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"A Boy’s Life": Der 91-Jährige, der als Bub 44 Monate in Konzentrationslagern überlebte

Von Nora Bruckmüller, 28. September 2023, 00:04 Uhr
Der 91-Jährige, der als Bub 44 Monate in Konzentrationslagern überlebte
Daniel Chanoch mit seiner Enkelin im Jahr 2022 Bild: APA/HERBERT P. OCZERET

Der bestechende Dokumentarfilm "A Boy’s Life" würdigt den Zeitzeugen Daniel Chanoch.

Der Gedanke, sich einen Dokumentarfilm über den Holocaust anzusehen, legt sich meist schwer auf die Brust. Eine verständliche, wenn nicht die normalste Reaktion auf die Vorstellung, sich mit Gräueln, Schuld und dem Bestialischen im Menschen zu konfrontieren. Wer sich jedoch mit dem Gedanken trägt, "A Boy’s Life" anzusehen, kann seine Bedenken ein Stück weit ablegen.

Die Arbeit des österreichischen Regieduos Christian Krönes und Florian Weigensamer ("Ein deutsches Leben" über Goebbels Sekretärin Brunhilde Pomsel, "Marko Feingold – Ein jüdisches Leben") ist ab heute in Spezialvorstellungen zu sehen (mehr rechts). Ab Freitag läuft sie regulär im Kino.

Natürlich wird es Kraft kosten, sich diesem Film zu stellen. Aber Protagonist Daniel Chanoch ist mit seinen 91 Jahren noch immer mit einer besonderen Kraft gesegnet, sodass er es vermag, die Konfrontation für jene zu erleichtern, die nach ihm geboren wurden.

Warum das so ist? Es mögen sein Charisma sein, sein Auftreten, das in diesem hohen Alter von einer Vitalität zeugt, die Hoffnung für das eigene "letzte Drittel" macht. Auch die Tatsache, dass mit ihm ein Mensch vor einem sitzt, der angesichts dessen, was er als Kind überlebte, mehr Unversehrtheit und Humanität an den Tag legt, als man sich je erträumt hätte.

Der jüdische Litauer Daniel Chanoch war acht Jahre, als ihm die Nazis seine Kindheit nahmen, indem sie seine Großfamilie töteten und zerstörten – eine bis heute blutende Wunde. Es folgten 44 Monate Konzentrationslager. Eine Odyssee, die den Verlust von Vater, Mutter und Schwester bedeutete, Zwangsarbeit für "Lagerarzt" Josef Mengele an der Todesrampe des KZ Auschwitz-Birkenau: das Ziehen von Rollwagen voller Leichen für die "Routinen am Fließband des Todes".

Die Odyssee endete nach Todesmärschen im KZ Mauthausen und im berüchtigten Nebenlager in Gunskirchen, das ein US-Befreier als "hintersten Winkel der Hölle" beschrieb. Chanoch war 13 Jahre.

Aus der Diskrepanz von seiner fassbaren Präsenz und den unvorstellbaren Abgründen zog das Regieduo die richtigen Lehren: Sie setzten ihren Protagonisten hin und gaben ihm einfach Raum, seine Zeitzeugenschaft abzulegen. Es gibt keinen Kommentator, keine Interviewfragen sind zu hören, nur Chanoch als Epizentrum. Die filmische Schönheit liegt hier in der Einfachheit, die etwa Hollywood so extrem verlernt hat.

"Wahrheit ist nie traumatisch"

Den visuellen Kern bildet sein in schwarz-weißen Großaufnahmen festgehaltenes Gesicht, das einem großartigen Redner gehört. Mit dieser Inszenierung gelingt es Kameramann und Schnittmeister Christian Kremer ("Welcome to Sodom"), eine Echokammer zu bauen, die Chanochs Botschaften wie auf leisen Sohlen verstärkt. Unterbrochen wird dieser Fluss von historischen Aufnahmen wie vom Prozess gegen Adolf Eichmann, "den Organisator der Endlösung", und Propagandaspots der Nazis sowie der Alliierten. Ein kluger Kniff: Sie liefern Außenperspektiven, die oft lächerlich weit von dem entfernt sind, was jemand im Inneren des Holocaust tatsächlich zu berichten hat. Eine von Chanochs wichtigsten Lehren dabei: "Die Wahrheit ist nie traumatisch."

Daran sollte man festhalten, wenn man hört, wie er beklagt, dass Kannibalismus in den Lagern in der Aufarbeitung des Holocaust zu wenig offen behandelt wurde. Und wenn er seinen Eindruck der Zivilgesellschaft schildert, die ihm in Oberösterreich begegnete: "sehr antisemitisch, falsch und hasserfüllt". So wird "A Boy’s Life" zum Lehrstück, das so viele Menschen und Schulkassen wie möglich sehen sollten. Am besten im Kino, wo alle Härten einsickern können – im Schutz der Gruppe.

"A Boy’s Life": A 2023, 96 Min. ab Freitag im Kino

OÖN Bewertung:

 

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Autorin
Nora Bruckmüller
Redakteurin Kultur
Nora Bruckmüller
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