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Schwarzer Star, weißer Chauffeur

Von Ludwig Heinrich, 02. Februar 2019, 00:04 Uhr
Schwarzer Star, weißer Chauffeur
Viggo Mortensen (li., mit Mahershala Ali) musste für seine Rolle 20 Kilogramm zunehmen. Bild: eOne Germany

Die Tragikomödie "The Green Book" ist ein Roadtrip durch ein von Rassismus und Vorurteilen geprägtes Amerika der 1960er Jahre. Ludwig Heinrich sprach mit dem oscarnominierten Hauptdarsteller Viggo Mortensen.

Die eben in den Kinos angelaufene tiefsinnige wie witzige Tragikomödie "The Green Book – eine besondere Freundschaft" von Regisseur Peter Farrelly gewann drei Golden Globes und ist fünffach für die Oscars nominiert. Viggo Mortensen (60), der als weißer Chauffeur einen schwarzen Jazzpianisten durch das Amerika der Rassentrennung kutschiert, bekommt die dritte Chance auf ein Goldmännchen. Die OÖN trafen den Star in der Edelherberge Baur au Lac am Zürichsee zum Interview.

OÖNachrichten: Was ist oder war das "Green Book"?

Viggo Mortensen: Es war sozusagen das "grüne Buch für schwarze Autofahrer", das in den USA jährlich erschien. Ein Reiseführer für Afroamerikaner, in dem sie alle Motels, Restaurants und Tankstellen finden konnten, die sie damals betreten durften. Der Film entstand nach einer wahren Begebenheit. Der exzellente und elegante schwarze Jazzpianist Don Shirley wurde in den 1960er-Jahren vom italienischstämmigen Fahrer Tony Lip, der vorher als Türsteher in Clubs arbeitete, für eine Tournee von New York aus durch die Südstaaten chauffiert.

Tony war ein ziemlich schlichter Typ aus der Bronx, der es später jedoch schaffte, als Mafia-Boss Carmine Lupertazzi in der TV-Serie "Die Sopranos" bekannt zu werden. Er starb Anfang 2013, drei Monate vor dem Pianisten Don Shirley. Wie kam Regisseur Peter Farrelly zu diesem Stoff?

Durch Tonys Sohn Nick Vallelonga, der schon vor 25 Jahren erkannte, dass die Story seines Vaters großes Kino sein könnte. Also ließ er ihn vor einer Videokamera eineinhalb Stunden lang erzählen. Dieses Band und ungefähr hundert Briefe waren Grundlage für das Drehbuch, an dem Nick mitarbeitete.

 

Der Trailer zum Film:

 

Tony plaudert unablässig mit randvollem Mund, raucht am Steuer, frisst – buchstäblich – mit fettigen Fingern Fried Chicken und hält mit rassistischen Sprüchen nicht hinterm Berg. Die Fahrt mit Don Shirley durch die USA verändert ihn jedoch. Zwei ungleiche Typen kommen zusammen ...

Denn nichts vermag uns im Leben derart zu verändern wie Begegnungen. Es ist einfach so.

Viggo als Tony – waren Sie gleich begeistert?

Gar nicht. Ich hatte sehr lange Zweifel, ob ich der Richtige war. Ich legte Peter Farrelly nahe, doch einen der vielen tollen Schauspieler mit italienischen Wurzeln zu nehmen. Ich selbst bin ja halb Amerikaner, halb Däne. Aber Peter blieb beharrlich. Ich muss heute gestehen: Dieser Tony, in der Tat – so viel Spaß hatte ich noch nie mit einer Rolle.

War sie nicht auch ein Martyrium? Schließlich mussten Sie 20 Kilo an Gewicht zulegen.

Jedenfalls ist zunehmen einfacher als abnehmen. Man braucht ja nur viel zu essen. Ab einem gewissen Zeitpunkt Pizza, Pasta und möglichst viele Desserts. Natürlich kommt der Augenblick, in dem man des Essens müde wird. Einmal habe ich mir in einer Drehpause gestattet, einen Salat zu bestellen. Da sind sie gleich herbeigestürzt und haben gerufen: "Nein, nein, schrecklich! Du verlierst Gewicht!" Und gleich brachten sie zwei Portionen Pasta, die ich verschlingen musste. Insgesamt waren es fünf Mahlzeiten pro Tag. Ich war sogar schon so weit, dass ich in Geschäften oder Restaurants immer automatisch "Ja! Ja!" sagte, als sie mich fragten, ob ich noch Zucker oder Zuckerl wollte.

