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Victor Adler, Hofrat der Revolution

Von Josef Achleitner, 22. Dezember 2018, 00:04 Uhr
Victor Adler, Hofrat der Revolution
Der SDAP-Gründer, der als „Hofrat der Revolution“ in kleinen Schritten zum Erfolg kam. Bild: Renner Institut

Vor 130 Jahren erreichte der Arzt und Sozialkritiker in Hainfeld die Einigung der Reformer und Revolutionäre und damit die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei.

Es geht den Sozialdemokraten in Europa gerade nicht gut. Und das schon seit einer Reihe von Jahren. In Deutschland, wo die SPD und ihre Führungsfiguren wie Willy Brandt und Helmut Schmidt Vorbildcharakter auf dem Kontinent hatten, kämpfen die Sozialdemokraten darum, nicht den zweiten, sondern den dritten Platz zu halten. Auf dem zweiten liegen laut Umfragen die Grünen, um den dritten hat man mit der Rechtsaußenpartei AfD zu kämpfen. Nur in einem halben Dutzend Länder sind Sozialdemokraten an der Regierungsmacht. In Österreich macht die SPÖ wegen Türkis-Blau Regierungspause. Es sind also gemischte Gefühle, die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und ihr Führungsteam haben, wenn sie Ende Dezember des 130. Jahrestages des Hainfelder Einigungsparteitages gedenken, des eigentlichen Beginns der Parteigeschichte.

Einigung abseits von Wien

Jahreswende 1888/1889. Weil in der Gemeinde Hainfeld (heute eine Stadt) im Bezirk Lilienfeld einerseits ein kräftiger Arbeiter-Gewerbeverein bestand, der den Parteitag hier haben wollte, und andererseits hier nicht wie in Wien und den Umlandbezirken Ausnahmezustand galt, war man auf diesen Ort gekommen. Man traf sich am 30. Dezember, einem Sonntag, am Abend und ging geeinigt am Dienstag, dem 1. Jänner, kurz nach Mittag auseinander.

Victor Adler, Hofrat der Revolution
Der Parteigründer mit Anhängern Bild: Renner Institut

Graf Leopold von Auersperg, der Bezirkshauptmann, war gegen die damalige Methode, die Arbeitervereine mit Polizeischikanen im Zaum zu halten. Er konnte der "hiesigen merkwürdig intelligenten Arbeiterschaft nur günstiges Zeugnis geben" und bedauerte, "dass Unverstand (...) der Fabrikanten mitunter zu Konflikten Anlaß gibt". Nur kurz versuchte Auersperg, den Zehentner-Wirt in Hainfeld zu überreden, die Veranstaltung abzublasen, doch der wollte auf Einnahmen durch 110 Delegierte nicht verzichten. Einberufen hatte das Treffen, das Geschichte machen sollte, Victor Adler.

Pionier im Land: Anton Weiguny

Unter den Delegierten waren auch fünf aus Oberösterreich. An deren Spitze der 1851 geborene Linzer Anton Weiguny, ein gelernter Schuster und einer der Pioniere der Arbeitervereine, der 1891 die Landesorganisation für Oberösterreich und Salzburg mit aufbauen sollte. Die Zentralfigur war aber Victor Adler. Der Wiener Armenarzt aus reichem Hause, als junger Mann noch federführend am Linzer Programm der Deutschnationalen beteiligt, später von deren immer radikaler werdendem Antisemitismus abgestoßen und zur Sozialdemokratie gekommen, die gerade eine Phase der Spaltung durchmachte. Es gab Gemäßigte, die auf möglichst legalem Weg die notwendigen Fortschritte erreichen wollten. Und es gab auf der lange unversöhnlichen Gegenseite jene, die die Ziele der Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit sofort mit einer Revolution erreichen wollten. Und die sich der Illusion hingaben, die Revolutionswirren würden nicht länger als ein Jahr dauern und die Folgen erträglich bleiben. Manche flüchteten sich unter dem immer stärker werdenden Polizeidruck (Versammlungsverbote, Vereinsverbote, Spitzelwesen) in Anarchismus und schließlich Terrorismus. Anschläge verschärften die Lage aber nur.

Adlers Druckmittel: "Gleichheit"

Adler hatte erkannt, dass jene Menschen, die in den Jahren zuvor ansprechbar für die Forderungen gewesen waren, vom öffentlich und erbittert gezeigten ideologischen Streit genug hatten; dass es also Zeit für eine Versöhnung der Kontrahenten war. Der Arzt, der inzwischen mehr Organisator, Redner und Zeitungsherausgeber war, hatte einen guten Teil des Familienerbes in die Gründung der Zeitung "Gleichheit" (später "Arbeiter Zeitung") gesteckt und darin beiden Positionen Platz gegeben, allerdings in einer gemäßigten Form. Und den Kurs gab natürlich er vor. Ähnlich integrierend und dirigierend wirkte Weiguny in Linz.

Victor Adler, Hofrat der Revolution
Hainfelder Gasthof als Gründungsort Bild: OÖN-Archiv

In der Hainfelder "Prinzipienerklärung" sind dann auch Forderungen beider Seiten enthalten, von denen einige mühsam erkämpft wurden, wie das allgemeine gleiche Wahlrecht für die Volksvertretung, die Meinungsfreiheit, der Arbeiterschutz (Achtstundentag) oder der freie staatliche Unterricht. Andere wie "der Übergang der Arbeitsmittel in den gemeinschaftlichen Besitz des arbeitenden Volkes" blieben in Demokratien Illusion.

