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Swap-Debakel der Stadt Linz: Ein Überblick

Von Dietmar Mascher und Wolfgang Braun, 20. Juli 2011, 00:04 Uhr
Frankenkredit
Swap-Debakel der Stadt Linz Bild: lb/colourbox

LINZ. Der Stadt Linz läuft beim Swap-Geschäft die Zeit davon. Die OÖNachrichten liefern Rück- und Ausblick zum gefährlichen Spiel mit Zeit und Geld.

 Mehr als 27 Millionen Euro müsste die Stadt Linz der Bawag im Herbst an Zinsen überweisen, wenn der Franken so stark bleibt wie derzeit. Und während die Staatsanwaltschaft gegen Finanzstadtrat Johann Mayr und den ehemaligen Finanzdirektor Werner Penn wegen des Verdachts der Untreue ermittelt, stellt sich für die Linzer Stadtpolitik die Frage, wie sie die Verluste in möglichst geringem Rahmen aus dem Geschäft hält, das noch bis zum Jahr 2017 läuft und ein nicht begrenztes Risiko in sich birgt.

Sollte die Stadtpolitik das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft abwarten wollen, kann es eng werden. Nach Auskunft der Justizbehörde ist mit einem raschen Ende der Ermittlungen schon allein urlaubsbedingt nicht zu rechnen.

Nach wie vor stellt sich die Frage, ob die Stadt Linz ihre Klage gegen die Bawag wegen behaupteter Ungültigkeit des Geschäfts einbringen oder ob sie im Herbst die Zahlung verweigern und sich klagen lassen soll. Viele Juristen gibt es freilich nicht, die der Stadt große Chancen auf einen Prozessgewinn gegen die Bawag einräumen.

Diskutiert wird immer wieder ein möglicher Vergleich zwischen Stadt und Bawag. Dabei müssen beide bluten, denn der Swap ist ein von der Bawag nur weiter verkauftes Produkt einer vermutlich deutschen Bank, für das auch sie Sicherheiten in dreistelliger Millionenhöhe namhaft machen musste.

Kontoöffnung, Einvernahme der Stadtpolitiker: Ein Untreue-Verfahren mit Elsner-Dimensionen

Finanzstadtrat Johann Mayr und der ehemalige Finanzdirektor werden im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft geführt. Der Verdacht lautet auf Untreue.

Etliche Zeugen wurden schon einvernommen. Bürgermeister Franz Dobusch (SP), Vizebürgermeister Erich Watzl (VP) und Magistratsdirektor Erich Wolny – allesamt Juristen – wurden von der Staatsanwaltschaft Linz bereits einvernommen. Auch Johann Mayr wurde als Beschuldigter schon ausführlich befragt. Fehlen noch Mitarbeiter der Bawag und Werner Penn.
Penn und Mayr werden in einer anonymen Anzeige an die Staatsanwaltschaft der Untreue bezichtigt. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Im Fall eines Schuldspruchs drohen freilich hohe Strafen. Wenn der Schaden über 50.000 Euro liegt, kann das Strafausmaß zehn Jahre Haft erreichen.
Ein heikler Paragraf
Den Schaden beziffert Dietmar Gutmayer von der Staatsanwaltschaft mit zig Millionen Euro. Denn der Schaden sind die Zinszahlungen der Stadt an die Bawag. „Hier geht es um Elsner-Dimension“, sagt ein prominenter Jurist über die Ausmaße des Strafverfahrens.
Der Untreue-Paragraf Nr. 153 im Strafgesetzbuch ist für Beschuldigte ziemlich heikel. Dabei geht es darum, ob jemand eine Befugnis, fremdes Vermögen zu verwalten, wissentlich missbraucht hat und einem anderen einen Schaden zufügt. Es ist also gar nicht notwendig, dass sich der Beschuldigte selbst bereichert hat.
Da es ganz offensichtlich einen Schaden gibt, wird die Staatsanwaltschaft prüfen, ob Mayr und Penn eine Befugnis wissentlich missbraucht haben oder ob sie tatsächlich getäuscht wurden, wie sie zuletzt behauptet haben.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in Kooperation mit dem Landeskriminalamt. Und auch wenn über Ermittlungen fast nichts nach außen dringt, ist zu hören, dass die Ermittlungen sehr ernst genommen und Beschuldigte wie Zeugen lange und penibel befragt wurden.
Bestätigt wurde, dass Kontoöffnungen stattgefunden haben und Terminkalender konfisziert wurden. Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt wird noch Werner Penn befragt werden. Bedingt durch die Urlaubszeit wird das Ermittlungsverfahren noch einige Wochen dauern, ehe über die weitere Vorgangsweise und eventuell eine Anklage entschieden wird.

 

Die Geschichte des Swaps – ein Sittenbild

Schon seit Beginn der neunziger Jahre ist die Stadt Linz in Schweizer Franken verschuldet. Strategie dabei war offensichtlich nie die Rückzahlung, sondern eine ständige Umschuldung zu möglichst günstigen Konditionen. Seit 2004 gab es Bestrebungen, das Zinsrisiko zu reduzieren. Ein Rückblick offenbart eine Budgetpolitik, die für die Stadt nicht unbedingt ein Renommee ist.

