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Die Kunst, Krisen gelassen zu überstehen

Von Ulrike Griessl, 09. September 2020, 11:04 Uhr
Die Kunst, Krisen gelassen zu überstehen
Wer seine Stärken in der Jugend ausleben kann und gefördert wird, ist später selbstbewusster und resilienter. Bild: colourbox.de

Die Psychotherapeutin Sonja Katrina Brauner unterstützt seit mehr als 30 Jahren Menschen dabei, ihre psychischen Widerstandskräfte zu stärken. Im Interview verrät sie, was resiliente Menschen auszeichnet.

Was unterscheidet Menschen, die in schwierigen Situationen kühlen Kopf bewahren und zuversichtlich bleiben, von jenen, die rasch verzweifeln? Liegt ihnen die psychische Widerstandskraft, auch Resilienz genannt, in den Genen? Fragen, die derzeit angesichts der Coronakrise besonders aktuell sind. Antworten darauf hat die Psychotherapeutin und Autorin Sonja Katrina Brauner.

Was kennzeichnet Menschen mit hoher Resilienz?

Dass sie nicht aufgeben – auch wenn sie Widerstand spüren. Dass sie an sich selbst glauben und dass sie über den Tellerrand hinausschauen können und nicht nur ihren eigenen Mikrokosmos sehen.

Sind diese Eigenschaften charakterabhängig, also angeboren, oder kann man sie sich aneignen?

Man kann an diesen Eigenschaften zu jedem Zeitpunkt im Leben arbeiten. Jeder Mensch hat viele Potenziale. Wichtig ist, dass er diese erkennt und sie zu nützen lernt. Wer tut, was er gut kann und was ihm Spaß macht, wird automatisch selbstsicher. Und Selbstsicherheit macht widerstandsfähiger. Daher rate ich meinen Klienten immer, zu machen, was ihnen Freude bereitet, und dabei nur auf sich selbst und nicht auf die Meinung anderer zu hören. Denn dadurch wächst der Glaube an sich selbst und an die Möglichkeit, dass man über sich hinauswachsen kann.

Bedeutet das, jeder muss seinen eigenen Weg zur Resilienz finden?

So ist es. Menschen, die bereits in ihrer Kindheit individuell gefördert wurden, sind meiner Erfahrung nach ihr Leben lang besonders resilient. Menschen, die nicht gefördert wurden, tun sich hingegen schwerer, psychische Widerstandskraft zu entwickeln. Wer nie darauf hingewiesen wird, welche Stärken er hat, erkennt diese schwerer. Darunter leidet natürlich das Selbstbewusstsein.

Wie kann man herausfinden, welche Talente in einem schlummern, wenn sie bis zum Erwachsenenalter niemand erkannt hat?

Das gelingt am besten, indem man sich jeden Tag Zeit nimmt, um zu tun, worauf man wirklich Lust hat – und wenn es nur für zehn Minuten ist. Denn was einem Freude macht, ist in der Regel das, was man gut kann. Toll ist es auch, wenn man etwas völlig Neues ausprobiert und versucht, über seinen Horizont hinaus zu denken und zu handeln. Auf diese Weise kann man sehr gut Antworten auf die Frage finden, was einen wirklich glücklich und zufrieden macht.

In Ihrem Buch schreiben Sie auch von äußeren Umständen, die resilient machen. Welche meinen Sie?

Das sind zum Beispiel Menschen, die einen umgeben. Es macht stark, zu wissen, dass es zumindest eine Person gibt, die an einen glaubt. Eine äußerst stärkende Wirkung hat es auch, Gemeinschaft zu erleben, wie etwa in einem Verein, in dem man sich engagiert. Außerdem sollte man sich die Freiheit zugestehen, zu tun, was einem guttut – ohne sich dabei an den Erwartungen anderer zu orientieren.

Müssen Menschen in unserer schnelllebigen Zeit generell resilienter sein als es früher nötig war?

Nein, das denke ich nicht. Die Herausforderungen haben sich geändert. Heute muss man sehr viele virtuelle Reize und extrem viel Information verarbeiten. Das überfordert Kinder, aber auch manche Erwachsene. Früher war alles langsamer, dafür hatten die Menschen andere schwerwiegende Sorgen.

Wie kommt es, dass viele ältere Menschen mit der Coronakrise viel entspannter umgehen können als junge?

Das liegt daran, dass viele Senioren schon so manche große Krise durchmachen mussten, dabei aber auch die Zuversicht gewonnen haben, dass sich Dinge wieder zum Guten wenden können. Viele jüngere Menschen haben aufgrund der großen sozialen Sicherheit bei uns in Österreich nie große Bedrohungen erlebt, sie waren daher nie gezwungen, mit schwierigen Zeiten umzugehen. Dadurch ist die Coronakrise für viele besonders beängstigend.

Sind Menschen mit großer psychischer Widerstandskraft glücklicher als andere?

Das würde ich nicht sagen. Aber Resilienz hilft sicher, Krisen leichter zu überstehen und zu verarbeiten.

Psychotherapeutin und Buchautorin

Sonja Katrina Brauner (53) betreibt in Wien eine Praxis für Psychotherapie, Supervision und Coaching. Seit mehr als 30 Jahren begleitet sie Menschen in herausfordernden Situationen.

In der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Kindern widmet sie sich vor allem der Begabtenförderung und der Stärkung der Resilienz ihrer jungen Klienten.

In ihrem Buch „Geniale Resilienz“ (Verlag Edition Riedenburg; 20,50 €) hat Sonja Katrina Brauner 40 hoch begabte Persönlichkeiten interviewt. Sie beschreiben, wie sie Herausforderungen meistern.

Dazu gibt es einen Resilienz-Wochenplaner (20,50 €).

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Autorin
Ulrike Griessl
Redakteurin Leben und Gesundheit
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