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Schock und Trauer in Genua: Retter am Ende ihrer Kräfte

16. August 2018, 00:04 Uhr
Bild 1 von 58
Bildergalerie Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua
Bild: afp

GENUA. Die fieberhafte Suche nach den Vermissten ging auch gestern weiter. Die Zahl der Opfer stieg auf 42 - Österreicher sind nicht darunter.

Am Tag nach dem katastrophalen Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua dauerten die Rettungsarbeiten in der italienischen Hafenstadt an: In den Trümmern der Morandi-Brücke entdecken Helfer weitere Opfer. Die Zahl der Toten steigt auf über 42. In ganz Italien herrschten Schock und Trauer. Unterdessen begann die Suche nach den Schuldigen.

Video: Katharina Wagner berichtet vom Ünglücksort in Genua über die unermüdlich voran gehenden Rettungsarbeiten nach dem Brückeneinsturz vor zwei Tagen:

Die vierspurige Autobahnbrücke Ponte Morandi war am Dienstag gegen Mittag während eines schweren Unwetters auf einer Länge von mehr als 80 Metern eingestürzt. Teile der Fahrbahn stürzten mehr als 40 Meter in die Tiefe. Etwa 30 Fahrzeuge sollen sich zum Zeitpunkt des Unglücks auf dem betroffenen Abschnitt befunden haben. Autos wurden in die Tiefe gerissen, Lastwagen stürzten in den Fluss Polcevera.

Anfangs hatte es Vermutungen gegeben, ein heftiges Unwetter könnte die Brücke zum Einsturz gebracht haben. Augenzeugen hatten berichtet, dass kurz vor dem Einsturz ein Blitz in die Brücke eingeschlagen habe.

Video: ORF-Korrespondent David Runer berichtet aus Genua über die Suche nach Überlenden, die mögliche Ursache des Unglücks und die Auswirkungen auf den Reiseverkehr.

Vorwürfe gegen Autostrade

Die Ermittler halten das offenbar für unwahrscheinlich. Der italienische Verkehrsminister hat die Führung des Betreibers der eingestürzten Autobahnbrücke zum Rücktritt aufgefordert. Zugleich kündigte Danilo Toninelli an, dass dem Unternehmen die Lizenz zum Betrieb der Straße entzogen werden solle und es mit Strafzahlungen von bis zu 150 Millionen Euro belegt werden könnte. "Autostrade per l’Italia war nicht in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Verwaltung der Infrastruktur zu erfüllen", sagte Toninelli. Autostrade wies sämtliche Anschuldigungen zurück: Man habe die Brücke auf vierteljährlicher Basis entsprechend den gesetzlichen Vorgaben kontrolliert, erklärte das Unternehmen.

Die vorläufige Zahl der Toten stieg am Mittwoch auf 42 an. Unter den Opfern sind mindestens drei Minderjährige im Alter von acht, zwölf und 13 Jahren. 16 Menschen seien verletzt, der Zustand von zwölf Menschen sei kritisch, teilten die Behörden mit. Es werde erwartet, dass die Zahlen weiter steigen, sagte Regionalpräsident Giovanni Toti. Österreicher dürften nicht unter den Opfern sein, bestätigte auch ein Sprecher des Außenministeriums.

Wie viele Menschen noch vermisst werden, sei nicht klar, sagt Feuerwehrkommandant Emanuele Gissi: "Ich glaube, dass wir nie genau wissen werden, ob noch Leute vermisst werden. Deshalb wird dieser Einsatz erst aufhören, wenn wir unter allen Trümmern gesucht haben." In der Nacht seien noch Stimmen zu hören gewesen, berichten zwei Polizistinnen im italienischen Fernsehen. Mittlerweile seien sie verstummt. Doch die Bergungsarbeiten gestalten sich schwierig: Ein einziges Auto zu bergen habe in der Früh vier bis fünf Stunden gedauert. An jeder Stelle müsse das Sicherheitsrisiko für die Einsatzkräfte neu bewertet werden, erst dann könne gearbeitet werden. "Die Arbeit ist in mentaler und physischer Hinsicht sehr anstrengend", sagte Federica Bornelli vom Roten Kreuz.

Die beiden Seitenteile der Brücke, die stehen geblieben sind, ragen gefährlich über die Unglücksstelle. Etwa 400 Menschen mussten ihre Häuser in der Nähe der Brücke verlassen. Wann sie zurückkehren können, ist noch unklar. Denn auch der Rest der Brücke könnte einstürzen. Für Edoardo Rixi, den Staatssekretär im Verkehrsministerium, wird der Einsturz weitreichende Konsequenzen haben, da die Brücke komplett abgerissen werden müsse. Das werde "schwerwiegende Auswirkungen" auf den Verkehr haben und so Probleme für Bürger und Unternehmen bringen. Die Brücke ist Teil der Autobahn 10, die auch als Urlaubsverbindung "Autostrada dei Fiori" bekannt und eine wichtige Verbindungsstraße nach Südfrankreich, in das Piemont und die Lombardei ist. Autofahrer müssen bereits jetzt mit langen Staus und Wartezeiten rechnen. In der Region Ligurien wurde die Autobahn A 10 für unbestimmte Zeit gesperrt, und zwar zwischen dem Autobahnkreuz mit der A 7 und dem Flughafen Genua.

300 Brücken in Italien marode

Die Brücken-Katastrophe lässt auch in ganz Italien die Alarmglocken schrillen. Laut der Tageszeitung "La Repubblica" sind um die 300 Brücken und Tunnel marode. Grund dafür seien die veraltete Infrastruktur und die lückenhafte Instandhaltung.

