Rettung durch geschmackvolle Bildung
Die Frankfurter Buchmesse begeisterte 275.000 Besucher für Literatur und Inhalte.
Der Buchmarkt hat sich lange genug selbst bedauert. Das alles geschah in der Panik, die digitale Revolution könnte ihn vom Markt wischen. Und was ist geschehen? Das Gegenteil. Als hätten die unterschiedlichen Darreichungsformen von Inhalten eine Blütezeit der Buchbranche angestoßen, ließen sich an fünf Tagen der gestern zu Ende gegangenen Frankfurter Buchmesse 275.000 Besucher in der fantastischen Unübersichtlichkeit der Veranstaltung treiben und entdeckten neue, eigensinnige Verlage, spezielle Bücher und bisher nicht wahrgenommene Autoren. Metaphorisch für den sich – so scheint’s – neu aufbäumenden Markt steht das gewichtigste Buch der Messe: Der auf 9000 Exemplare limitierte 498-Seiten-Bildband des britischen Jahrhundertkünstlers David Hockney aus dem Taschen-Verlag ist 50 mal 70 Zentimeter groß, er wiegt 35 Kilo und kostet 2000 Euro. Der 79-Jährige ist selbst angereist, um etwas angestrengt und vor Publikum die riesigen Seiten umzublättern. Die Darbietung machte als Bekenntnis des Buches zu seiner Rolle als unverzichtbarer Teil der Innenarchitektur Eindruck.
Die digitale Bedrohung spornte die Verlage an, die Bücher ansehnlicher zu gestalten. Das war Teil ihrer Rettung. Früher bedeuteten Bücher Auswege aus der Sprachlosigkeit, sie waren Grundnahrungsmittel der Bildungsbürger. Heute erwirbt man mit ihnen Geschmack. Das einst so gefürchtete E-Book grundelt bei einem Marktanteil von fünf Prozent herum.
Bin Ladens Ende
Donna Leon, eine Bildungsbürgerin von altem Zuschnitt, kann über derlei nur grinsen. Sie feierte in Frankfurt Silberhochzeit mit ihrem Commissario Brunetti – sein 25. Fall "Ewige Jugend" ist jüngst erschienen. Sie habe weder Internet noch Handy, "ich habe nur mein Leben", sagt die 74-Jährige im Gespräch mit den OÖN. Die meisten anderen Autoren fühlten sich nicht mehr unter Druck, das digitale Leben zu negieren, vielmehr riefen sie das Wesen ihrer Texte in Erinnerung, worauf die Messe zuletzt beinahe vergessen hatte. So führte der niederländische Weltbestseller-Autor Leon de Winter auf beglückende Weise seinen neuen Roman "Geronimo" aus. Nicht dem legendären Apachen-Häuptling sei er darin nachspaziert, sondern dem gleichlautenden Codenamen für Osama Bin Laden und wie es zu dessen Tötung durch US-Soldaten kam.
In Exerzierplatz-Lautstärke trommelte der 1976 ausgebürgerte DDR-Liedermacher Wolf Biermann (79) seine falsch als Autobiografie ausgelobten Lebenserinnerungen über das Messegelände. Tatsächlich ist sein "Warte nicht auf bessre Zeiten!" ein poetischer DDR-Schelmenroman mit zeitgeschichtlichem Erhellungspotenzial.
"Dylan ist glücklich"
Und während die Branche ebenfalls werbewirksam darüber stritt, ob Bob Dylan ein rechtmäßiger Literatur-Nobelpreisträger sei, nahm im Konrad-Adenauer-Saal des Prunkhotels Villa Kennedy Bruce Springsteen Platz, um seine Autobiographie "Born To Run" anzupreisen. Demütig wirkte der seit seiner Jugend von Depressionen geplagte Musiker, in aller Bescheidenheit denke er über die Rolling Stones, "dass das jene Leute sind, die meinen Job erfunden haben". Und warum sich Dylan bisher zum Nobelpreis nicht geäußert habe? Springsteen: "Ich bin sicher, dass er glücklich ist."
In den Hallen der technischen Machbarkeiten stellten Online-Buchhändler eine neue Virtual-Reality-Brille vor, mit der jeder Käufer wie in realen Geschäft herumstöbern könne. 1000 Euro kostet das Gerät, dazu kommen die Kosten für die Software. Zu Büchern sind über Kopfhörer Leseproben und Videos abrufbar.
Der stationäre Handel Österreichs fürchtet sich davor nicht. Er setzt stabil 815 Millionen Euro pro Jahr um, mehr als 15.000 Mitarbeiter sind in der Branche beschäftigt. Am stärksten wachsend ist das Geschäftsmodell Self-Publishing. Bei Büchern im Eigenverlag steigt dementsprechend die Professionalität – vom Cover bis zu verwendeten Fotos und Grafiken. Also stellte der Dachverband der deutschen Buchbranche dem Self-Publishing erstmals eine eigene Bühne hin. An prominenter Stelle in Halle 3.1 wurden rund 1200 Bücher von 800 Autoren ausgelegt. Ein Autor, der dort vorkommen wollte, musste 99 Euro bezahlen. Natürlich geht es auf einer Messe in erster Linie ums Geschäft.
Jeder Hinz und Kunz meint heutzutage, ein Buch schreiben zu müssen. (ich übrigens auch ).
Hunderte Manuskripte landen wöchentlich auf den Tischen der Verlage.
Die Auswahlprinzipien sind wohl
Freunderlwirtschaft - willkommen in ö
Eine gewisse Prominenz, bevorzugt c bis y
Krimis fern der Realität, Hauptsache ein skuriler Kommissar in einer undurchsichtigen Geschichte mit häuslichen Problemen.
Nun auch verstärkt Ausländerschicksale, möglichst von Moslems.
Deutschkenntnisse oder Satzformulierungen sind nebensächlich.