"Ich bin schlecht darin, betteln zu gehen"
Barbara Novotny muss das Linzer Landestheater nach zehn Jahren verlassen.
Ab September wird Stephan Suschke neuer Schauspiel-Chef am Linzer Landestheater sein. Der 57-jährige Deutsche plant ein Ensemble mit 24 Personen (bisher 29). 18 Verträge werden nicht verlängert. Auch die Wienerin Barbara Novotny muss sich nun eine neue Bühne suchen.
OÖNachrichten: Stimmt es, dass Sie nur wegen Verletzungen, die Sie sich beim Ballett-Studium zugezogen haben, zum Schauspiel gekommen sind?
Barbara Novotny: Es war die Hüfte, ich konnte ohne Schmerzen kaum noch gehen – und wenn man dann mit 17 von einem Arzt gesagt bekommt, dass die Hüfte operiert werden muss, dann sollte man sich was überlegen. Ich wollte zum Ballett, weil mich mein Vater (Walter Gellert, bis 2003 Kulturchef von Radio Ö1, Anm.) schon früh in die Staatsoper mitgenommen hat. Ich habe im Reinhardt-Seminar studiert, und Linz war mein erstes Engagement.
Es heißt, der neue Schauspielchef suche für das Ensemble vor allem österreichische Schauspieler. Sie sind Österreicherin und 34 Jahre alt – wurde es begründet, warum Sie gehen müssen?
Nein, das läuft anders. Die Verantwortlichen sehen sich die Arbeit der Schauspieler an, es gibt Fristen, bis man erfährt, ob man bleiben darf. Ich hatte ein Gespräch mit Herrn Schneider (der neue Intendant, Anm.) und Herrn Suschke, das war es. Das ist Teil unseres Jobs, das weiß man, sobald man sich darauf einlässt. Gerade in der Kunst muss man mit Leuten arbeiten, mit denen die Chemie stimmt. Nach zehn Jahren könnte man auch sagen: Es ist eh Zeit.
Kollegen von Ihnen, deren Verträge auch nicht verlängert werden sollten, haben private Verwurzelung in Linz oder ihre schulpflichtigen Kinder geltend gemacht und können jetzt doch bleiben. Haben Sie jemals an solche Argumente gedacht?
Nein, die Situation mit Kindern ist sicher auch anders. Ich möchte einfach, dass ein Chef mit mir arbeiten will, weil er mich schätzt. Ich bin schlecht darin, betteln zu gehen. Eine Zusammenarbeit muss aus einem beidseitigen Wollen entstehen – und nicht deshalb, weil es mir besser in mein Leben passt. Ich kannte das schon von der Ballettschule: Man kommt zusammen, man arbeitet zusammen, und dann zerstreuen sich die Leute wieder in alle Winde.
Gibt es eine Linzer Produktion, die für Sie außergewöhnlich in Erinnerung bleiben wird?
"Sweeney Todd" zum Beispiel, das war für alle Beteiligten unvergesslich. Es war großartig, aber mit riesigem Potenzial, schiefzugehen. Ich hab’ dafür eigens Harfe gelernt – ohne dieses Stück wäre ich nicht auf dieses Instrument gekommen. Aber glauben Sie mir, die Liste sehr schöner Produktionen ist lang. Natürlich gab es Phasen, in denen ich nicht so viel zu tun hatte, aber das gibt es in anderen Berufen auch.
Viele deutsche Schauspieler drängen auf die österreichischen Bühnen – erleben Sie das als Konkurrenz?
(lacht) Am auffälligsten war es auf der Schauspielschule, wo man von deutschen Kollegen gesagt bekam, dass man zuerst richtig Deutsch lernen soll. Das hat sich aber aufs Studium beschränkt, weil zu diesem Zeitpunkt jeder seinen Dialekt loswerden muss. Im Beruf ist es nur wichtig, wenn die Rolle explizit die österreichische Sprache erfordert.
Ist ein fixes Schauspiel-Engagement inzwischen ein Privileg?
Ja, weil es mittlerweile echt schwierig ist. Das war schon so, als sich der Linzer Schauspiel-Chef Gerhard Willert glücklicherweise bei mir gemeldet hat. Wir haben im Reinhardt-Seminar gewitzelt, wer sich schon bei McDonald’s vorstellen war. Klar wäre ich lieber nach Deutschland gegangen – Hauptsache, weit weg. Die Qualitäten von Linz habe ich aber sehr schnell schätzen gelernt, sonst wäre ich nicht zehn Jahre geblieben.
Zur Person
Barbara Novotny kam 1982 in Wien zur Welt, von 1989 bis 1998 wurde sie an der Ballettschule der Österreichischen Bundestheater ausgebildet, 1998/99 Studium an der Ballettakademie „Heinz-Bosl-Stiftung“ in München. 2002– 2006 Studium am Max-Reinhardt-Seminar (Rollenlehrer: Günter Einbrodt, Klaus Maria Brandauer, Karlheinz Hackl, Michael König, Bernd Birkhahn), 2006 „Quartett-Preis“ für „Überlebensgroß Herr Krott“ beim Schauspielschultreffen in München.
Aktuell ist Novotny im Landestheater in „Floh im Ohr“ und „Der Talisman“ zu sehen, ab 24. März auch in Molières „Tartuffe“.
Warum müssen so viele Schauspieler/innen das Theater verlassen, nur weil ein neuer Intendant kommt? Das ist nicht einzusehen. Jeder Fußballtrainer, der eine Mannschaft übernimmt, muss mit der vorhandenen Mannschaft sein Können beweisen. Das Argument "das ist beim Theater halt so" zählt nicht, man kann Dinge auch ändern. Dass es auch anders geht hat Rainer Mennicken bewiesen, als er nach Linz kam. (Der Erfolg gibt ihm recht). Die Zuschauer haben ihre "Lieblingsschauspieler/innen" - dazu gehört sicher auch Barbara Novotny. Müssen diese das Theater verlassen, wird es zu einem Zuschauerschwund kommen. Und was die deutsche Sprache betrifft haben wir auch schon im Burgtheater erlebt, dass (deutsche) Schauspieler "nee" und "nich" statt "nein" und "nicht" gesagt haben. Wir sind aufgestanden und gegangen. Ist das auch die Zukunft am Linzer Landestheater?
Gottfried Selgrad, Linz
Kann es sein dass man hier auch schon mit sog. Objektivierungen das Personal aussucht?
Dann weiss man wohl wie hier der Hase läuft oder?
Sehr geehrte Kulturdirektion,
Mit Bedauern musste ich heute aus Ihrer Zeitung erfahren, dass der Vertrag der von mir sehr geschätzten Schauspielerin Barbara Nowotny am Landestheater nicht verlängert wurde. Ich habe Frau Nowotny in etlichen Produktionen erlebt, wobei mir besonders ihr komödiantisches Talent immer Freude gemacht hat. Bei aller Wertschätzung der deutschen Ensemblemitglieder denke ich außerdem, das einem österreichischen Theater durchaus auch Schauspieler/innen mit Wiener Hintergrund gut zu Gesicht stehen würden.
Ich wünsche Frau Nowotny für ihre Zukunft alles Gute, sie wird ihren Weg sicher weiterhin erfolgreich gehen.
Freundliche Grüsse
Herbert Vorbach