Übernahme der Credit Suisse wohl noch am Sonntag: "Das Haus brennt jetzt lichterloh"

ZÜRICH. Die UBS könnte eine Milliarde Dollar für die Übernahme der Credit Suisse bieten. Der Linzer Ökonom Friedrich Schneider sieht eine "höchst dynamische" Entwicklung. Österreichs Finanzministerium berät mit Experten.
Laut "Financial Times" hat die UBS angeboten, die taumelnde Credit Suisse um bis zu eine Milliarde Dollar zu übernehmen. Das wären rund 0,25 Franken pro Aktie. Der Schlusskurs vom Freitag lag bei 1,86 Franken. Banken, Behörden und Regierungsmitglieder in der Schweiz verhandeln unter hohem Zeitdruck über die Rettung der Credit Suisse. Das Geschäft soll offenbar bis Sonntagabend fixiert werden.
Das sei auch notwendig, wie der Linzer Ökonom Friedrich Schneider sagt: "Es braucht eine Lösung, bevor die Börsen in Asien öffnen." Es gebe eine "höchst dynamische" Entwicklung. Probleme bei der Credit Suisse seien schon lange bekannt, jedoch sei zu lange nur zugeschaut worden, "jetzt brennt das Haus lichterloh, man muss löschen und versuchen, die Substanz zu retten." Offenbar seien nicht genug Lehren aus der Finanzkrise 2007 bis 2009 gezogen worden.
Ob die Übernahme durch die UBS eine gute Lösung sei, sei nicht sicher, so Schneider. "Man wird sehen, ob die UBS in der Lage ist, diese große Bank zu schlucken." Noch größere Banken zu kreieren, sei jedenfalls nicht erstrebenswert. Eine eventuelle Verstaatlichung würde wohl der Schweizer Regierung widerstreben.
Österreichs Finanzministerium teilt auf OÖN-Anfrage mit, dass man "laufend im Austausch mit den Experten" stehe. "Diese versichern uns, dass große Auswirkungen auf österreichische Banken nicht zu erwarten sind. Wir werden die Lage jedoch weiterhin genau beobachten."
Die Nachrichtenagentur "Bloomberg" berichtet, Credit Suisse wehre sich mit Unterstützung ihres größten Aktionärs gegen das Angebot von UBS über eine Milliarde, da das Institut zuletzt an der Börse noch acht Milliarden wert war. Die Verhandlungen seien zäh, erklärte ein Insider. Mit der von den Schweizer Behörden geforderten Transaktion sollen auch schwere Erschütterungen im internationalen Finanzsystem verhindert werden.
Medienberichten zufolge streben grundsätzlich alle Seiten eine Übernahme der Credit Suisse durch die größte Bank UBS an, bevor die Börsen öffnen. Die Notfusion werde wohl zustandekommen, berichtete die allgemein gut informierte Boulevardzeitung "Blick". Die Übernahme der zweitgrößten Bank durch die UBS soll demnach im Laufe des Tages bei einem außerordentlichen Treffen in Bern besiegelt werden, bei dem Regierung und Führungskräfte der Banken zusammenkommen. Später solle dann die Öffentlichkeit informiert werden.
Der "Financial Times" zufolge verhandelt UBS darüber, die Rivalin mit dem Segen der Schweizer Aufsichtsbehörden ganz oder anteilig zu übernehmen. Eine Einigung stehe möglicherweise kurz bevor, es gebe aber "keine Garantie", berichtete das Blatt am Samstag.
Eine Fusion dieser Größenordnung, bei der es um die vollständige oder teilweise Übernahme einer Bank geht, die bei den Anlegern zunehmendes Unbehagen hervorruft, würde normalerweise Monate dauern. Der UBS blieben nur einige Tage Zeit. Sie hatte sich lange dagegen gesträubt - laut "Blick" wurde jedoch der Druck, eine rasche Lösung zu finden, zu groß, und die Behörden sahen sich zum Einschreiten gezwungen.

Staatliche Garantien
Ein Kauf dieser Größe ist eine komplexe Angelegenheit: Die Großbank bräuchte staatliche Garantien, um Rechtskosten und potenzielle Verluste zu decken, wie die Finanznachrichtenagentur Bloomberg berichtete. Zudem könnte die Übernahme der zweitgrößten Bank des Landes durch die größte Bank bei der Schweizer Wettbewerbskommission für Stirnrunzeln sorgen.
Credit Suisse, die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Schweizer Finanzaufsicht Finma wollten die Berichte über eine mögliche Übernahme durch UBS zunächst nicht kommentieren. Auch die Regierung wollte sich nach einer erneuten Krisensitzung am Samstagabend nicht äußern, wie die Schweizer Nachrichtenagentur sda berichtete.
Alles deute aber "auf eine Schweizer Lösung am Sonntag" hin, schrieb "Blick": "Wenn am Montag die Schweizer Börse öffnet, könnte die Credit Suisse Geschichte sein."
Druck aus dem Ausland groß
Die Schweizer "SonntagsZeitung" sprach von der "Fusion des Jahrhunderts". Das Undenkbare werde wahr, die Credit Suisse stehe vor der Übernahme durch die UBS, schrieb das Wochenblatt. Demnach sahen Regierung, Finma und SNB keine andere Möglichkeit: Der Druck aus dem Ausland sei zu groß geworden - und die Angst, dass die taumelnde Credit Suisse eine globale Finanzkrise auslösen könnte.
Die UBS und die Credit Suisse gehören zu den 30 Banken weltweit, die als "too big to fail" eingestuft werden, da ihre Insolvenz eine verheerende Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft haben würde.
Die Credit Suisse war nach einer Reihe früherer Skandale zuletzt weiter unter Druck geraten - unter anderem durch die Schließung der beiden US-Banken Silicon Valley Bank und Signature Bank, die den Sektor beunruhigt hatten. Äußerungen des größten Anteilseigners aus Saudi-Arabien, der Saudi National Bank, die Investitionen in das Schweizer Institut nicht erhöhen zu wollen, schickten den Kurs dann auf Talfahrt.
Trotz massiver Unterstützung durch die SNB brach der Kurs der Credit Suisse nach kurzer Erholung am Freitag erneut ein. Jetzt wird mit Spannung erwartet, ob die Großbank ein weiteres Abrutschen vermeiden kann, wenn am Montag um 09.00 Uhr MEZ der Handel an der Schweizer Börse beginnt.
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