oder Fernando Pessoas "Buch der Unruhe" dar. Unter Matthias Hartmann stand er in der Regie des Ex-Burgtheaterdirektors in "Warten auf Godot" sowie "Krieg und Frieden" auf der Bühne. Neben bereits genannten Regiegrößen scheute Kirchner jedoch auch nicht die Arbeit mit Stars der jüngeren Generation: So arbeitete er nicht nur mit Rene Pollesch, sondern auch Antu Romero Nunes ("Die Macht der Finsternis"). Vor wenigen Jahren war er in der Regie von Herbert Fritsch als Dr. Diaforius in Goldonis "Der eingebildete Kranke" auf der Bühne zu erleben.

Bei seinen Ausflügen vor die Kamera drehte er u.a. mit Leander Haußmann - "Sonnenallee", "NVA" und "Dinosaurier - Gegen uns seht ihr alt aus!" -, Detlev Buck, Michael Verhoeven, Peter Patzak, Julian Pölsler, Hermine Huntgeburth und Urs Egger. Zu seinen Auszeichnungen zählen die Kainz-Medaille der Stadt Wien (1991), das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (2004) sowie Nominierungen für den Nestroy-Theaterpreis, zuletzt 2010 für seine Rolle des Fürsten Bolkonskij in "Krieg und Frieden". In den vergangenen Jahren stand Kirchner dann noch als Herzog von Ferrara in Goethes "Torquato Tasso" sowie zuletzt in Martin Kusejs "Hexenjagd"-Inszenierung und Ibsens "Ein Volksfeind" in der Regie von Jette Steckel auf der Bühne.

mehr aus Kultur

„Blick ins Kastl“: „Blind ermittelt“ zwischen Techno und Florett

Programmm Brucknertage St. Florian

Linzer Festival 4020 widmet sich heuer der "Erfindung der Moderne"

Billie Eilish kommt 2025 nach Wien

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen