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Der einsame Kampf des Georg Buttinger

08. Februar 2014, 00:04 Uhr
Der einsame Kampf des Georg Buttinger
Buttinger (ganz rechts) vor dem Haus, in dem er verbrannte.

Vor 80 Jahren, am 12. Februar 1934, wurde nicht nur im Linzer Hotel Schiff geschossen. Auseinandersetzungen wie im Bürgerkrieg gab es auch auf dem Lande. In Nettingsdorf nahm es ein Schutzbündler mit 30 Gendarmen auf.

80 Jahre ist es her, dass die österreichische Demokratie gewaltsam beendet wurde. In den Kämpfen am 12. und 13. Februar 1934 zwischen sozialdemokratischem Schutzbund und christlichsozialer Heimwehr, unterstützt durch Polizei, Gendarmerie und Bundesheer, fielen mehrere hundert Menschen. Einer von ihnen war der Schutzbündler Georg Buttinger aus Nettingsdorf. Seine Geschichte zeigt die Unerbittlichkeit der Auseinandersetzung. Aufgezeichnet hat sie Maria Stingeder, die Witwe Buttingers. Hier ihre Erinnerungen, aufgezeichnet 1946, die ein seltenes Dokument der Zeitgeschichte darstellen:

"Mein Mann wurde in einer Zuckerkiste auf einem ,Radlbock’ – der Totengräber Mauhart hat die Stücke der Leiche aus den Trümmern herausgeholt – zum Friedhof nach Ansfelden gebracht. Am Selbstmörderfriedhof wurde er, im alleinigen Beisein von mir, eingegraben. Jetzt hat er ein Ehrengrab bekommen.

Wie es zu dem Schrecklichen kam? Das war so: Wir wohnten damals in einem Haus des Bauern Heinrich Pollhammer, Hausname Kammerer. Am Vormittag waren die Schutzbündler hier und haben meinen Mann eingeladen, mit ihnen zu gehen, aber das konnte er nicht, weil er 100-Prozent-Kriegsinvalide war. Er hatte eine Rückgratverletzung vom Ersten Weltkrieg. Bis 1932 hat er in der Nettingsdorfer Papierfabrik gearbeitet. Dann konnte er nicht mehr arbeiten. Er war auf Grund der Ereignisse des Tages schon sehr aufgeregt.

Das ganze Haus voller Heimwehr

Ich bin gegen Abend zu unserem Bauern, dem Hausherrn Pollhammer, um die Milch. Dort habe ich gesehen, dass das ganze Haus voll Heimwehr ist. Habe von dem Geschehen meinem Mann nichts gesagt, damit er sich nicht noch mehr aufregt. Nach einer Weile kommt vom Pollhammer der Hausknecht herunter und berichtet meinem Mann, das ganze Haus sei voll von Heimwehrlern. Das hat ihn sehr aufgeregt.

Es muss dazu gesagt werden, mein damaliger Mann, Georg Buttinger, war ein begeisterter Jäger, aber man hat ihn hier niemals zu einer Jagd gelassen. Wenn er einmal auf die Jagd ging, dann musste er ins Innviertel zu Verwandten fahren. Er war auch ein begeisterter Waffenfreund und hatte einige Waffen, Spezial-Jagdwaffen. Für die hatte er natürlich die Waffenscheine. Als er vom Treffen der Heimwehrler hörte, hat er sofort zum Ausdruck gebracht, dass es da etwas geben wird. Er hat mir das Sparkassenbuch, auf dem 1000 Schilling eingelegt waren, gegeben. Ich bin in das Schlafzimmer gegangen und hab mich zu Bett gelegt.

Um zirka halb acht Uhr abends – mein Mann ist in der Küche hinter dem Tisch gesessen und neben ihm der Hausknecht vom Pollhammer – ist der Heimwehrführer Pollhammer mit noch drei anderen Heimwehrlern gekommen. Er hat die Tür geöffnet und gerufen: ,Buttinger, die Waffen her', dann hat es schon gekracht. Pollhammer ist zusammengebrochen und war tot. Die anderen Heimwehrler sind davongelaufen. Der Hausknecht hat sich ein Gewehr genommen, um sich verteidigen zu können, und ist davon. Das Gewehr wurde ihm aber am nächsten Tag wieder von der Gendarmerie abgenommen.

Pollhammer und Buttinger haben sich privat sehr gut verstanden. Sie durften nur nicht über Politik sprechen, da waren beide Fanatiker.

