Intersexuelle Frau bekam 100.000 Euro Schmerzensgeld
KÖLN. Ein Chirurg, der eine intersexuelle Patientin vor gut 30 Jahren mit einer Operation unumkehrbar biologisch zum Mann machte, muss dieser 100000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Das entschied das Kölner Landgericht am Mittwoch. Der Arzt war bereits vor anderthalb Jahren in einem Grundsatzurteil wegen des rechtswidrigen Eingriffs zu Schmerzensgeld verurteilt worden, über die Höhe musste aber ein zweites Verfahren entscheiden.
Er hatte im Jahr 1977 der damals 18-Jährigen - sie war mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt gekommen - ohne vorige Aufklärung die inneren weiblichen Geschlechtsorgane entnommen. Klägerin Christiane V. fühlt sich als Frau, war aber als Bub großgezogen worden.
Eine Sachverständige sagte vor Gericht, für die intersexuelle Klägerin wäre auch nach dem damaligen medizinischen Stand das gewünschte Leben als Frau möglich gewesen. Dies hätte man mit Medikamenten und möglicherweise operativen Eingriffen erreichen können, zitierte ein Gerichtssprecher die Gutachterin. Der nun zum dritten Mal vor Gericht unterlegene Arzt kann in Berufung gehen.
Der Mediziner war im Februar 2008 vom Landgericht Köln verurteilt worden, aber in Berufung gegangen. Auch das Oberlandesgericht (OLG) bestätigte im September 2008, der Chirurg habe die Klägerin mit der OP „schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt“. Die heute 50-jährige hatte zu Prozessbeginn 2007©über ihren langen Leidensweg nach der OP berichtet, von körperlichen Beeinträchtigungen, Schmerzen und schweren psychischen Problemen. Sie wurde als Zwitter geboren und war von der Hebamme als Bub registriert worden.
Weibliche Geschlechtsorgane bei Blinddram-OP entdeckt
Erst bei einer Blinddarm-OP beim jugendlichen „Thomas“ waren innere weibliche Geschlechtsorgane entdeckt worden. Während man vor dem folgenschweren Eingriff von einem gemischt weiblich-männlichen Geschlecht und verkümmerten weiblichen Geschlechtsorganen ausgegangen war, zeigte sich während der OP eine normale weibliche Anatomie mit intakter Gebärmutter und Eierstöcken. Den Richtern zufolge hätte der Chirurg daher den Eingriff sofort abbrechen müssen.
In dem aufsehenerregenden Verfahren, das bundesweit als Präzedenzfall und Musterprozess bewertet wird, hatte Christiane V. „mindestens“ 100.000 Euro Schmerzensgeld verlangt, weil sie gegen ihrem Willen zum Mann gemacht worden sei. Zugleich hatte sie aber betont, es gehe ihr vor allem um „moralische Wiedergutmachung“.