"Es wird nicht bei einer Watsch'n bleiben"

LINZ. Was tun gegen Gewalt an Frauen? Expertinnen, Polizei und Politik diskutierten im OÖN-Forum über Lösungen
Eine Welle der Gewalt an Frauen schockiert Österreich. Seit Jahresbeginn wurden sieben Frauen umgebracht. In sechs Fällen waren Männer die Täter. Was kann gegen Gewalt an Frauen getan werden? Dieser Frage ging am Montagabend eine hochkarätig besetzte Expertenrunde im OÖNachrichten-Forum in den Linzer Promenaden Galerien nach.
Intensiv diskutiert wurde über jene Maßnahmen, die die Regierung plant: die Strafrechtsreform. Ab 2020 sollen Gewaltdelikte, etwa Vergewaltigung, strenger bestraft werden (siehe Kasten). Die Meinungen der Experten waren geteilt. Derartige Maßnahmen nützen nichts, sagte etwa Adelheid Kastner, Primaria der Klinik für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt an der Kepler-Uniklinik: "Ich habe in meiner Tätigkeit hunderte Vergewaltiger kennengelernt. Keinen von ihnen hätte eine höhere Strafe von der Tat abgehalten." Mit Prävention habe das nichts zu tun. "So etwas macht man, wenn man Eindruck schinden will."
Eines müsse klar sein, sagte Kinder- und Jugendanwältin Christine Winkler-Kirchberger: "Das Strafrecht hilft den Opfern nicht. Es sanktioniert die Täter." Die Kinder- und Jugendanwältin sieht aber auch positive Aspekte der Strafrechtsreform, etwa das vorgesehene Berufsverbot für Pädagogen nach sexuellen Übergriffen auf Kinder. Ein generelles Problem für Opfer sei, dass es häufig aus Mangel an Beweisen gar nicht zu einer Verhandlung komme: "Danach ist es schlimmer als vorher."
Video: Gewalt gegen Frauen - Diskussion im OÖN-Forum
Die erste Watsch'n ist meistens nicht die letzte
Der stellvertretende Landespolizeidirektor Erwin Fuchs befürwortet höhere Strafen. Noch wichtiger sei ihm aber, dass mit dem neuen Gesetz die Täter stärker in den Blickpunkt rücken. "Täter werden sich unmittelbar nachdem sie als Gefährder auftreten, in eine Beratung begeben müssen – und nicht erst nach der Gerichtsverhandlung Monate später." Bei besonders schweren Fällen sei auch eine Fallkonferenz mit Polizei, Justiz und Opfereinrichtungen vorgesehen.
Doch was können Frauen tun, wenn sie von Gewalt betroffen sind? Sofort die Grenzen ziehen, riet Fuchs: "Meiner Erfahrung nach bleibt es nicht bei einer Watsch’n. Die erste wird meistens nicht die letzte sein." Wichtig sei aber auch, dass die Gesellschaft Gewalt nicht toleriere, sagte Landesrätin Birgit Gerstorfer, deren Ressort die Podiumsdiskussion organisiert hat: "Dazu braucht es Zivilcourage. Man muss es ansprechen, wenn ein Kind eine Watsch’n kriegt oder jemand geschlagen wird. Wir alle müssen immer wieder sagen, dass das nicht geht." Um Frauen zu schützen, betreibt das Land fünf Frauenhäuser mit 41 Plätzen und fünf Übergangswohnungen. "Das ist leider noch viel zu wenig", sagte die Landesrätin. "Wir bräuchten dringend mehr." Sie hofft, in den nächsten Jahren bis zu drei weitere Häuser errichten zu können.
"Der Feind sitzt auf der Couch"
Nimmt Gewalt an Frauen zu oder erwecken die jüngsten Bluttaten nur diesen Eindruck, fragte Moderator Markus Staudinger, Leiter des OÖN-Regionalressorts. "Wir bemerken auf jeden Fall, dass die Aggression und die Schwere der Verletzungen zunehmen", sagte Eva Schuh, Leiterin des Gewaltschutzzentrums OÖ. Umso wichtiger sei, dass Frauen Gewaltdelikte anzeigen: "Derzeit traut sich nur eine von elf Frauen, eine Vergewaltigung anzuzeigen." Besonders schwer mache es den Frauen, dass die meisten Täter im Umfeld leben, sagte Dagmar Andree vom Linzer Frauenhaus: "Der Feind sitzt auf der Couch", brachte sie es auf den Punkt. "Fast immer sind die Täter Männer, die mit der Frau in Beziehung stehen, meistens sind es die Partner oder ehemalige Partner."
In der modernen Gesellschaft seien Männer mitunter überfordert, gab Polizist Fuchs durchaus selbstkritisch zu. "Man muss den Männern immer wieder sagen, dass Gewalt unsexy ist. Wer ein Mann sein will, schlägt nicht zu." Mit dem veränderten Männerbild täten sich manche Männer schwer. Aber: "Ich glaube an unsere Spezies."
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