Die Heimwehr konnte gegen Buttinger nichts ausrichten, deshalb verständigten sie die Gendarmerie. Der Inspektor kam mit einem Gendarmen. Sie riefen vom Gang herein: ,Hände hoch, die Gewehre heraus!' Buttinger schoss durch die verschlossene Tür, verletzte den Inspektor am Arm und den Gendarm an den Fingern. Er hatte die beiden kampfunfähig gemacht.

Daraufhin erschienen um 10 Uhr nachts mit einem Überfallsauto 30 Mann von der Gendarmerieschule in Linz mit drei Maschinengewehren. Trotz langen Feuers konnten auch die nichts erreichen. So schritten sie um vier Uhr früh zur Ausräucherung der Wohnung. Unterdessen habe ich bei den Nachbarn Schutz gesucht. Ich hatte nichts anderes als das Nachthemd und Handschuhe an. Das Sparkassenbuch war das Einzige, was mir als Eigentum blieb. Die Gendarmen versuchten mich zu beeinflussen. Ich sollte meinen Mann zum Aufgeben drängen. Das machte ich nicht. Die Gendarmen holten mich und die Nachbarn beim Fenster heraus. Dann schritten sie zur Aktion!

Sie räucherten ihn aus

Mit langen Stangen haben sie brennende Strohbüschel bei den Fenstern hineingeworfen und so das Haus in Brand gesteckt. Buttinger ergab sich aber nicht. Er war ein sehr guter Schütze und hat ihnen das Maschinengewehr außer Gefecht gesetzt. Er hat aus allen Fenstern der Wohnung geschossen. Wenn sich etwas rührte, hat er schon darauf geschossen. Mit der letzten Patrone hat er sich im Schlafzimmer auf der Ottomane sitzend erschossen. Es dürfte um etwa halb fünf Uhr früh gewesen sein, als er starb. Der Leiter dieser Aktion der Gendarmerie war Stabsrittmeister Dr. Ernst Mayr aus Linz.

Wenn man mir nicht einen Mantel geliehen hätte, wäre ich mit nichts dagestanden. Wir waren auf 4000 Schilling versichert. Bis heute habe ich keinen Groschen bekommen. Es hieß, das fällt unter Katastrophenfall, obwohl der Postenkommandant mir versicherte, dass ich eine Entschädigung bekommen werde. Die anderen Parteien sind entschädigt worden.

Hebammengeld für eine Suppe

Ich war von Beruf Hebamme. Die Heimwehr verlangte, dass ich diesen Beruf nicht mehr ausüben darf. Nur durch den Einsatz des Bezirkshauptmannes Helmsreit wurde mir die Ausübung meines Berufes gestattet. Mein ganzes ,Berufswerkzeug’ ist mir verbrannt.

Es war eine schwere Zeit. Mein Mann, Georg Buttinger, war ein großer und guter Mensch. Einmal habe ich bei Leuten eine Entbindung gemacht, die waren so arm, dass mich mein Mann mit Rindfleisch hingeschickt hat, damit für die Frau eine anständige Suppe gekocht werden konnte. Die Leute wissen ja nicht mehr, welche Not damals war. Ich war bei einer Entbindung, und als die vorbei war, war auf einmal der Mann verschwunden. Ich dachte mir, jetzt, wo ich ihn noch brauche, muss er weg! Als er zurückgekommen ist, habe ich gesehen, warum er gegangen war. Er hatte ein Krähennest ausgehoben, damit er seiner Frau eine Suppe kochen konnte. Sie hatten nichts anderes. Als das mein Mann von mir gehört hatte, verlangte er, dass ich ihnen die 20 Schilling, die ich für die Entbindung von der Gemeinde bekam, gebe. Er war ein sehr guter Mensch!

Nach einiger Zeit habe ich monatlich 120 Schilling zugesandt bekommen. Von wem, das weiß ich nicht und habe es auch nie erfahren. Das habe ich bis zum Einmarsch der Nazis bekommen. Dann war es aus."

Die Tage nach dem Kampf umreißt unten stehender Zeitungsausschnitt. (but)

Weiterführende Information: www.12februar1934.at

Buch zum Thema

Schriftsteller Erich Hackl und Literaturwissenschafterin Evelyne Polt-Heinzl erinnern mit einer literarischen Anthologie an den österreichischen Bürgerkrieg 1934. Mit Texten über das unmittelbare Kampfgeschehen als auch über dessen Vorgeschichte und Konsequenzen legen sie die bisher umfangreichste Sammlung zu den Februarkämpfen vor. Darunter finden sich Autoren wie Franz Kain, Jean Améry, Jura Soyfer oder Karl Wiesinger.

„Im Kältefieber“ – Februargeschichten 1934: Erich Hackl, Evelyne Polt-Heinzl (Hg.), 330 Seiten, Picus Verlag, 22,90 Euro

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