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Orient 2.0 in Katar

Von Josef Lehner, 11. März 2023, 16:20 Uhr
Orient 2.0
Die Kamelgarde des Emirs paradiert jeden Tag vor der Skyline von West Bay und der Strandpromenade Corniche. Bild: Lehner

Katar will nach der Fußball-WM als sicherstes Land der Welt und Urlaubsziel für Familien um Gäste werben – mit Sonne, Stränden und Spaß. Doch den Reiz macht trotz aller Modernität weiterhin das orientalische Ambiente aus.

Die Hauptstadt Doha ist so wie andere Metropolen, die mit Meer und Stränden gesegnet sind: lange Sandbuchten, hinter denen sich eine beeindruckende Skyline aus Wohn-, Hotel- und Geschäftsgebäuden reiht. Die Promenade Corniche erstreckt sich über sieben Kilometer entlang des Arabischen Golfs (bei uns Persischer Golf genannt) bis zur West Bay. Eine Bucht weiter zieht sich das edle Wohnquartier "The Pearl" über 13 Inseln ins Meer. Gerade wird eine weitere Insel aufgeschüttet.

Zwischen Pearl und West Bay liegt das modernste Unterhaltungsviertel: Katara Cultural Village, mit Amphitheater, Oper, Moschee, Kaufhäusern, Galerien und Restaurants. Die Architekten lieferten einen bunten Mix mit Säulen, Kuppeln und anderem Schnickschnack. In diesen Vierteln findet der Gast Abwechslung, nachdem er sich in seinem eleganten Hotel erholt und das Leben im Spa, an Pool und Strand genossen hat. Er kann durch die großen Einkaufszentren mit Geschäften aller Weltmarken flanieren. Im Villagio ist der Ponte Vecchio nachgebaut; Gondoliere laden zur Fahrt über den Canal Grande.

Orientalische Elemente im Islamischen Museum mit Durchblick auf die Skyline von West Bay in Doha. Bild: Lehner

Ebenfalls aus aller Welt kommen die Architekten, die dem Emirat mit ihrer Kreativität Glanz verleihen, etwa im Museum für Islamische Kunst oder im Nationalmuseum, das der Franzose Jean Nouvel als überdimensionale, kristalline Sandrose geformt hat. Alle Register moderner Museumstechnik werden gezogen. Die Kontraste könnten aber größer nicht sein. Die Katarer lieben ihre Falken; sie lassen sie chippen, versichern, bringen sie zum Falkendoktor, der das Blut untersucht oder Federn ersetzt. Sie lieben ihre Kamele, lassen sie bei Schönheitswettbewerben (dabei soll sogar Botox gespritzt werden) oder bei Kamelrennen antreten. Auf dem riesigen Rennplatz bei Al Shahaniyah bewegen junge Reitknechte Anfang März hunderte Dromedare, um sie für den nächsten Renntag vorzubereiten. Sie schaukeln fadisiert auf dem Rücken der Tiere und wischen auf ihren Mobiltelefonen. Im Wettbewerb ist übrigens kein Mensch im Sattel, sondern ein Roboter von Größe und Aussehen einer Schuhschachtel. Denn über Kinder aus Pakistan, Indien, Äthiopien etc, die jahrzehntelang als Jockey-Sklaven gehalten worden sind, ist vor Jahren ein Verbot verhängt worden.

Familienzeit am Zeltplatz

Katarer lieben es auch, wie ihre nomadischen Vorfahren in Zelten zu leben. Anfang November eröffnet der Emir die Campingsaison; jeder kann sich um einen Zeltplatz irgendwo auf der Halbinsel bewerben. Der wird dann für sechs Monate lang besiedelt. Es wird immer wieder für ein paar Tage oder Wochen die städtische Villa oder Wohnung verlassen und auf dem Zeltplatz gechillt, mit Stromgenerator, Großbildschirm, Dusche und Toilette. Es werden Freunde empfangen, die zu ihren Gastgebern selbst hinter entlegensten Dünen finden. Sie geben die Koordinaten in ihre Navigations-App ein. Der 5-G-Standard ist flächendeckend. Orient 2.0 eben.

Szenenwechsel. "Mein Gott, ist das grün", ruft Tourführerin Tania, als der Landcruiser sich an die Spitze einer Düne gekämpft hat. Der Blick fällt zig Kilometer über nichts als Stein und Sand, nur ein paar mattgrüne Büsche. Üblicherweise sei alles braun und verdorrt, doch im jüngsten Winter habe es viel geregnet. Es blühen sogar die Wüstenhyazinthen. Dann brausen die Lenker mit ihren Allradfahrzeugen die Dünen hinunter, werfen in Kurven hohe Sandfontänen auf und genießen die Angstschreie der Passagiere. Dünenbashing nennt sich das Vergnügen, das Einheimische ebenso schätzen wie Gäste. Zum Abschluss gibt es bei Khor Al Adid im Süden, ganz nah an der Grenze zu Saudi-Arabien, Ausblicke auf den türkisblauen Golf und den Inlandsee.

