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"Jedes Wort ist eine Zelle meines Körpers geworden"

09. Februar 2022, 00:04 Uhr
"Jedes Wort ist eine Zelle meines Körpers geworden"
Die vielfach prämierte Autor Gerhard Roth (1942–2022) Bild: APA/ROLAND SCHLAGER

GRAZ. Der Grazer Schriftsteller Gerhard Roth, der zentrale Werke der Nachkriegsliteratur schuf, starb gestern im Alter von 79 Jahren.

"Gerhard Roth ist von uns gegangen. Seine Prosa lotete das Österreichische aus, mitunter schmerzhaft, nie ungerecht, stets aber in literarisch höchster Qualität."

Mit diesen Worten würdigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Schriftsteller Gerhard Roth, der gestern mit 79 Jahren in seiner Heimatstadt Graz nach langer Krankheit gestorben ist.

Der Autor hinterlässt ein umfangreiches, vielseitiges Oeuvre. Mit seinen Romanzyklen "Archive des Schweigens" und "Orkus" hat er zentrale Werke der österreichischen Nachkriegsliteratur geschaffen. Seine Publikationsliste zeugt zudem von umfangreichen fotografischen Unterfangen. Bilder seiner Recherchereisen haben etwa in den Bänden "Über Land und Meer", "Atlas der Stille" oder "Im unsichtbaren Wien" umfangreiche Bilderzählungen ergeben, die seine Romane begleitet haben. Roth studierte zunächst nach dem Willen seines Vaters, eines Arztes, ab 1961 Medizin in Graz, brach das Studium jedoch 1967 ab. 1966 bis 1977 arbeitete er als Programmierer und Organisationsleiter im Grazer Computerrechenzentrum, um neben seiner schreibenden Tätigkeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ab den frühen 1970ern veröffentlichte er experimentelle Prosa (etwa 1972 "die autobiographie des albert einstein") und versuchte sich als Theaterautor (u. a. "Lichtenberg", "Dämmerung").

Chronist des Populismus

Ein großzügiger Vorschuss des S.Fischer Verlags ermöglichte es ihm, sich ganz auf die Arbeit an den "Archiven des Schweigens" zu konzentrieren. 1980 erschien als erstes Buch "Der stille Ozean" – eine Verfilmung durch Xaver Schwarzenberger holte 1983 den Silbernen Berlinale-Bären. Mittelpunkt des aus den unterschiedlichsten literarischen Gattungen zusammengesetzten Zyklus, in dem Fiktion und (auch fotografische) Dokumentation ineinanderfließen, ist das 1984 erschienene 800-Seiten-Buch "Landläufiger Tod". 1991 wurde der Zyklus mit "Die Geschichte der Dunkelheit" abgeschlossen. Mit "Der See", dem Auftakt-Roman seines neuen Zyklus "Orkus", versetzte Roth 1995 die FPÖ in Aufregung, die in einem populistischen Politiker, auf den fast ein Attentat verübt wird, Jörg Haider wiedererkannte. Danach erweiterte Roth mit "Der Plan" (1998) und "Der Berg" (2000), "Der Strom" (2002) und "Das Labyrinth" (2005) seine Schauplätze um Japan, Griechenland, den Balkan, Ägypten, Wien, Madeira und Madrid. Es folgte der Essay-Band "Die Stadt", "Das Alphabet der Zeit" und 2011 mit "Orkus. Reise zu den Toten" ein großer Abschlussband.

"Mir ist eine Last vom Körper und vom Geist gefallen, aber die beiden Romanzyklen werden immer Teile von mir selbst bleiben", sagte Roth. "Jedes Wort ist sozusagen eine Zelle meines Körpers geworden, jede literarische Figur eine prägende Erinnerung." Sein letztes Werk erschein im Vorjahr, das Finale der Venedig-Trilogie "Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe".

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