"Jugend und Gesundheit keine Garantie für milden Verlauf"

LINZ. Rund 50 Patienten mit schwerem Verlauf der Covid-19-Erkrankung hat der Linzer Lungenspezialist Bernd Lamprecht bisher behandelt. In der neuen Serie "JKU Corona Update" zieht er Bilanz.
Eine Erkenntnis: "Jung und gesund zu sein, ist keine hunterprozentige Garantie", für einen milden Verlauf, sagte Lamprecht im Gespräch mit JKU-Rektor Meinhard Lukas. Unter jenen Patienten, die bisher ins Kepler Uniklinikum Linz kamen, brauchen aktuell 15 bis 22 Prozent eine intensivmedizinische Behandlung.
Neben der viel diskutierten höheren Gefährdung für ältere Personen gebe es durchaus auch jüngere Patienten mit schweren Covid-19-Erkrankungen, sagte der Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Uniklinikum in einem von der Universität Linz veranstalteten Online-Gespräch am Donnerstag. Bisher habe man allerdings "keine schlüssige Antwort, warum auch fitte Menschen ohne Vorerkrankungen schwere Verläufe haben". Wahrscheinlich sei dafür ein ganzes Bündel an Faktoren ausschlaggebend, das zu einer Schwächung des Immunsystems etwa durch "schlummernde Krankheiten" führen kann.
Das ganze Gespräch zum Nachsehen:
Er teile die Beobachtung, dass auch Personen mit zuerst milden Verläufen - also etwas Husten und Fieber -, zu denen der Lungenspezialist in häuslicher Quarantäne nur telefonisch Kontakt gehalten hat, nach fünf bis sieben Tagen eine Verschlechterung erfuhren. "Die Erkrankung wurde also nicht schrittweise besser, wie etwa bei grippalen Infekten", so Lamprecht. Zuerst stellte sich Atemnot bei körperlicher Betätigung und dann auch bei Ruhe und geringer Belastung ein. Das sei dann einerseits "beängstigend" und ein Anzeichen, dass medizinische Unterstützung benötigt wird und etwa Sauerstoff zugeführt werden sollte.
Prozentsatz der Intensivpatienten steigt
Als die ersten Fälle aus Oberösterreich ins Krankenhaus kamen, lag der Anteil derer, die auf die Intensivstation mussten, noch bei rund zehn Prozent, sagte Lamprecht. Danach stieg dieser Prozentsatz auf nunmehr zwischen 15 und 22 Prozent an. Die Erfahrung aus Ländern, wo die Epidemie weiter fortgeschritten ist, zeige mittlerweile, "dass Menschen, die auf Intensivstationen behandelt werden, keine wesentlich bessere Chance als 50 Prozent haben, diese auch wieder lebend verlassen zu können", gab der Lungenspezialist zu bedenken.
Man tue daher alles, um eine Verschlechterung schon vorher zu verhindern. Trotzdem habe man in Linz auch bereits Patienten, die von der Intensiv- schon wieder auf die Normalstation zurückkehren konnten, "und die kurz davor stehen, wieder nach Hause zu gehen".
Die bisherigen Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Coronaübertragungen bewertet der Experte positiv. Diese brächten den Gesundheitseinrichtungen wichtige Zeit und einen Schutz vor der Überlastung. Die schrittweise Einführung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum sei zwar in unserem Kulturkreis ungewohnt, "die Menschen werden sich aber daran gewöhnen". Eine im Raum stehende Ausweitung auf öffentliche Verkehrsmittel in Ballungsräumen sei in weiterer Folge "empfehlenswert", sagte Lamprecht.
80 Prozent milde Fälle
Für 80 Prozent aller Menschen verläuft eine Infektion mit dem Coronavirus wie eine Erkältungserkrankung mit Husten, Fieber, Heiserkeit und Müdigkeit. Eine sehr kleine Gruppe erlebt aber einen viel dramatischeren Krankheitsverlauf.
"Entzündet sich das Lungengewebe im Laufe dieser Erkrankung schwer, kann es passieren, dass dieses Organ nicht mehr in der Lage ist, genügend Sauerstoff aufzunehmen. Die betroffenen Menschen leiden dann unter Atemnot und können in einen kritischen Zustand geraten", sagte Lamprecht den OÖNachrichten und erklärt: "Der Sauerstoff kann dann durch die fortschreitende Entzündung nicht mehr so einfach von der Lunge ins Blut transportiert werden, die Patienten bekommen schwer Luft, man hilft ihnen im Krankenhaus mit unterschiedlichen künstlichen Mitteln, diese kritische Phase zu überstehen."
