Recycling-Projekt schont die Natur und die Geldbörse
BRAUNAU, INNVIERTEL. Machbarkeitsstudie zur Zukunft des Klärschlamms: Phosphor-Asche gewinnen statt auf Felder ausbringen. Reinhaltungsverband Braunau und Umgebung setzt auf Regionalität, kurze Wege und kalkulierbare Kosten.
Es geht nicht nur um einen wertvollen Rohstoff. Und es geht nicht nur um belasteten Abfall. Es geht ganz wesentlich um die Umwelt. Und es geht um die Kosten von Abfallbeseitigung, die von Gemeinden und letztlich allen Bürgern zu bezahlen sind. Die nun fertiggestellte Machbarkeitsstudie zur Phosphor-Gewinnung aus Klärschlamm zeigt einen umweltfreundlichen und kostengünstigen Weg auf, der für das gesamte Innviertel relevant ist.
Der Klärschlamm könnte in der Region mittels Sonnenenergie getrocknet und thermisch verwertet, die phosphorhaltige Asche schließlich als Dünger verwertet werden. Diese Variante erscheint in der Studie, die Helmut Knoll, Inhaber eines technischen Büros, erstellt hat, am günstigsten. "Es geht um Gebührensicherheit, diese Variante ist kostenneutral", macht Günter Weibold, Obmann des Reinhaltungsverbandes Braunau und Umgebung, klar, dass die finanzielle Komponente wesentlich ist.
Aber es geht auch um Umwelt und Ressourcen. Denn schon derzeit ist etwa im Land Salzburg und in Bayern nicht mehr erlaubt, Klärschlamm auszubringen. Ebenso nicht für Bauern, die am Umweltprogramm teilnehmen oder biologisch wirtschaften, das seien im Bezirk Braunau drei Viertel, weiß Ferdinand Tiefnig, Bundesrat, Bauernkammer- und Leader-Obmann. Im Klärschlamm steckt nicht nur das wertvolle Phosphor, er enthält auch Bakterien, Viren, Hormone und Schwermetalle. Daher ist die Ausbringung auf Felder in Diskussion, teilweise schon verboten. Dies war für den RHV Braunau und Umgebung Anlass, über Alternativen nachzudenken. Es gehe beim Projekt also auch um Rechtssicherheit, weil zu erwarten ist, dass sich die gesetzliche Lage ändert und die Ausbringung von Klärschlamm auch bei uns verboten wird.
Innviertelweit ein Thema
"Wir wollen Taten setzen", sagt Weibold. Gespräche habe es bereits mit allen relevanten Reinhalteverbänden im Innviertel gegeben, aber es müsse in den Gremien noch diskutiert und beschlossen werden, ergänzt er. Auf den ersten OÖN-Bericht über die Machbarkeitsstudie habe es sogar Anfragen aus Regionen außerhalb des Innviertels gegeben und auch mit Bayern gebe es Kontakte, weiß der RHV-Obmann, dass das Thema auch anderswo virulent ist.
Phosphor ist ein weltweit gefragter, nicht nachwachsender Rohstoff, deshalb ist die Rückgewinnung aus Klärschlamm wesentlich. Das ist auch in der EU Thema. Wenn die Trocknung und Verwertung dezentral in der Region stattfindet, verringern sich die Kosten, erläutert Weibold. "Sonst müsste der nasse und somit schwere Klärschlamm weit transportiert werden", erläutert er.
Beides, sowohl die Trocknung als auch die thermische Verwertung des Klärschlamms sei im Gebiet des Reinhaltungsverbandes Braunau und Umgebung machbar, der sich von Feldkirchen bis St. Peter erstreckt, sagt Obmann Günter Weibold. "Kleine Einheiten sind besser", spricht er sich für mehrere, dezentrale Anlagen aus. Und freut sich, dass auch von anderen Reinhalteverbänden Zustimmung zum Projekt signalisiert wird.
Darum geht's
- Klärschlamm: Schon jetzt darf Klärschlamm nur eingeschränkt auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden. In bestimmten Gebieten und bei naturnaher Landwirtschaft ist es bereits verboten. Es gibt Bestrebungen, die Ausbringung gänzlich zu verbieten. Deshalb ist es für Reinhalteverbände wichtig, sich mit Alternativen zu beschäftigen. Klärschlamm ist, was in Kläranlagen nach der Abwasserreinigung übrig bleibt. Der RHV Braunau und Umgebung gibt jährlich 190.000 Euro für die Entsorgung des Klärschlamms aus.