Die soziale Frage im 19. Jahrhundert: Erschreckende Zustände

Kinderarbeit bis zu 18 Stunden täglich in den aufstrebenden Industriebetrieben, Hausmädchen, die wie „weiße“ Sklavinnen in völliger Abhängigkeit gehalten werden, kasernierte Arbeiterfamilien, in Schlafsälen zusammengepfercht, die Arbeitszeiten oft weit über zwölf Stunden. Bis in die 1880er Jahre waren die Lebensumstände der einfachen Leute so, dass man sie sich heute kaum noch vorstellen kann oder will.
Ab den 1850er Jahren gab es auf bürgerlicher Seite Bemühungen, Abhilfe zu schaffen. So etwa wurde in Linz ein Kolpingverein gegründet, wenig später ein katholischer Arbeiterhilfsverein, der bald 850 Mitglieder hatte. Es ging darum, den Arbeitern „bei sittlichem Lebenswandel“ in Notfällen zur Seite zu stehen.

Victor Adler, Hofrat der Revolution
SDAP: nach 1918 Mehrheit in Linz Bild: Renner Institut

Josef Netwald, Arzt und Herausgeber der liberalen „Linzer Tagespost“, half 1867 bei der Gründung eines Arbeiterbildungsvereines, der nach den Ideen des Hermann Schulze-Delitzsch Arbeitern Selbsthilfe ohne Staatshilfe bringen sollte. Bald aber bildeten sich nach dem Vorbild des deutschen Sozialisten Ferdinand Lasalle Arbeiterbildungsvereine, die zwar ebenfalls den Arbeitern durch Bildung und gute Ernährung (Konsumverein) helfen wollten, aber trotz Polizeischikanen auch politische Forderungen stellten wie kürzere Arbeitszeiten, höhere Löhne, Wahlrecht und anderes.

In den größeren Städten dominierten bald sozialdemokratische Arbeitervereine, auf dem Land katholische.

 

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6  Kommentare
6  Kommentare
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Schilehrersepp (440 Kommentare)
am 23.12.2018 07:40

Und die Sozialdemokratie im Jahr 2018?

Hauptzielgruppe offenbar all jene, die eben nicht arbeiten gehen und dies in absehbarer Zeit auch nicht planen.....

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europa04 (21.652 Kommentare)
am 22.12.2018 20:59

Der Große Viktor Adler würde sich für so eine asoziale Regierung wie diese ÖVPFPÖ-Regierung und deren Spitze für Österreich schämen.

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am 22.12.2018 18:37

130 Jahre Viktor Adler sind 130 Jahre SPÖ.
Überlegt, was hat sich in den 130 Jahren in der Arbeitswelt verändert?
Alles. Maschinen, Automaten, Computer, Steuerungen ersetzen immer mehr die Kraft des Menschen, oder wollen wir sagen, dass sie ihm bei seiner Arbeit helfen. Helfen, dass nicht mehr soviel körperliche Arbeit den Menschen prägt. Das Hirn, das Lernen wird zunehmend gefragt. War der Mensch vor 130 Jahren nach der Arbeit ein ausgerackerter Mensch, so ist er es heute nicht mehr. Er wird mit zunehmendem Alter geistig mehr gefordert.

Sich laufend weiterbilden, damit anstelle der Muskel das Hirn nicht schlapp macht. Hirnarbeit wird zunehmen besser bezahlt, als es die Muskelarbeit früher war. Die Arbeitswelt hat sich in den 130 Jahren komplett verändert. Hat sich der Arbeiter verändert? Ich denke schon, er hat sich diesen Anforderungen an die moderne Arbeit, nicht des Ausrackerns, sondern des sich geistig Weiterbildens gestellt und sie auch gemeistert.

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am 22.12.2018 18:47

130 Jahre Viktor Adler sind 130 Jahre SPÖ.
Nein, übernimmt die SPÖ noch die Interessen der Arbeiter, oder ist es die Gewerkschaft, welche nach alter Gewerkschaftsmanier ihre Handlungen setzt, sicher nicht die Sozialisten. Die Gewerkschaft macht sich als Teilbereich der SPÖ oder wollen wir besser sagen als eigenständiger Teilbereich der SPÖ für die Interessen der Arbeitnehmer stark.
Stark nicht im Sinne der modernen neuen Arbeitswelt, sondern im Sinne der alten Gewerkschaftsbewegungen, welche einzig ihre Macht in Streiks sehen.

Schwach, sehr schwach waren diese Streiks bei den letzten Lohnverhandlungen. Die Gewerkschaft sollte nachdenken, ob sie nicht ihre Vorgehensweise mehr auf Verständnis, Erklärung, Wissen bei Lohnverhandlungen aufbauen sollte und nicht gleich mit den 100 Jahre alten Streikdrohungen Druck machen.

Die SPÖ ist keine Arbeiterpartei mehr, wie vor 130 Jahren
Der ÖGB ist kein Vertreter der modernen Arbeitswelt.

Es braucht dringend einen neuen "Viktor Adler".

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Flachmann (7.190 Kommentare)
am 22.12.2018 12:21

Adler würde sich im Grab umdrehen wenn er den Niedergang der Sozis sehen würde.
Besonders Wien leistet einen grossen Beitrag um den Todeskampf zu beschleunigen,der letzte aufgedeckte Skandal (Kopietz) spricht Bände!
Heute sind die Genossen unwählbar!

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zivi111 (600 Kommentare)
am 22.12.2018 17:32

Noch allemal wählbarer als die derzeitige neoliberal-turbokapitalistisch und rechtspopulistische Regierung!

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