Die Mächtigen mit Fakten stören
Man muss gelegentlich auch Kollegen loben, wenn sie ihren Job einfach gut machen. Armin Wolf war im Interview mit Wladimir Putin at his best.
Das ist Journalismus, der seinen Namen verdient. Wolf ist unglaublich gut vorbereitet, argumentiert mit belegbaren Fakten und ist auch im Detail extrem sicher. Dieses Wissen setzt er ein, um unangenehme Fragen zu stellen. Höflich, aber gezielt. Natürlich gibt Putin nichts zu, etwa dass russische Truppen für den Abschuss der Passagiermaschine der Malaysia Airlines irgendeine Verantwortung tragen. Aber körpersprachlich hat Putin mehr als einmal gezeigt, dass Wolf ihn am Punkt erwischt hat.
Wenn er bei Fragen nervös gehüstelt hat, sich bei Antworten mit einer Hand an seinem imperialen Stuhl festgehalten oder bei einer Frage kurz aufgelacht hat. Wolf hat den obersten Kremlherrn mehrfach bei seinen Antworten unterbrochen. Das kann man in der Auslegung von Putin als vertane Chance sehen, zu erfahren, wie es wirklich war. Wolf hat aber auch da seine Aufgabe richtig gemacht. Wenn Putin nicht auf Fragen geantwortet und auf Fakten, die ihm präsentiert wurden, mit ausschweifender Ablenkung reagiert hat, war es folgerichtig, Putin zurückzuholen. Vermutlich passiert ein solches Interview dem russischen Staatspräsidenten im eigenen Land nie. Wer wagt schon den Allmächtigen zu unterbrechen, wenn kritische und unabhängige Journalistinnen und Journalisten um ihr Leben fürchten müssen?
Wolf wird hierzulande von denen, die Widerrede auf Faktenlage nicht gerne haben, als Feindbild gesehen. Mag sein, dass Wolf eitel ist, mag sein, dass manche "Meinen Sie nicht auch"-Fragen nach vorgefertigter Meinung klingen, mag sein, dass sein Hang zum Unterbrechen gelegentlich nervt, aber das ändert nichts daran, dass Wolf für das steht, wofür man Journalismus braucht: Fakten recherchieren und die Mächtigen damit konfrontieren.
In Wirklichkeit haben wir in Österreich, aber auch in anderen Ländern viel zu wenige vom Typ eines Armin Wolf. Es gibt viel zu viele Bereiche, wo nicht genau nachgefragt wird, viel zu viele Verleger, denen die Anzeigenerträge wichtiger sind als eine Redaktion, die mehr liefert als gefällige Texte zwischen den Inseraten. Die Presse ist im Idealfall die Kontrolle der Mächtigen, denen das Volk die Macht übertragen hat. Wer dieses Gegenüber nicht haben will, untergräbt die Reputation der Branche oder einzelner Personen. Man sollte genau hinhören und hinsehen, wer in Österreich demontiert werden soll. Wolf ist einer derer, die stets angegriffen werden. Das spricht für seine Qualität und dafür, dass er seinen Job gut macht. Man sollte ein wachsames Auge darauf haben, was die neue Regierung mit dem ORF und der Presseförderung wirklich vorhat.
Christine Haiden ist Chefredakteurin der Zeitschrift "Welt der Frauen". christine.haiden@welt-der-frauen.at