"Auf Krisenzeiten folgen sehr gute Börsenjahre"

LINZ. Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank, über Konjunktur, Zinsen und "stärkere Rumpler" an den Aktienmärkten.
Die wirtschaftliche Entwicklung könnte heuer besser werden als erwartet, sagt Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, im OÖNachrichten-Interview. Finanzbildung sei "extrem wichtig" und in Österreich ausbaufähig.
OÖNachrichten: Ukraine-Krieg, Energiekrise, Wirtschaftsabschwung: Was bedeutet dieses schwierige Umfeld für die internationalen Börsen?
Heinrich Schaller: An allen Börsen gab es Einschnitte. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Was Börsen überhaupt nicht mögen, ist Unsicherheit. Und die wirtschaftlichen Voraussetzungen haben sich aufgrund des Ukraine-Krieges drastisch zum Negativen verändert. Europa wird die Region sein, die am meisten darunter leidet. Es hängt vom Thema Energie ab: Wo bekommt Europa die Rohstoffe her – und zu welchen Preisen? Derzeit geht es aber vielen Unternehmen nach wie vor gut. Wir sind positiv überrascht, dass wir das knappe Jahr seit Beginn des Krieges so über die Runden gebracht haben.
Die Konjunkturaussichten scheinen sich aktuell etwas zu verbessern, wenn man sich nationale und internationale Stimmungsindikatoren ansieht. Könnte 2023 besser werden als befürchtet?
Ja, ich glaube schon. Einige Ökonomen gingen relativ fix von einer Rezession aus. Wir waren immer der Meinung, dass sich ein ganz kleines Wachstum ausgehen sollte. Wenn man sich die Stimmung bei den Unternehmen jetzt anschaut, ist sie etwas positiver. Österreich, vor allem Oberösterreich, ist Exportkaiser. Wenn sich die Wirtschaft in anderen Regionen schneller erholt, werden wir profitieren. Ich hoffe, dass das eintritt. Ich rechne mit leichtem Wachstum 2023, auch wenn es in den ersten Monaten schwieriger werden könnte.
Der Leitindex der Wiener Börse, der ATX, hat im Vorjahr fast 20 Prozent verloren, im Jahr davor war es ein Plus von 40 Prozent gewesen. Wie geht es heuer weiter?
In den ersten Tagen des Jahres hat sich die Wiener Börse sehr gut entwickelt. Schwergewichte im ATX haben sich erholt. Das ist ein positives Zeichen. Ich bin zuversichtlich, dass der ATX nach oben gehen wird – nicht extrem, und es wird Aufs und Abs geben, was bei einer Börse nichts Außergewöhnliches ist. In dem Moment, wo Meldungen kommen sollten, dass sich die wirtschaftlichen Aussichten doch wieder deutlich verschlechtern, könnte es stärkere Rumpler nach unten geben. Ich glaube aber, dass man diese wieder gut aufholen wird.
Wie soll man sich als Anleger in dieser unsicheren Zeit verhalten?
Wenn man das Börsengeschehen lange beobachtet, sieht man, dass auf Krisenzeiten immer sehr gute Börsenjahre folgen. Wenn man genug Atem hat und sich das auch leisten kann, sind Investitionen in Aktien zu einem solchen Zeitpunkt längerfristig gesehen sehr positiv. Das glaube ich auch diesmal.
Wie weit wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen noch erhöhen?
Ich halte es für höchstwahrscheinlich, und es gibt auch schon Ankündigungen von EZB-Ratsmitgliedern, dass wir weitere Zinserhöhungen sehen werden, wenn auch nicht mehr so stark wie voriges Jahr. Weil es sonst nicht möglich ist, die Inflation stark einzudämmen. Ob sich das auch auf die langfristigen Zinsen auswirken wird? Da wäre ich vorsichtiger. Diese sind schon wesentlich früher gestiegen. Wenn absehbar ist, dass die Zentralbank früher oder später die Zinsen wieder senken wird, bleiben die langfristigen Zinsen stehen oder gehen nur noch sehr gering nach oben. Viele reden schon wieder darüber, ob die EZB übertreibt. Ich bin der Meinung: bei weitem nicht. Wenn sich die Wirtschaft zu erholen beginnt, wird sie die Zinsen relativ bald wieder etwas nach unten drehen. Ich bin ein Verfechter davon, dass das nicht zu bald sein darf. Die Amerikaner haben uns zwei Mal vorgezeigt, wie es nicht geht, als sie viel zu bald mit Zinssenkungen begonnen haben und die Inflation dann durch die Decke ging. Auch wenn das schon lange her ist: Man muss aufpassen.
Wie reagieren die Aktienmärkte auf die Zinspolitik?
Es gibt die alte Regel: Steigende Zinsen bedeuten fallende Kurse. Die Aktienkurse haben aber schon viel vorweggenommen, daher würde ich mich davor nicht mehr allzu sehr fürchten.
Das Börsespiel wurde ins Leben gerufen, um die Finanz- und Wirtschaftsbildung zu verbessern. Wie ist es darum aus Ihrer Sicht in Österreich bestellt?
Insgesamt schlecht – wobei ich natürlich sehr begrüße, dass es auch engagierte Lehrer gibt, die das Thema aufgreifen und den Schülern Wissen darüber vermitteln. Der Zweck des Börsespiels ist, die jungen Leute mit der Materie zu befassen. Wenn man das eine Zeit lang macht, versteht man wesentlich mehr, was sich an Börsen abspielt, wie viele Risiken und Chancen drinnen sind. Ich halte es für extrem wichtig, dass Lehre über Finanzen in den Schulplänen verankert wird. Jeder von uns kommt früher oder später in die Situation, sich mit Finanzen auseinanderzusetzen, egal ob bei Veranlagungen oder Krediten.
Zwei Monate dauert das Börsespiel. Man sollte in so einem kurzen Zeitraum eher risikofreudig sein, um etwas zu gewinnen. In der realen Welt sollte man aber langfristig denken.
Man sollte immer darauf hinweisen, dass es ganz wichtig ist, in welcher Situation man gerade selbst ist. Bei langfristiger Veranlagung sollte man nicht nur schauen, dass man in zwei Monaten viel Gewinn herausholt, sondern in fundamental gute Unternehmen investiert, die auch Dividenden abwerfen.
Wann sind Sie selbst zum ersten Mal mit Finanzmärkten und Börsen in Berührung gekommen?
Als 16/17-Jähriger im Gymnasium. Da gab es Wirtschaftskunde als Wahlpflichtfach. Da haben wir etwas darüber gehört.
Und wie legen Sie Ihr Geld an?
Ich bin ein Fan von Fonds, weil sich da andere darum kümmern und ich selbst nicht viel Zeit dafür aufwenden muss.
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