"The King's Speech": Dialoge statt Action und Sex
Als fabelhaften Schauspieler kannte man ihn schon immer. Aber jetzt hat der 50-jährige Brite Colin Firth die Rolle seines Lebens gefunden. In „The King’s Speech“ verkörpert er den stotternden König George VI. Für seine Leistung ist er auch haushoher Oscar-Favorit.
OÖN: An ein und demselben Tag hatten Sie einen Termin mit Regisseur Tom Hooper und mit Ihrem Arzt?
Firth: Und beides ging gut. Tom bot mir die Rolle an, und der Arzt war Routinesache. Die Produktionsfirmen brauchen immer ein ärztliches Attest, bevor man einen Film beginnt. Mein Meeting mit Tom verlief so, dass wir gleich drei Stunden arbeiteten. Wir diskutierten, was wir bei der Story unbedingt vermeiden mussten, um nicht lächerlich zu wirken.
OÖN: Sie sind Albert, genannt Bertie, der Duke of York. Durch die Abdankung seines Bruders Edward VIII. wird er, ohne es je gewollt zu haben, als George VI. der neue englische König. Aber: Bertie stottert. Seine Ehefrau engagiert den exzentrischen Sprachtherapeuten Lionel Logue, der ihn behandeln soll...
Firth: Und da wären wir schon bei der ersten großen Gefahr. Wann gibt es im Film schon Stotterer? Meist nur in billigen Komödien. Tom Hooper und ich waren uns bewusst, dass wir niemandem weh tun durften. Nicht Bertie als Figur, und vor allem nicht all den Menschen, die auch stottern. Das bedeutet für sie oft fürchterliches Leid. Garant für Seriosität war unser Drehbuchautor David Seidler. Denn er hat einst auch gestottert. Er erzählte uns banale Geschichten aus dem Leben. Etwa, dass solche Menschen im Restaurant vielleicht ein Steak möchten, aber lieber Huhn bestellen, weil sie dieses Wort fehlerlos aussprechen können.
OÖN: Interessieren Sie Geschichten aus dem englischen Königshaus?
Firth: Aber so was von überhaupt nicht! Mir ist völlig wurscht, was unsere Royals treiben. Was mich interessierte, war dieser Mensch Bertie alias George VI. und sein imponierender Kampf. Und auch die Geschichte der Freundschaft zwischen ihm und seinem Sprachtherapeuten. Sie müssen die damaligen Umstände bedenken. Die großen Gegenspieler Hitler, Stalin oder Mussolini waren rhetorische Meister. Es machte ihnen nichts aus, zur Unterstützung ihrer Macht Massenmorde zu begehen. Dieser George VI. aber hatte als König keine Macht, nur symbolische Funktion, er konnte keine Steuern einheben, keinen Krieg erklären und keinen Minister ernennen, sollte aber eine Ansprache halten, bei der ihm das gesamte Empire zuhören würde. Er ist an dieser Aufgabe gewachsen und hat dabei große Würde gezeigt. Im Gegensatz zu Hitler, Stalin und Mussolini hat er wirklich einen Kampf geführt.
OÖN: Wie haben Sie sich das Stottern antrainiert?
Firth: Mit Hilfe eines Spezialisten. Der erklärte mir gleich, dass es kein generelles Stottern gibt, dass die Betroffenen ganz verschieden stottern. So haben wir für mich eine ganz eigene Variante entwickelt, eine Vari-ante, die das Tempo des Films nicht gebremst hat. Arg war nur, was Regisseur Hooper von mir wollte. Ich sollte auch nach Drehschluss weiterstottern, um nicht aus dem Rhythmus zu kommen. „Dauert eh nur ein paar Wochen“, meinte er...
OÖN: Halten Sie persönlich gern Reden?
Firth: Um Gottes willen, nein. Da fällt mir immer ein Sager von Jerry Seinfeld aus seiner Show ein: Bei Begräbnissen würden viele Leute lieber im Sarg liegen, als eine Rede halten zu müssen.
OÖN: Die Queen hat den Film mittlerweile sehr gelobt. War das Königshaus beim Dreh eine große Hilfe?
Firth: Machen Sie Scherze? Drehbuchautor David Seidler hatte einstens bei der Queen Mum, also der Frau von George VI., angefragt, ob sie ihm ein paar Sachen erzählen könnte. Die Reaktion: Diese Ereignisse wären zu schmerzhaft, der Buckingham-Palast würde es nicht unbedingt gern sehen, wenn man daraus einen Film machen würde. Also musste David Jahrzehnte warten. So weit zum Kooperationswillen der Royals. Und dann brauchte es auch noch einige Zeit, bis die erste Klappe gefallen war.
OÖN: Warum?
Firth: Was glauben Sie? Das Geld. Sie haben keine Ahnung, wie viele Produktionsfirmen das Projekt abgelehnt haben. So oft hat man selten „No! No! No!“ gehört. Klar: Keine jungen Leute im Film. Keine Konzessionen an den Schönheitswahn. Keine Action, kein Sex, dafür zwei Männer mittleren Alters mit langen Dialogen.
OÖN: Mit jeder Stunde rückt die Oscar-Verleihung näher. Denken Sie manchmal daran?
Firth: Man könnte es als „distanziertes theoretisches Denken“ bezeichnen.
Die OÖN-Filmkritik zu "The King's Speech" lesen Sie hier!