2004 Ausgangspunkt
für die Swap-Geschäfte der Stadt ist die mögliche Volatilität (Anfälligkeit für Kursschwankungen) des Schweizer Franken. Die Stadt Linz hat zu diesem Zeitpunkt eine 210-Millionen-Franken-Anleihe draußen. An eine Rückzahlung denkt niemand. Allerdings wird schon damals festgehalten, dass mit einer Aufwertung des Schweizer Franken zu rechnen sei. Die Stadtkämmerei unter Stadtrat Johann Mayr und dem neuen Finanzdirektor Werner Penn schlägt damals vor: „Es erscheint nunmehr überlegenswert, eine entsprechende Kurssicherung ins Auge zu fassen, zumal die Prognosen der Banken über die weitere Kursentwicklung sehr divergierend sind. Da der Abschluss dieser Finanzterminkontrakte sehr kurzfristig erfolgen muss, erscheint es notwendig, die FVV (Finanz- und Vermögensverwaltung der Stadt; Anm.) zu ermächtigen, Finanztermingeschäfte auch in ausländischer Währung abzuschließen.“ Dies wird im Gemeinderat beschlossen. Die ÖVP enthält sich, weil sie fordert, dass dem Finanzausschuss über die Geschäfte berichterstattet wird.

2005 Umschuldung
Die Anleihe wird am 6. Oktober in eine 195-Millionen-Franken-Anleihe umgeschuldet. Vertragspartner ist die Kommunalkredit. Laufzeit bis 14. 10. 2017.

2006 Schwarzes Loch?
Meinhard Lukas, von der Stadt Linz beauftragter Gutachter und Universitäts-Professor für Zivilrecht, spricht von einem schwarzen Loch im Sachverhalt. Es sei nämlich nicht feststellbar, wer die Idee hatte, mit den Swap-Geschäften anzufangen. Im Finanzausschuss ist von Fixzins-Swaps die Rede, die natürlich auch spekulativ sind, weil eine Partei damit darauf wettet, dass sie mit einem fixen Zinssatz besser fährt als mit einem variablen. Am 22. September präsentiert die Bawag eine Swap-Idee.
Zuvor informiert Penn den Bürgermeister via Mayr über ein mögliches Sicherungsgeschäft. Es ist das einzige Schriftstück im Akt, das einen tatsächlichen Informationsfluss von Penn zu Dobusch beweist.
Abgeschlossen wird der Swap Nr. 3976 über 20 Millionen Euro, der Ansicht einiger Experten „noch wahnsinniger als der jetzige war“, weil ihm kein Basisgeschäft zu Grunde lag. Es ist eine reine Wette.
Ende September unterzeichnet Dobusch einen Rahmenvertrag mit der Bawag über Finanztermingeschäfte. Ob dies nach Rücksprache mit versierten Juristen passiert, lässt sich zumindest nicht belegen. Der Rahmenvertrag enthält Vollmachten für Penn und seinen damaligen Stellvertreter Christian Schmid.

2007 Noch einmal probiert
Der erste Swap wird im September geschlossen. Anfang 2007 kommt es zur Anbahnung des umstrittenen Swap 4175. Laut Lukas-Gutachten gibt es regelmäßig Sitzungen zwischen Penn und Mayr. Die Sitzungen sind in den Akten der Stadt Linz nicht dokumentiert.
Am 31. Jänner schlägt eine Mitarbeiterin der Bawag einen Zinsswap vor, der eine spekulative Formel enthält. Linz entscheidet sich aber für eine noch riskantere Variante. 4175 wird am 12. Februar 2007 abgeschlossen. Penn schließt ab – per Mail, was an sich allerdings nicht ungewöhnlich ist.
Im September ist der Swap Thema im Finanzausschuss. Dabei wird so darüber gesprochen, als ob der Franken nicht stärker als 1,45 werden könnte. Mayr gratuliert Penn. Später prüft Kontrollamtschef Klug den Deal. Er warnt davor, dass der Swap nicht nur Gewinn, sondern auch Verluste bescheren kann. Die Dimension möglicher Verluste entgeht auch ihm.

2008 Probleme!
Im Jahr 2008 zeichnet sich ab, dass etwas schiefläuft. Von der Bawag gibt es ständig Angebote, aus dem Swap auszusteigen. Die Stadt weist dies aber zurück. Laut Mayr sind die Angebote viel zu teuer für die Stadt (allerdings wesentlich günstiger als alles, was die Stadt derzeit an Optionen hat; Anm.).

2010 Verluste
Die Zahlungen an die Bawag gehen bereits in die Millionen. weitere Gespräche über einen Ausstieg der Stadt scheitern.

