Kritik an Qualitätssicherung der Ärzte
WIEN. Der Rechnungshof (RH) kritisiert in einem aktuellen Bericht die Qualitätssicherung bei niedergelassenen Ärzten.
Moniert wird darin etwa, dass Patienten keine Möglichkeit haben, sich anhand bundesweit einheitlicher Kriterien über die Behandlungsqualität zu informieren. Empfohlen wird die Entwicklung von Qualitätsstandards mit verpflichtenden Vorgaben bis zum Ende der Zielsteuerungsperiode 2021.
Erst Ende Juni hatten Österreichs Patientenanwälte ihre jahrelange Kritik an der Qualitätssicherung in den heimischen Arztpraxen bekräftigt. Mit Verweis auf eine Studie des Instituts für höhere Studien (IHS) forderten sie Reformen von Ressortchefin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Verbesserungsbedarf bestätigte auch der am Freitag veröffentlichte RH-Bericht.
Geprüft wurden von Dezember 2016 bis April 2017 das Gesundheitsministerium und die Ärztekammer, die mit der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH (ÖQMed) tätig war. Der Prüfungszeitraum umfasste die Jahre 2013 bis 2016. Die Agenden ressortieren heute im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz.
Durchgeführt wird die Qualitätssicherung in Österreich durch die ÖQMed GmbH, einem Tochterunternehmen der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Dass sich die Ärzte damit gewissermaßen selbst kontrollieren, wurde wiederholt bemängelt. Laut RH ist die Qualitätssicherung zweiteilig aufgebaut: Nach einer Bewertung der Qualität ihrer Ordinationen durch die Ärzte selbst folgt eine Validitätsprüfung und diese stichprobenartigen Ordinationsbesuche zeigten erhebliche Unterschiede. Bei der Selbstevaluierung gaben 97 Prozent der Ärzte an, dass in ihrer Ordination kein Mangel vorliegt. Die Überprüfung der ÖQMed stellte aber bei rund 18 Prozent der Ordinationen zumindest einen Mangel fest. Die Wahrscheinlichkeit eines Ordinationsbesuchs aus Sicht der einzelnen Ärzte war bei einer Stichprobengröße von sieben Prozent gering, weshalb der RH dieses System für verbesserungswürdig hält. Das Ministerium erklärte in seiner Stellungnahme, dass es aufgrund der Qualitätsverordnung 2018 nun die Möglichkeit gibt, die Stichprobengröße für einen bestimmten Evaluierungszyklus zu erhöhen.
Die Anzeigen durch die ÖQMed führten zu 46 Disziplinarverfahren, wobei es in 24 Fällen Freisprüche oder Einstellungen gab. In 21 Fällen verhängte die ÖÄK Disziplinarstrafen in Form schriftlicher Verweise oder Geldstrafen von durchschnittlich knapp 3.000 Euro sowie in einem Fall in Form einer befristeten Untersagung der Berufsausübung. Ein Urteil war noch ausständig.
Kritisiert wurde vom RH auch, dass es für den niedergelassenen Bereich zwar Qualitätsstandards in Form von Bundesqualitätsleitlinien gab, zwei davon liefen aber aus, da das Ministerium nicht rechtzeitig für Nachfolgeregelungen gesorgt hatte.
Sowohl das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz als auch der Bundes-Zielsteuerungsvertrag sahen eine Ergebnisqualitätsmessung im ambulanten Bereich vor. Die Zielsteuerungspartner Bund, Länder und Sozialversicherungsträger erreichten dieses Ziel aber nicht. Damit wurde die Ergebnisqualität im niedergelassenen Bereich nach wie vor nicht systematisiert und bundesweit einheitlich gemessen, moniert der RH. Grund hierfür war unter anderem, dass noch immer eine einheitliche Diagnosen- und Leistungsdokumentation im gesamten ambulanten Bereich fehlte. Und dies obwohl sich alle Systempartner bereits auf eine verbindliche Einführung geeinigt hatten und dies technisch möglich gewesen wäre.
Qualitätsberichte sind von zentraler Bedeutung, hält der RH fest. Das Gesundheitsministerium erfüllte diese seit 2005 bestehenden Verpflichtung zur Erlassung diesbezüglicher Vorgaben aber nicht. Auch die 15a-Vereinbarung Zielsteuerung-Gesundheit und der Bundes-Zielsteuerungsvertrag sah eine regelmäßige Berichterstattung vor. Obwohl diese Ziele bezüglich der Qualitätsberichterstattung nicht erreicht wurden, wird darauf in den Monitoringberichten nicht eingegangen. Zwölf Jahre nach Inkrafttreten des Gesundheitsqualitätsgesetzes gab es damit für Patienten der niedergelassenen Ärzte damit keine Möglichkeit, sich anhand vergleichbarer und bundesweit einheitlicher Kriterien über die Behandlungsqualität zu informieren. Laut der neuen 15a-Vereinbarung sollten künftig Qualitätsinformationen für die Bevölkerung verständlich auf einer neutralen Plattform des Ministeriums angeboten werden.
Die Ärztekammer hat 2016 für die Qualitätssicherungsaufgaben rund 1,59 Mio. Euro aufgewendet, davon rund 59,6 Prozent für die ÖQMed. Der Bund leistet hierfür keine Abgeltung, der Aufwand wird aus der Kammerumlage sowie aus Gewinnen anderer Gesellschaften der ÖÄK finanziert. Der RH hält daher auch eine Rechtsgrundlage für die Beitragseinhebung zur Kostendeckung von den Ärzten und Sozialversicherungsträgern zur Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit der ÖQMed für nötig. Es sollte auch geprüft werden, ob die ÖQMed dadurch langfristig vollständig finanziert und damit organisatorisch unabhängig werden könnte.
Kammer verteidigt Qualitätssicherung
Die Ärztekammer hat am Freitag die Qualitätssicherung in den Arztpraxen verteidigt. Dass die ÖQMed wie vom Rechnungshof kritisiert, zu eng mit der Ärztekammer verknüpft ist, sieht der für die Qualitätskontrolle zuständige Artur Wechselberger nicht so. Gegenüber dem Ö1-"Mittagsjournal" räumte er aber Verbesserungsmöglichkeiten bei der Transparenz ein.
"Wir müssen die Vorschläge des Rechnungshofs sehr ernst nehmen", so Wechselberger. Vorstellbar wäre etwa, dass nicht die Ärztekammer, sondern die für die Durchführung der Qualitätssicherung zuständige ÖQMed ihre Beiträge selbst einhebt. Was die organisatorische Unabhängigkeit betrifft, erklärte der frühere ÖÄK-Präsident, dass die fachliche Kompetenz bei einem wissenschaftlichen Beirat, nicht bei der Ärztekammer liege.
Ein weiterer Kritikpunkt im RH-Bericht betraf die zu geringe Zahl an stichprobenartigen Überprüfungen. Hier verwies Wechselberger auf die Statistik, wonach ein 7-prozentiger Anteil ausreichend sei. Er gab auch zu bedenken, dass die Prüfungen organisier- und finanzierbar sein müssen, sowie auch akzeptiert werden müssen. Neun oder zehn Prozent wären auch finanzierbar, es sei aber fraglich, ob das ein Mehr an Ergebnis bringt, so Wechselberger. Die Ärzte wehren sich auch nicht gegen eine Darstellung der Ergebnisqualität, dies sei aber generell schwierig, gab er weiters zu bedenken. Das Instrument der Selbstevaluierung durch die Ärzte verteidigte er ebenfalls als "gängiges Tool".