Der Innsbrucker Bürgermeister ist ein grüner Wegweiser zur Mitte
Österreich hat 2100 Gemeinden. Keine hat einen grünen Bürgermeister.
Diese lokale Schwäche gefährdet die Partei stärker als der bundespolitische Abschied nach 31 Jahren im Nationalrat. Ihr fehlt die Erfahrung kommunaler Letztverantwortung. Darin aber besteht das wertvollste Personalreservoir für höhere Verwaltungsebenen.
Das Manko wird besonders deutlich, wenn Grüne zum Juniorpartner in einer Landesregierung werden. Sie haben niemanden, der schon einmal mehr war. Die Ursachen für dieses Handicap liegen in der Grundverfasstheit einer Partei, deren Basis kaum eine Person hervorstechen lassen will. Diese Einschätzung gilt unabhängig von Alexander Van der Bellen und ungeachtet der längst verworfenen Abgeordnetenrotation. Grüne Mandatare sind Rekordsesselkleber. Vor allem auf Gemeindeebene, wo sie seit 1980 (Fritz Zaun in Baden) vertreten sind, während die ersten Landtagssitze erst 1984 (in Vorarlberg) und der Einzug in den Nationalrat erst 1986 folgten.
Deshalb ist der Sieg bei den Gemeinderatswahlen in Innsbruck und die direkte Kür von Georg Willi zum Bürgermeister weit mehr als eine lokale Anekdote. Die Art, wie dieser Erfolg erzielt wurde, gibt klare Signale, wohin die grüne Reise gehen muss, wenn die Partei ihr grundsätzliches Wählerpotenzial ausschöpfen will. Es lag mit 30 Prozent schon im Bereich von ÖVP, SPÖ und FPÖ. Um aus dem aktuellen Nirwana herauszukommen, empfiehlt sich einerseits die Beherzigung des Sagers schlechthin zur Innsbruck-Wahl: "Die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftigt die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle." Andererseits braucht es eine Betrachtung des Zitat-Urhebers Georg Willi: Er entspricht nicht den Grünen, er personifiziert keine Partei, er verkörpert die Mitte. Dort entstehen Wahlsiege – auf allen politischen Ebenen.
Das Gleiche gilt für Angela Merkel, Emmanuel Macron, aber auch Sebastian Kurz und – neben einigen schwarzen Landeshauptleuten – den roten Peter Kaiser in Kärnten. Die Mitte hat keine Farbe. Die Mitte benötigt ein Gesicht. Die Mitte ist kein gesellschaftlicher Fixpunkt, sondern ein entideologisierter, wandelbarer Bereich. Seine Veränderung ist fremdbestimmt durch die Summe an globalen bis lokalen Aktualitäten. Seine Besetzung benötigt Empathie für diese Stimmungen – vereint in einer infolge Haltung, Anstand und Authentizität überzeugenden Person mit pragmatischer Lösungskompetenz. Die Grünen werden weder im Generationswechsel noch im 59-jährigen Georg Willi ihr Heil finden. Ihr Erfolgsrezept liegt im Zulassen herausragender Personen, im Abschied von der Basisdiktatur des Mittelmaßes, im Starprinzip für die Mitte. Programme werden überschätzt.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten