Im Dienste der Königin
SANKT FLORIAN/LOHNSBURG. Die Orgelbauer von St. Florian: Anton Bruckners Grabesort ist die Hochburg einer langsam aussterbenden Handwerkskunst.
Dieses hohe C hat schon bessere Tage erlebt. Orgelbaumeister Franz Windtner zieht das Prinzipal-8-Register ("Der Oberchef, die Hauptstimme jeder Orgel") und schlägt die Taste der Kirchenorgel in Lohnsburg am Kobernaußerwald an. In die 16,6 Grad kalte Luft der Kirche dringen wehklagende Laute. Langsam wird es besser und besser, bis eine Stimme sagt: "Passt." Die Stimme von Christian Hartinger. Mit seinem Stimmeisen hat er, ebenfalls Orgelbaumeister und Windtners Nachfolger, die Pfeifenlänge fast unmerklich manipuliert. Jetzt sitzt der Ton.
So geht das schon seit Tagen, denn die marode Lohnsburger Orgel hat 700 Pfeifen. Die Misstöne haben verschiedene Ursachen. "Jede kleine Fliege, die in der Pfeife verendet, verstimmt die Orgel. Wir holen aber auch Tauben oder Mäuse heraus. Auch einen Marder habe ich schon in einer Orgel gefangen", erzählt Windtner. Sieben Wochen lang arbeitet das Duo hier, putzt, repariert und intoniert, am 25. Oktober werden die Lohnsburger ihre Orgel feierlich "wiedereröffnen".
Franz Windtner restaurierte soeben die Orgel von Lohnsburg
Gesteckt, nicht geleimt
Auch in der Pfarrkirche "Heilige Familie" in Wels wartet das Kirchenvolk auf eine Orgel. Die entsteht gerade in Christian Köglers Orgelbauwerkstatt in St. Florian. Der 51-Jährige hat sie geplant und jetzt wird sie Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt – ein ganzes Jahr lang. Die Königin der Instrumente kostet auch: Etwa den Gegenwert eines (sehr großen) Einfamilienhauses. Alles machen Kögler und seine neun Mitarbeiter selber, vom Holzkörper aus Eiche und 29 Registern über die Windladen und das Gebläse bis hin zu den Orgelpfeifen. Wie viele? "Typische Journalistenfrage", lächelt Kögler, der die Werkstatt von seinem Vater übernommen hat, milde und lässt sie unbeantwortet.
Viel wichtiger ist ihm, dass seine mechanisch betriebenen Orgeln – sie stehen unter anderem in Österreich, Finnland oder Schottland) – nagel-, schrauben- und leimfrei sind. "Alles nur gesteckt." Orgelbauer müssen viel können, sie sind eine Berufsverschmelzung aus Tischlern, Schreinern, Sattlern, Feinmechanikern, Schmieden, Spenglern, Elektrikern und Musikern. Bespielen müssen sie die Königin nicht unbedingt können, hören sehr wohl.
Köglers Orgelphilosophie: Keine Schrauben, keine Nägel, alles gesteckt – auch nicht in der Koppelmechanik (Bild).
Die Gemeinde der Orgelbauer und -restaurierer im Land ist kaum eine Handvoll groß, gleich zwei davon gibt es im Stiftsort. "Daran ist der Bruckner schuld", sagen Kögler und Windtner (der Cousin des ÖFB-Präsidenten Leo) unisono. In der Stiftsbasilika steht die berühmte Brucknerorgel und der Meister hat sich unter seinem Instrument begraben lassen. 1996 hat Kögler - finanziert mit Spendengeldern der OÖN-Lesergemeinde - ein ganzes Jahr lang an der Brucknerorgel Hand angelegt, sie völlig zerlegt, restauriert und wieder zusammengebaut. Sein Urteil? "Sagen wir so, es ist eine weltberühmte Orgel."
500 Jahre nach dem ersten Ton
Ob die Orgel der Heiligen Familie weltberühmt werden wird, kann er nicht sagen, das technische Zeug dazu wird sie haben. Etwa 500 Jahre soll sie spielbar bleiben: "Und dann hoffe ich, dass ein Restaurator kommt und sagt: ,Sehr gute Arbeit’", sinniert Christian Kögler.
Auf einen Moment im Februar, März kommenden Jahres freut sich der Florianer besonders. Dann nämlich wird er auf der neuen Orgel den perfekt klingenden, ersten Prinzipal (Hauptton) anschlagen: "Das ist für einen Orgelbauer ein erhabener Moment."
Das wird die künftige Orgel der Kirche „Heilige Familie“ in Wels.