Der Altgraf, der in Steyregg gern auch einmal mit der Tradition bricht

STEYREGG. Niklas Salm-Reifferscheidt ist Hausherr auf Schloss Steyregg: Er erzählt, warum er zunächst darunter litt, die Familientradition fortzuführen, und wieso sein Sohn nicht Niklas heißt
Der Altgraf in Steyregg
"Kann er das überhaupt, der ,Bua’? Trau ich’s mir zu? Ich hab’s mir nicht zugetraut und darunter gelitten, derjenige zu sein, der die Forst- und Gutsverwaltung und die Familientradition weiterführen muss", sagt Niklas Salm-Reifferscheidt, Hausherr auf Schloss Steyregg, das imposant über der Stadt thront.
Mit dem Tod seines Vaters Niklas im Jahr 2009 trat der damals 35-Jährige in große Fußstapfen. Denn die "Altgrafen von Salm-Reifferscheidt" besitzen eine mehr als 1000-jährige Familiengeschichte. Sie lässt sich bis ins Jahr 919 zum Pfalzgrafen Wigerich von Lothringen zurückverfolgen.
"Der Gråfenbua, Gråfendirndln"
"Ich war einem Druck ausgesetzt, den ich nicht mochte und der mir weh tat. Um diesen Druck ein wenig zu entschärfen, haben meine Frau und ich unseren Sohn nicht Niklas, sondern Christoph genannt", sagt Salm-Reifferscheidt, der nicht als Altgraf – so der offizielle Titel –, sondern schlicht als Forstwirt bezeichnet werden will.
Seine vier ältesten Kinder Theresa (16), Christoph (15), Marietta (13) und Felicia (10) haben alle die Volksschule in Steyregg besucht. Nachzüglerin Antonia kam 2017 zur Welt. Ob seinen Kindern ihre Herkunft bewusst ist? "Ich denke, das lässt sich gar nicht verhindern. Bewusst oder unbewusst werden sie anders betrachtet. Der ,Gråfenbua’, die ,Gråfendirndln’, heißt es dann."
Seine Frau, Nathalie Gräfin von Ballestrem, hat er zufällig in Frankreich kennengelernt. "Sie heißt nicht nur wie meine Mutter Nathalie, sondern wurde sogar nach ihr benannt." Denn bereits die Mütter des Paares waren seit gemeinsamen Kindheitstagen in Stuttgart eng miteinander befreundet.
Als verschiedene Internate sie trennten, versprach die eine der anderen, ihre zukünftige Tochter nach ihr zu nennen. "Dass wir uns dann einmal kennen und lieben lernen würden, damit hatte keiner gerechnet", sagt der 46-Jährige. Noch in den 60er Jahren – zu Zeiten seines Großvaters Niklas – stand im Gutshof im Stadtzentrum ein Misthaufen mit grunzenden Schweinen und gackernden Hühnern. "Heute vermieten wir den Gutshof an die Freiwillige Feuerwehr und Geschäfte. Selbst betreiben wir keine Landwirtschaft mehr."
Bogenparcours und Waldfriedhof
Auch die Forstwirtschaft habe über die Jahre an Bedeutung verloren, weil die Naherholung im Wald immer wichtiger wird. Die Familie hat darauf reagiert und einen Bogenschieß-Parcours und einen Waldfriedhof eröffnet. Erst vor wenigen Tagen traf Salm-Reifferscheidt eine Vereinbarung mit dem Steyregger Bürgermeister über eine Mountainbike-Strecke auf dem 350 Hektar großen Pfenningberg. "Das alles heißt aber auch, dass vielleicht in der nächsten Generation draußen vor der Tür nicht mehr Forst- und Gutsverwaltung Steyregg stehen wird."
Heute lebt die Familie vor allem von der Immobilienvermietung. "Wir haben relativ viel gebundenes Kapital, aber wenig Rendite. Ich kann ja den Pfenningberg nicht einfach verkaufen. Wir müssen uns anpassen und mit der Zeit gehen."
Aus der Familiengeschichte
Niklas von Salm verteidigte Wien gegen die Türken, Franz II. Xaver von Salm-Reifferscheidt finanzierte die Großglockner-Erstbesteigung.
Die Familie Salm war ursprünglich ein Grafengeschlecht aus dem heutigen Belgien von der Burg Salm-la-Vieille. Sie teilte sich in die zwei Hauptlinien der Ober- und Niedersalms auf. Als beide im Mannesstamm erloschen, vermachten sie ihre Besitzungen anderen Adelsgeschlechtern, die sich daraufhin ebenfalls Grafen von Salm nannten. Die Familie Salm-Reifferscheidt gehört zu der Linie der Niedersalms.
Als ausgebildeter Forstwirt und studierter Historiker beschäftigt sich Niklas Salm-Reifferscheidt gerne kritisch mit seinen Vorfahren, um aus ihren Vorzügen und Fehlern zu lernen. Einer der bedeutendsten war der Heerführer Niklas von Salm, der im Jahr 1529 Wien erfolgreich gegen die Türken verteidigte. Von ihm steht im Wiener Rathauspark ein Denkmal, und auch die Wiener Salmgasse ist nach ihm benannt. „Er wird fast nur als großartiger Held bezeichnet. Nicht dazugesagt wird, dass er ein paar Jahre vor der Türkenbelagerung Schladming während der Bauernaufstände niederbrannte. War das eine jetzt gut und das andere nicht? Wenn man das Heroisierende weglässt, dann kommt man schnell zu sehr menschlichen Charakteren“, sagt Salm-Reifferscheidt.
Bedeutend war auch seine Vorfahrin Christine von Salm. Sie war die Urgroßmutter des römisch-deutschen Kaisers Franz I. Stephan, der durch seine Heirat mit Maria Theresia die Linie Habsburg-Lothringen begründete. Eine schillernde Persönlichkeit ist für den aktuellen Steyregger Schlossherrn Franz II. Xaver Salm-Reifferscheidt. Er war der letzte Kärntner Bischof, der noch zum Kardinal ernannt wurde, und organisierte und finanzierte als Pionier des Alpinismus im Jahr 1800 die Erstbesteigung des Großglockners.
Auch große Botaniker und technische Erfinder hießen Salm. „Meine Familie war mit Eisengusswerken in Mähren Vorreiter der Industrialisierung und stellte die ersten Pensionssysteme und Mitarbeiter-Beteiligungssysteme auf die Beine – alles viel zu früh, weil die Zeit noch nicht reif war. Aber wir haben uns immer mit Neuerungen beschäftigt“, sagt Salm-Reifferscheidt. Das präge ihn bis heute, wenn er getreu dem Familienmotto gegen den Strom schwimmt.
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