Bizarre Felsformationen im Westen: Die Wüste erobern die Katarer heute mit Geländewägen statt mit Kamelen. Bild: Lehner

Ganz romantisch ist es in der Wüste an der Westküste bei Zekreet, wo bizarre Sandsteingebilde in den wolkenlosen Himmel ragen. Der US-Künstler Richard Serra hat auf einer Länge von einem Kilometer vier Stahlplatten, je rund 14 Meter hoch, in den Wüstensand stellen lassen. Als hinter ihnen die Sonne tiefrot im Meer versinkt, wird klar, wie stimmungsvoll Camping sein kann. Reiseveranstalter offerieren es für Touristen.

Katar ist so klein wie Oberösterreich und besteht zu neun Zehntel aus Wüste. Eine tragende Rolle spielt, angesichts von 560 Kilometern Küste, auch das Meer – und Wassersport. Die Spanne reicht vom Schnorcheln bis zur Kajaktour durch die Mangroven bei Purple Island. Die Bevölkerung drängt sich mittlerweile aber in und um die Hauptstadt Doha zusammen, nämlich rund zwei Millionen der 2,8 Millionen Einwohner. Kein Wunder, innerhalb weniger Jahre hat sie eine moderne Infrastruktur erhalten, mit vier U-Bahnlinien und mit Straßenbahnen, die gratis genutzt werden dürfen.

Einkommensweltmeister und Klimasünder

Was fehlt, ist Süßwasser. "Wenn es regnet, laufen wir aus Freude ins Freie", sagt die deutsche Reiseführerin, die seit fast zehn Jahren hier lebt. Die Reservoire werden mit entsalztem Meerwasser gefüllt. Die Energie dafür ist in Hülle und Fülle vorhanden. Seit das Land 1971 von den Briten in die Unabhängigkeit entlassen worden ist, hat die regierende Al-Thani-Familie ziemlich viel richtiggemacht. Im gleichen Jahr wurde das größte Erdgasfeld der Welt entdeckt, und anders als in manchem Nachbarstaat wurde ein großer Teil der Petrodollars für die eigene Bevölkerung ausgegeben: Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, ein Sozialsystem. Mit fast 100.000 Dollar Pro-Kopf-Einkommen sind die rund 270.000 Staatsbürger die reichsten der Welt, vor Luxemburg – und sie haben mit 31 Tonnen pro Kopf den höchsten Ausstoß an Klimagasen.

Es wird nicht mehr bloß Rohstoff exportiert, sondern die Wertschöpfung im Bereich Kunststoff, Alu und Stahl vertieft. Die Überschüsse werden in ausländische Unternehmen investiert: Siemens, Volkswagen, Barclays, Louis Vuitton, Credit Suisse … Der Staatsfonds verwaltet rund 450 Milliarden Dollar. Der Tourismus soll das Land jetzt wirtschaftlich noch breiter aufstellen und für eine Zukunft ohne Petrochemie absichern.

Dhow – die Holzschiffe bewältigten über Jahrhunderte den Transport über See und trugen die Perlentaucher. Bild: Lehner

Dass das nicht immer so war, daran erinnern kleine Museen im gefühlvoll erneuerten Altstadtviertel Msheireb. Sie zeigen das karge Leben der Nomaden, das Schicksal der Sklaven, die gefährliche Arbeit der ersten Ölarbeiter ab 1930 und der Perlentaucher. Letztere brachten über Jahrzehnte die einzigen Einnahmen. Als die Japaner 1929 künstliche Perlen entwickelten, brachen die Exporte ein. Das Beduinenvolk lebte in bitterer Armut. Das Erdöl konnte erst nach dem Zweiten Weltkrieg in größerem Umfang gefördert werden.

Längst spielt Geld keine Rolle mehr, es ist einfach da. Sheikh Faisal führt auf seinem Landgut Al Samriya mit Reitstall (160 Pferde) ein Kunst- und Kuriositätenmuseum mit 40.000 Ausstellungsstücken und einer grandiosen Schau von Oldtimern. Daneben ist sein nobles Collection Hotel. Stargast war während der WM Portugals Fußballstar Ronaldo.