Video: Experte zu Brückensicherheit

"Eine vorhersehbare Tragödie", sagen Experten

Die Morandi-Brücke im norditalienischen Genua ist schon lange umstritten. Die Ingenieurswebseite "ingegneri.info" nannte das Unglück eine "vorhersehbare Tragödie" - es habe immer schon "strukturelle Zweifel" am Bau des Ingenieurs Riccardo Morandi gegeben.

Die Brücke wurde zwischen 1963 und 1967 gebaut. Der inzwischen verstorbene Morandi ist für seine Brückenbauten berühmt, bei denen er eine spezielle Konstruktionsweise mit Spannbeton, also Beton mit gespannten Stahleinlagen, verwendete. Schon lange seien allerdings die Probleme dieser Bauart bekannt, kritisierte Antonio Brencich, ein Experte für Betonbau von der Universität Genua.

"Morandi wollte eine Technologie verwenden, die er patentiert hatte und die danach nicht mehr benutzt wurde", sagte er. Diese Technologie habe "versagt". Brencich hatte schon vor Jahren Bedenken über das 1,18 Kilometer lange Bauwerk geäußert.

Eigentlich waren Brücken wie diese auf etwa ein Jahrhundert angelegt, schrieb "ingegneri.info" - die Morandi-Brücke sei aber bereits in den Jahren nach der Fertigstellung baufällig gewesen. Zuletzt mussten demnach Anfang der 2000er-Jahre Tragseile ersetzt werden, die erst in den 1980er- und 1990er-Jahren eingebaut wurden.

"Vor 50 Jahren hatten wir uneingeschränktes Vertrauen in Stahlbeton", sagte Diego Zoppi, Ex-Präsident der Architektenkammer in Genua. "Jetzt wissen wir, dass er nur ein paar Jahrzehnte hält." Er warnte vor weiteren derartigen Unglücken, wenn keine umfassenden Bauarbeiten an Nachkriegsbauten vorgenommen würden. "Das in den 1950er- und 1960er-Jahren gebaute Italien hat Renovierungen dringend nötig. Das Risiko von Einstürzen wird unterschätzt", sagte Zoppi. Angeblich gab es kürzlich eine Ausschreibung für die Instandsetzung der Brücke. Dabei sei es um eine Stärkung der Tragseile gegangen – unter anderem an dem nun eingestürzten Abschnitt.

Schon im Jahr 2009 war über einen Abriss nachgedacht worden, doch jedes Jahr fahren 25 Millionen Autos über die Morandi-Brücke. Die Brücke liegt auf der sogenannten Blumenautobahn A10, einer wichtigen Verkehrsachse an der italienischen Riviera, die Genua mit Ventimiglia an der französischen Grenze verbindet.

 

Erinnerungen an den Einsturz der Reichsbrücke

Die Bilder aus Genua weckten Erinnerungen an den Einsturz der Wiener Reichsbrücke vor 42 Jahren. Damals verlor zum Glück "nur" ein Mann sein Leben.

Tonnen von Stahl sanken am 1. August 1976 kurz vor 5 Uhr in die Donau. Der Einsturz der Reichsbrücke verursachte ein Krachen, das viele Wiener aus dem Schlaf riss und sogar in der Erdbebenzentrale auf der Hohen Warte registriert wurde. Dass die Opferzahl beim Einsturz einer der am meisten befahrenen Brücken Wiens nicht höher war, lag vermutlich an der Uhrzeit. Doch für den Rest der Stadt waren die Folgen verheerend. Die Reichsbrücke diente nicht nur als Verkehrsknotenpunkt, sondern auch als Versorgungsleitung für den Norden Wiens. Die gebrochenen Wasserleitungen überfluteten den Handelskai. Zahlreiche Menschen waren ohne Strom, Gas, Wasser- und Telefonanschluss.

Ein Gutachten kam zum Schluss, dass der Einsturz nicht vorherzusehen war. In einen der Betonpfeiler war Wasser eingedrungen, wodurch es zu Rissen gekommen war, was unter der Granitummantelung nicht zu sehen war.

 

Brückeneinstürze in den vergangenen Jahren

Viele Brückeneinstürze
Fußgängerbrücke in Miami Bild: Reuters

2018 - Amerika: Im März stürzt eine fünf Tage alte Fußgängerbrücke auf dem Gelände einer Universität nahe Miami ein. Es gibt sechs Tote.

2018 - Kolumbien: Beim Einsturz der noch im Bau befindlichen Chirajara-Brücke sterben im Jänner zehn Arbeiter. Ein rund 280 Meter langes Teilstück löst sich.

2017 - Italien: Eine Brücke in Camerano, die mehrere Fahrspuren der Autobahn zwischen Ancona und Loreto überspannt, stürzt ein. Zwei Menschen sterben.

2016 - Italien: Der Annone-Viadukt über einer Straße zwischen Mailand und Lecco bricht ein. Ein Mensch stirbt.

2016 - Indien: Fluten reißen Busse und Autos mit sich, nachdem eine Brücke aus britischer Kolonialzeit über dem Hochwasser führenden Savitri-Fluss im Bundesstaat Maharashtra nachgegeben hatte. Es gibt 30 Tote.

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 16.08.2018 08:18

Danke an alle Helfer!

Interessant, dass wir in Linz nun alle Brücken in Stahlbeton ausführen. Die "neue Brücke" wird m.E. nie die Lebensdauer der alten Eisenbahnbrücke erreichen.

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