Experten befürchten neuerliche "systemkritische Situation"

WIEN/LINZ. Gesundheitsminister Rauch sieht keine Notwendigkeit für schärfere Maßnahmen.
Auch die Situation auf den Normalstationen solle ein Parameter für die Beurteilung der Pandemie sein – mit dieser Forderung ließ Corona-Experte und Lungenprimar Bernd Lamprecht gestern aufhorchen. Denn gerade dort sei man wieder "sehr hohen Belastungen" ausgesetzt.
Er teilt damit die Einschätzung, von Tilman Königswieser, Ärztlicher Direktor des Salzkammergut-Klinikums, gegenüber den OÖN: "Vom Normalbetrieb sind wir weit entfernt."
Für Lamprecht erklärt sich dieser neuerliche Krisenmodus durch die "deutliche Diskrepanz" der einerseits herrschenden "scheinbaren Normalität" mit dem Wegfall der Einschränkungen und der Situation in den Krankenhäusern. Für eine Wiedereinführung der Maßnahmen spricht er sich aber nicht aus, da Lamprecht sich davon "keinen Erfolg" verspricht: "Mit dem Aussetzen der Impfpflicht ist signalisiert worden, dass man ohne strenge Maßnahmen auskommt."
Eine systemkritische Situation befürchtet auch Epidemiologin Eva Schernhammer. Die Öffnungsschritte seien wohl zu früh gekommen, so die Expertin: "Man hätte sie wahrscheinlich erst setzen dürfen, wenn ein stabiler Abwärtstrend sichtbar ist."
"Nicht optimal vorbereitet"
Der enorme Anstieg der Neuinfektionszahlen hat laut Simulationsforscher Niki Popper zwei Gründe: die Aufhebung der Maßnahmen und die Omikron-Subvariante BA.2, die sich stärker als erwartet ausbreitet. Kritisch sieht er vor allem die Aufhebung der Maskenpflicht und der Homeoffice-Regelung: "Schon damals haben wir gesagt, es ist nicht ganz einzusehen, warum das ohne Not so dringend ist, die Masken aufzuheben." Man sei in eine Situation gestolpert, "wo wir ein weiteres Mal nicht optimal vorbereitet waren."
Die Situation in den Krankenhäusern war gestern auch zentrales Thema der Videokonferenz der Gesundheitslandesräte mit dem neuen Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Denn in allen Bundesländern führt der massive Personalausfall in den Spitälern bereits zu einer Reduktion von Leistungen. Eine Verschärfung der Maßnahmen war aber kein Thema.
Man beobachte den Höchststand an Infektionen sehr genau, so Rauch gegenüber den OÖNachrichten. Wichtig sei aber, den Blick auf die Lage in den Spitälern zu richten. Dort liege man auch auf den Normalstationen deutlich unter dem Höchststand im November 2020: "Eine Überlastung des Gesundheitssystems ist derzeit nicht absehbar."
"Nicht mehr zu verhindern"
Diese Einschätzung teilt man auch in Oberösterreich. "Der Höhepunkt der Welle wird rund um den 20. März erwartet. Keine Maßnahme wäre so schnell umsetzbar, dass dies noch verhindert werden könnte", erklärt Landeshauptmann-Stellvertreterin Gesundheitsreferentin Christine Haberlander (VP) mit Verweis auf die Beratungsgremien des Landes.
Wie heikel das Thema Maßnahmenverschärfung ist, zeigte auch am Donnerstagabend die Verwirrung um die Empfehlung der Ampel-Kommission. Erst war von der Wiedereinführung von Maßnahmen die Rede, dann von "geeigneten Präventionsmaßnahmen". Der Grund für die Änderung war laut Sitzungsteilnehmern ein Anruf aus dem Bundeskanzleramt. (eiba)
Steigende Fallzahlen auch an den Schulen
Die steigenden Coronazahlen machen sich auch an den Schulen bemerkbar. In dieser Woche wurden knapp 19.000 positive PCR-Tests registriert, das sind deutlich mehr als in der Vorwoche (rund 14.000). Insgesamt schlugen 1,6 Prozent der Tests an. Österreichweit sind acht Schulen komplett sowie zusätzlich 856 Klassen ganz oder teilweise gesperrt.
In Oberösterreich hat man auf die steigenden Zahlen reagiert. Bei fünf positiven PCR-bestätigten Fällen heißt es wieder für die ganze Klasse ab ins Distance Learning. Aktuell sind die Schüler von 60 Klassen aus diesem Grund derzeit zu Hause.
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