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HIV: „Jeder Tag ist für mich ein Geschenk“

Von Von Heidi Riepl, 19. November 2010, 00:04 Uhr
„Jeder Tag ist für mich ein Geschenk“
„Zuerst habe ich nur geweint und geweint“, sagt Saria Amillen Anderson. Bild: heidi riepl

DODOMA. Ihr Mann zuckte nur mit den Schultern. „Du kannst nicht ewig leben“, sagte er, als er von Saria Amillen Anderson zur Rede gestellt wurde. Er hatte die 42-Jährige mit dem HIV-Virus infiziert. Doch Anderson ließ sich nicht unterkriegen. Für ihren Kampf für bessere Lebensbedingungen in Tansania bekommt sie heute den Romero-Preis.

„Ich konnte zunächst gar nicht darüber sprechen“, erinnert sich Saria Amillen Anderson an diesen 13. August 2001, den Tag, an dem sie das niederschmetternde Testergebnis erfuhr. „Ich habe einfach geweint. Geweint und geweint.“

Es war ein dreifacher Schmerz, den die Mutter von zwei Kindern hinausweinen musste. Die eigene Infektion stand dabei natürlich im Vordergrund. Quälende Fragen, auf die es eigentlich keine Antwort gibt, rotierten in ihrem Kopf: Warum ich? Warum ist gerade mir das passiert? Wie soll das alles weitergehen?

Hinzu mischte sich bittere Enttäuschung. Ausgerechnet der Mensch, den sie liebte, hatte ihr das angetan. Der eigene Ehemann hatte sie nicht nur mit anderen Frauen betrogen. Saria Amillen Anderson ist sich sicher, dass er sie wissentlich angesteckt hat. Schon bei der Hochzeit hatte er gewusst, dass er das tödliche Virus in sich trug.

Verdacht hat die 42-jährige Agrarexpertin aber erst geschöpft, als die Tochter Gloria dauernd kränkelte und sich einfach nicht mehr erholten wollte. Der Arzt riet zum Aids-Test. „Ich habe ein paar Wochen abgewartet, bis ich überhaupt den Mut dazu hatte“, flüstert sie.

Auch ihre Tochter ist HIV-positiv. Saria Amillen Anderson weiß, dass sie ihre eigene Tochter angesteckt hat. Diese Erkenntnis kann wahrscheinlich kein Gehirn einer Mutter verkraften. Doch gutmachen lässt sich auch nichts mehr. Dicke Tränen der Verzweiflung rollen fast zehn Jahre später noch immer über ihre Wangen. Zum Glück ist wenigstens die zweite Tochter gesund.

Das tragische Schicksal der Agrarexpertin ist keineswegs ein Einzelfall. Weltweit tragen rund 34 Millionen Menschen das Aids auslösende HIV-Virus in sich. Mehr als 25 Millionen Menschen sind bereits daran gestorben. Am schlimmsten wütet die Krankheit auf dem afrikanischen Kontinent, wo längst mehr als 70 Prozent aller Infizierten leben.

Wie viele Menschen in ihrer Heimat Tansania infiziert sind, kann Anderson nicht genau sagen. Wie wahrscheinlich niemand. Die meisten Spitäler haben gar keine Aidstests. Außerdem sterben HIV-Positive ja an den unterschiedlichsten Krankheiten.

Frauen als Prestigesache

Schuld an dieser traurigen Entwicklung ist in erster Linie das in Tansania noch immer herrschende Patriarchat. Die Frau muss sich dem Mann voll und ganz unterordnen. Einmal abgesehen von der noch immer weit verbreiteten Polygamie haben die meisten Männer in der Stadt, wo sie arbeiten, auch noch zig Freundinnen. Doch der eigenen Frau erlauben sie nicht einmal den lebensrettenden Schutz durch ein Kondom. „Bist du etwa eine Prostituierte?“, bekommt sie dann zu hören. Je mehr Frauen ein Mann hat, desto besser. Freundinnen wie auch Kinder sind in Afrika Prestigesache.

Saria Amillen Anderson will ihr Schicksal anderen Frauen ersparen. Mit gezielter Aufklärung bringt sie dieses Tabu-Thema in ihren Projekten immer wieder zur Sprache. Doch was nützt es, wenn nur die Frauen informiert sind? „Viele Männer glauben, dass Aids etwas Harmloses ist“, sagt Anderson.

Hinzu kommt, dass dank der Aids-Medikamente die Todesrate gesunken ist und die Menschen in Tansania wieder unbekümmerter werden. Aber die HIV-Infektionen nehmen weiter zu.

Wie lebt man nun mit der tragischen Diagnose HIV? Krankheitssymptome hat Saria Amillen Anderson keine. „Es ist dieser psychische Druck, der krank macht“, sagt sie. Ihr tiefer Glaube an Gott und die Freunde, die für sie beten, haben ihr überhaupt Kraft zum Weiterleben gegeben. Ihrem Mann gegenüber, der inzwischen an Aids gestorben ist, empfindet sie nur noch abgrundtiefen Hass.

Mit den Medikamenten, die sie und ihre Tochter dank der Hilfe aus Oberösterreich bekommen, hat Anderson eine gute Überlebenschance. „Jeder Tag ist ein Geschenk“, sagt Saria Amillen Anderson, die jetzt den Wert des Lebens ganz anders zu schätzen weiß. „Wenn ich mein eigenes Leben schätze, dann muss ich auch das der anderen schätzen“, sagt sie.

Für Außenstehende ist es unvorstellbar: Aber trotz ihrer Krankheit findet die allein erziehende Mutter noch immer Kraft zur Arbeit. Und die betreibt sie intensiver denn je. Die Agrarexpertin leitet seit 2000 ein Hilfsprojekt der katholischen Männerbewegung „Sei so frei“. In Chumwi, ganz im Norden des Landes, berät sie 350 Familien in 13 Dörfern bei der Verbesserung der landwirtschaftlichen Anbaumethoden.

„Hungern braucht keiner“

Der Erfolg kann sich sehen lassen: Durch den Anbau von Früchten, die auch mit wenig Wasser wachsen, hat die Trockenheit ihren Schrecken verloren. „Hungern braucht bei uns keiner mehr“, sagt Saria Amillen Anderson und ist sichtlich stolz. Ein zufriedenes Lächeln bringt dabei ihr Gesicht zum Strahlen. Denn nicht nur für die 350 Familien hat sich die Lebensqualität verbessert. Indirekt profitiert die gesamte Mara-Region mit 40.000 Einwohnern von der oberösterreichischen Hilfe.

 

Über Spenden wäre die Aktion „Sei so frei“ dankbar: Konto: 691733, Hypo Landesbank BLZ 54000.

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