Verwirklicht wird, was dem Zeitgeist frönt und was Nutzen stiftet. Oder beides: In der Education City reiht sich eine (ausländische) Universität an die andere. Die Nationalbibliothek in Buchform ist ein architektonischer Leuchtturm – wie viele andere öffentliche Objekte. Und: In der Riesenstadt findet sich kaum ein Futzerl Abfall auf Straßen und Plätzen, sind keine Bettler unterwegs. Die Gäste werden nicht von Verkäufern attackiert, wie in manchen mediterranen Gefilden üblich. „Es kommt hier nichts weg“, sagt die Reiseleiterin, als ein Handy im Restaurant vergessen wird: „Ich muss mich auch nicht fürchten, wenn ich nachts allein unterwegs bin.“

Ein Staat unter Generalverdacht

Der autokratische Staat schüchtere die Einwohner mit einem Polizeistaat ein, wird diesen erfreulichen Zustand der Katar-Kritiker kommentieren. Seit das Land vor gut zehn Jahren die Fußball-WM zugesprochen erhalten hat, steht es unter Generalverdacht. Von Überwachung ist indes nirgendwo etwas zu spüren. Es wird offen über Politik gesprochen. Und die Arroganz und Scheinheiligkeit des Westens angeprangert. Dieser verteufle Katar wegen geknechteter Gastarbeiter und bettle gleichzeitig um Erdgas.

Zweifelsohne wird islamisches Recht angewendet, die Scharia. Das Land hat aber eine Verfassung, Frauen haben seit 2003 das aktive und passive Wahlrecht. 70 Prozent der Studenten sind weiblich, Frauen dürfen Auto fahren und sich allein in der Öffentlichkeit bewegen – im Unterschied zu vielen anderen islamischen Ländern.

2017 ist von den arabischen Nachbarn über die Halbinsel eine Blockade verhängt worden. Hauptgrund: Der Emir soll radikale Organisationen wie Islamischer Staat, Muslimbrüder und Hamas unterstützen. Nach kurzer Panik hat sich der Boykott als Vorteil erwiesen. Die Regierung hat in der Folge die Gemüseproduktion ausgebaut, 24.000 Holstein-Kühe gekauft und ein Molkereiwesen hochgezogen.

Die Freundschaft mit Iran und Russland macht das kleine Machtzentrum am Golf schwer einschätzbar. Andererseits ist in Doha das Hauptquartier der US-Streitkräfte für den Nahen Osten. In den USA wird fleißig Kriegsgerät gekauft. Auch das ist Orient 2.0. Geld regiert die Welt. Aber für diese Erkenntnis bräuchten wir uns nicht nach Katar begeben.

Wissenswertes

  • Anreise: Qatar Airways (bereits siebenmal als beste Fluglinie der Welt ausgezeichnet) fliegen täglich ab Wien in ca. 5,5 Stunden nach Doha, je nach Reisetag um 400 bis 500 Euro. Die Zeitverschiebung beträgt zwei Stunden.
  • Verhalten: Gäste sollten außerhalb der Hotels die Bekleidungsregeln einhalten – Schultern und Knie bei Mann und Frau bedeckt. Bikini bzw. Badeshorts sind am öffentlichen Strand nicht erlaubt, jedoch in privaten Badeanstalten (Klubs, Resorts, Hotels).
  • Essen: Ein Traum aus 1001 Nacht – alle Hotels haben gute bis exzellente Küche, mit umfassendem orientalischen Angebot und auch internationalen Speisen. Natürlich ist McDonald’s längst hier. Es gibt Hunderte von Restaurants mit hohem Standard, besonders libanesische, persische (Tipp: das „Parisa“ im Souq Waqif) und katarische.
  • Getränke: Alkohol wird nicht aktiv angeboten und darf nur von lizensierten Geschäften/Lokalen verkauft werden. Auf Nachfrage wird er in vielen Hotels und Restaurants serviert. Die Preise sind hoch. Gahwa, der arabischer Kaffee aus ungerösteten Bohnen und Gewürzen (Kardamom, Safran, Zimt …), wird hingegen überall serviert. Zudem gibt es ein breites Angebot an Säften.
  • Pauschalangebote inkl. Flug, Top-Hotel, Frühstück, sieben Tage ab ca. 1100 Euro. Die Nebenkosten sind allerdings höher als in Europa (Getränke, Essen, Eintritte). Neben den großen internationalen Hotels, viele mit Sandstrand, gibt es auch idyllische Plätze, etwa Boutiquehotels am ältesten arabischen Markt, dem Souq Waqif, oder ein Zelthotel auf der Bio-Farm Heenat Salma (mit Bad und Toilette im Zelt und ausgezeichnetem Restaurant).
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Autor
Josef Lehner
Redakteur Wirtschaft
Josef Lehner
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3  Kommentare
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sandeross (176 Kommentare)
am 16.03.2023 11:02

Ernsthaft he?
Was genau soll denn bitte diese Werbeeinschaltung?

Habt ihr sie noch alle?

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nangpu (1.674 Kommentare)
am 19.03.2023 07:41

So wie im Standard - dort wirbt man gleich um eine Kreuzfahrt in die Antarktis!

Daran sieht man, wie ernst 'Klimawandel und Umweltschutz' genommen werden.

Scheinheiliger geht's nimma. 👎

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Gugelbua (31.906 Kommentare)
am 14.03.2023 11:17

besonders für Frauen, da gibts alle Freiheiten🤣

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