Mehr Sauerstoff ins Blut
Das Ziel aller Maßnahmen zur künstlichen Atem-Unterstützung: Die Sauerstoffsättigung im Blut soll zumindest 90 Prozent betragen. Normal wären 97 bis 100 Prozent. Alle Verfahren funktionieren als "Überdruckbeatmung", bei der sauerstoffreiche Luft mit in die Lunge geblasen wird.
Beatmungsmethoden gibt es im Krankenhaus auch über Masken, Helme oder Nasenkanülen. Dabei wird die natürliche Atmung durch die Zufuhr von Sauerstoff unterstützt. Der erzielte Überdruck in der Lunge soll über die Sauerstoffanreicherung der Atemluft die Lungenbläschen ständig offen halten und damit den Gasaustausch verbessern. Die Unterstützung der Lunge soll dem Patienten über eine kritische Phase hinweghelfen, bis sich das Organ wieder erholt hat.
Unter Vollnarkose intubiert
Bei Patienten auf der Intensivstation übernimmt ein Beatmungsgerät aktiv die Steuerung der Atmung. Dafür wird dem Patienten unter Vollnarkose ein Tubus von außen in die Luftröhre eingeführt, über den das Atemgas in die Lunge strömt.
Intubieren selbst ist keine leichte Aufgabe. Dafür sind eine gute Ausbildung der handelnden Intensivmediziner und ausreichend Übung notwendig.
Im Rahmen der künstlichen Beatmung im Spital wird die Sauerstoffversorgung des Körpers laufend kontrolliert. Aus den verschiedenen Parametern ergibt sich die Feineinstellung der Geräte mit Druck und erforderlichem Volumen. Der Sauerstoffgehalt der zugeführten Atemluft kann zwischen 21 Prozent (Außenluft) und 100 Prozent Sauerstoff betragen. Die Atemfrequenz wird zumeist auf acht bis 30 Züge pro Minute eingestellt.
Wenig langfristige Schäden
"Covid-19-Patienten, die einen schweren Verlauf haben, bleiben durchschnittlich 14 Tage im Krankenhaus. Die Regenerationsphase dauert sehr lange. Die Lunge braucht eben Zeit, sich von der Entzündung zu erholen", sagt Primar Lamprecht.
Zu Meldungen, nach denen eine langfristige Schädigung der Lunge nach einer Covid-19-Erkrankung nicht ausgeschlossen werden kann, sagt Pneumologe Bernd Lamprecht: "Es ist nach jeder schweren Lungenentzündung möglich, dass Narben zurückbleiben. Und Narbengewebe ist nicht so funktionstüchtig wie gesundes. Bei der überwiegenden Mehrheit der Coronavirus-bedingten Lungenentzündungen gibt es aber keine bleibenden Einschränkungen. Bei vielen Patienten heilt die Entzündung folgenlos ab, und sie sind danach wieder so fit wie zuvor."
Raucher mehr gefährdet
Neben hochbetagten Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Autoimmunerkrankungen und Bluthochdruck scheinen auch langjährige Raucher für einen schweren Verlauf der Erkrankung gefährdet zu sein.
"Das wiederum dürfte damit zusammenhängen, dass jahrelanges Rauchen nachweislich Schäden im Körper anrichtet, insbesondere das Herz-Kreislauf-System und die Lunge beeinträchtigt", so Lamprecht. Zudem dürfte das Inhalieren des Tabakrauchs Entzündungsprozesse im menschlichen Körper aktivieren, die wiederum das Immunsystem beeinträchtigen. "Jeder Raucher sollte daher ernsthaft an einen Rauchstopp denken. Ob die jetzige Stresssituation dafür geeignet ist, sich mit seiner Suchterkrankung auseinanderzusetzen, muss jeder selbst entscheiden", sagt der Lungenfacharzt.
"JKU Corona Update"
Im Gespräch mit Rektor Meinhard Lukas erklären Wissenschafter das Virus, analysieren die Folgen und diskutieren Konzepte gegen die Krise. In teil zwei der Serie spricht Rektor Meinhard Lukas am Freitag ab 14 Uhr mit Experten für Recht und Informatik über das Thema "Tracking": Unter welchen Bedingungen kann Big Data zur Bewältigung der Corona-Krise beitragen? nachrichten.at wird live übertragen.
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