Ihre Darstellung des Tony hat Ihnen die dritte Oscar-Nominierung eingebracht, wobei es Ihnen eindrucksvoll gelungen ist, Italo-Klischees zu vermeiden.

Diese Klischees wurden von der "Godfather"-Trilogie so gefördert, dass sogar die Italiener Italiener zu imitieren begannen. Dieser Versuchung konnte ich insofern leicht entkommen, als wir ja Tonys Sohn bei uns hatten. Der ließ, zum Beispiel in Umkleidepausen, auf meine Bitte hin unablässig das Band mit seinem Vater laufen, so hatte ich Tonys Tonmelodie bestens im Ohr. Und ich konnte Nick auch viele andere Dinge fragen, zum Beispiel, wie sein Vater die Zigaretten gehalten hat. Den Rest habe ich nicht von der "Godfather"-Trilogie gelernt, sondern eher von den "Sopranos".

Vor "The Green Book" hat man Sie längere Zeit nicht im Kino gesehen. Warum?

Meine Eltern waren sehr krank, und daher habe ich viel Zeit mit ihnen verbracht.

Nach dem Riesenerfolg als Aragorn in der "Herr der Ringe"-Trilogie hätten Sie viele Jahre lang der große Action-Held sein können. Wollten Sie dem Anschein nach aber nicht?

Mich auf diese Art vereinnahmen zu lassen – ein schrecklicher Gedanke. Nein, ich werde mich nie vereinnahmen lassen. Weder von einem Genre noch von der Technik. Ich habe kein Facebook-Konto und schreibe nie SMS-Nachrichten. Ein Handy habe ich zwar, doch nur ein altes Klapphandy.

Dafür schreiben Sie andere Sachen, richtig?

Ja. Zum Beispiel Gedichte. Die lasse ich im Eigenverlag erscheinen.

Sie haben abgeschlossene Studien in Politikwissenschaft und Spanisch, sprechen sechs Sprachen, darunter natürlich auch Dänisch, die Sprache Ihres Vaters. Und ein edler Ritter waren Sie nicht nur in "Herr der Ringe", Sie wurden auch im wirklichen Leben von der dänischen Königin Margarethe II. zum Ritter geschlagen. Was gibt Ihnen eine solche Zeremonie?

In Dänemark war es mir eine Ehre, denn unsere Königin ist dem Volk verbunden. Sie geht oft unter die Leute und plaudert ganz ungezwungen mit ihnen. Im Gegensatz etwa zum englischen Königshaus, das zum Volk eher Distanz hält.

Wie haben Sie eigentlich angefangen? Vor der großen Karriere, die 1984 mit dem TV-Dreiteiler "George Washington" begann?

Ich bin Lastwagen gefahren, habe Blumen verkauft.

Und was ist heute, glauben Sie, Ihr großes Plus?

Dass ich mich nicht kategorisieren lasse, dass ich versuche, eine innere Ordnung zu halten. Dass ich immer neugierig und auf der Suche nach guten Geschichten bin. Geradezu schmerzlich ist es für mich, wenn ich eine gute Geschichte finde und erkenne, dass ich nicht hineinpasse.

Und Schwächen?

Es gibt "Perioden der Angst", in denen ich fürchte, nicht das Richtige zu machen. Das kommt und geht. Ich überwinde es. Dennoch: Die Angst bleibt.

Sie haben im Herbst Ihren 60. Geburtstag gefeiert. Hat Sie das nachdenklich gemacht?

Nein. Da hielt sich die Angst in Grenzen. Ich weiß, manche verschließen sich dem Neuen schon mit 20. Andere nie. Ich gehöre zu Letzteren. Und ich bin, bei aller Neugier, auch nicht brennend ehrgeizig. Weil ich weiß: Das Leben ist zu kurz. Man kann nicht alles können.

Hintergrund

The Negro Motorist Green Book war ein von 1936 bis 1966 jährlich in den USA erschienener Reiseführer für afroamerikanische Autofahrer. Während der Ära der Jim-Crow-Gesetze, die der Aufrechterhaltung der Rassenhierarchie in allen Bereichen der amerikanischen Gesellschaft dienten, führte das von Victor Hugo Green herausgegebene Buch Tankstellen, Autowerkstätten, Ärzte und Hotels an, die bereit waren, schwarze Autofahrer zu bedienen.

 

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