2011 Noch mehr Verluste
Der Franken steigt und steigt. Die Stadt muss zweistellige Millionenbeträge an die Bawag abliefern. Penn muss als Finanzdirektor zurücktreten. Dobusch stellt sich vor Mayr. Nun sind Anwälte und Staatsanwälte am Zug.

 

Die Personen:

Franz Dobusch
Der Linzer Bürgermeister fürchtet, dass die Swap-Verluste seine politische Bilanz empfindlich trüben könnten und klammert sich daran, dass durch eine erfolgreiche Klage das größte Unheil für die Stadt und die SPÖ abgewendet wird.

Johann Mayr
Der Finanzstadtrat ist durch den Swap-Deal am vehementesten in Bedrängnis geraten. In welchem Umfang er von dem Swap-Geschäft in Kenntnis gesetzt wurde, ist eine der entscheidenden Fragen in der Causa.

Werner Penn
Er folgte 2003 dem heutigen Landesrat Hermann Kepplinger als Linzer Finanzdirektor nach und ist die Schlüsselfigur in der Swap-Affäre. Penn hat sein Amt zurückgelegt, gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Regina Prehofer
Die Oberösterreicherin war bis vergangenen Herbst Mitglied im Bawag-Vorstand und hat der Stadt Linz in dieser Funktion auch Angebote für einen Ausstieg aus dem Swap-Deal vorgelegt. Diese wurden von Linz nicht akzeptiert.

Friedrich Klug
Bis 2009 war Klug Kontrollamtschef von Linz. In dieser Funktion prüfte er auch den Swap-Deal. Dabei gab er zu bedenken, dass dieser auch zu Verlusten führen könnte. Hinweise auf die gewaltige Dimension der Gefahr gab er aber nicht.

 

 

Die offenen Fragen

Wie hoch ist das Risiko für die Stadt Linz?

Praktisch unbegrenzt. Diese Rechnung wurde seinerzeit aber unterlassen. Die Finanzverantwortlichen der Stadt rechneten zwar aus, was passieren würde, wenn der Euro bei 1,45 bis 1,50 Franken stünde. Ein Kurs von 1,16, wie er gestern Dienstag ausgewiesen wurde, wurde nicht überlegt. Dieser ergäbe Jahreszinsen von derzeit 33 Prozent auf eine Summe von 195 Millionen Franken und eine Schuld von 55 Millionen Euro für 2011. Lässt Linz den Swap weiterlaufen, drohen derartige Zahlungen bis 2017. Wird der Franken seinem Image als Fluchtwährung weiterhin gerecht, wird das Risiko für die Stadt exorbitant.

Wer übernimmt die politische Verantwortung?

Vordrängen tut sich diesbezüglich niemand. Die Spitzen der dominanten Stadt-SPÖ, allen voran Bürgermeister Franz Dobusch und Finanzstadtrat Johann Mayr, bleiben beharrlich bei ihrer Argumentation, wonach sie über den Deal nicht ausreichend informiert gewesen seien. Was die Entscheidung über die weitere Strategie im Vorgehen gegen die Bawag betrifft, hat es den Anschein, als wollen die Parteien hauptsächlich ausloten, welcher Weg sich am leichtesten in politischen Erfolg ummünzen lässt.

Gibt es abseits der Klage Chancen, den Schaden zu minimieren?

Ja – und Bankexperten raten sogar, eine Schadensbegrenzung in Angriff zu nehmen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens: Die Stadt tritt mit der Bawag in Verhandlungen, um den Swap zu schließen und zahlt jetzt die Summe, die sich nach aktuellem Kurs bis zum Ende der Laufzeit ergeben würde. Das wären mehr als 300 Millionen Euro, also immer noch ein empfindlicher Verlust – noch dazu hätte die Stadt dann keine Chance mehr, gegen die Bawag zu klagen. Daher käme nur eine zweite Variante in Frage: Linz lässt das Swap-Geschäft laufen, sichert es aber gegen ein weiteres Steigen der Verluste ab. Allerdings käme auch dieses Geschäft sehr teuer.

Welche politischen Konsequenzen hat die Swap-Causa?

Das kommt darauf an, wie der Gerichtsstreit mit der Bawag endet. Als sicher gilt, dass die SPÖ für die Zustimmung zum Budget 2012 einen hohen politischen Preis in Form von Zugeständnissen an die anderen Parteien zahlen muss. Wenn sie das nicht tut, sind Neuwahlen wohl unausweichlich.

Wie will die Stadt gegen die Bawag gewinnen?

Grundsätzlich haben die Rechtsvertreter der Stadt Linz drei Stoßrichtungen: Erstens musste die Bawag wissen, dass eine Stadt oder Gemeinde allein schon aufgrund ihrer Statuten keine derartigen Hochrisikogeschäfte abschließen darf. Zweitens sei auch der Abschluss des Deals nicht rechtens erfolgt, weil er nur von Finanzdirektor Werner Penn unterzeichnet wurde. Er hätte aber auch der Genehmigung des Gemeinderates bzw. des Landes bedurft. Und drittens wird der Bawag Wucher vorgeworfen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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