- Phosphor: Im Klärschlamm steckt neben Rückständen wie Bakterien, Viren, Hormonen und Schwermetallen auch der wertvolle, nicht nachwachsende Rohstoff Phosphor. Dieser kann für Düngemittel weiterverarbeitet werden. Solar getrockneter Klärschlamm verbrennt eigenständig. Nach thermischer Verwertung bleibt die Asche übrig. Die schädlichen Rückstände werden durch die Verbrennung zerstört, die Asche enthält 20 Prozent Phosphor.
- Reinhalteverbände: Zum Reinhaltungsverband Braunau und Umgebung gehören elf Gemeinden. Im Innviertel gibt es 14 Verbands- und einige kleine Gemeinde-Kläranlagen.
- Machbarkeitsstudie: Die Studie wurde vom Leondinger Technikbüro Knoll erstellt, das den RHV Braunau und Umgebung auch sonst berät. Dieser ist Auftraggeber der Machbarkeitsstudie, die zu 80 Prozent von der Leader-Region Oberinnviertel-Mattigtal gefördert wird.
Zahlen und Fakten
- 1,6 Tonnen Mineraldünger werden in Österreich hergestellt, Phosphor-Asche kann dazu verwendet werden.
- 75 Prozent der Landwirte im Bezirk Braunau sind im Umweltprogramm oder Bio, sie dürfen keinen Klärschlamm ausbringen.
- 15 Jahre etwa, dann soll laut Bundesabfallwirtschaftsplan das Ausbringen von Klärschlamm gar nicht mehr möglich sein
Schlamm-Verwertung: Erfahrung seit 15 Jahren und mit 35 Anlagen
Im Vergleich verschiedener Verfahren und Firmen, die die Verwertung von Klärschlamm zum Ziel haben, sticht in der Machbarkeitsstudie der „Solartiger“ aus Gurten hervor. Unternehmer Thomas Rothmaier hat bei der Pressekonferenz in Braunau die Eckdaten des Verfahrens, mit dem er Erfahrung hat, erläutert.
Die solare Trocknung des Klärschlamms braucht relativ wenig Energie- und Technikaufwand. „Es sieht aus wie ein Glashaus“, beschreibt er. Auf einer ebenen Fläche wird der feuchte Klärschlamm, der nach der Abwasserreinigung übrig bleibt, ausgebreitet. Die Sonne, die durchs Glasdach scheint, hilft beim Trocknen. Der Schlamm muss nur durchmischt und frische Luft ins Gebäude gelassen werden. Der Wasserdampf steigt nach oben und wird aus dem Glashaus geleitet. „Transparente Gebäudehülle und ständiges Durchlüften sind wichtig“, erklärt Rothmaier das Prinzip. Er hat schon seit etwa 15 Jahren Erfahrung mit Kläranlagen und verweist auf 35 Anlagen, die sein Unternehmen bereits betreibt.
Die solare Trocknung hat im Verfahrensvergleich, der bei der Machbarkeitsstudie angestellt wurde, die besseren Karten, was Kosten und Energieverbrauch betrifft: 55 Euro pro Tonne bei einer Inputmenge von 10.000 Tonnen pro Jahr. Beim Mitteltemperaturbandtrockner wurden 75 Euro errechnet, beim Kältetrockner 72 Euro.
Auch bei den Varianten zur thermischen Verwertung des Klärschlamms, das ist der nächste Verarbeitungsschritt nach dem Trocknen, liegt die Verbrennungsanlage der Solartiger-GmbH unter den Kosten von Vergasungsanlagen – und zwar fast um die Hälfte niedriger. Dabei wurden bei der Studie zwei verschiedene Mengenvarianten gerechnet.
„Kostenneutral für den Reinhaltungsverband“, nennt Obmann Günter Weibold (Braunau und Umgebung), was ihm wichtig ist. Die Firma Solartiger betreibt einige Anlagen in Eigenregie und auf eigenes Risiko. „Wir fixieren den Preis vor Vertragsabschluss und machen langfristige Verträge“, ist Rothmaier für klare Abmachungen im Vorhinein. Weibold spricht von einer GmbH, in der auch die beteiligten Reinhalteverbände als Partner im Boot sind.
Interesse an der Verwertung des Klärschlamms haben auch andere Reinhalteverbände im Innviertel, in benachbarten Regionen Oberösterreichs und Bayerns gezeigt.
Selbst wenn in Zukunft der Klärschlamm zu Müllverbrennungsanlagen gebracht werden muss, ist eine vorherige Trocknung sinnvoll. Weil der Klärschlamm dann viel weniger wiegt und viel weniger Masse hat, was den Transport wesentlich verbilligt. Der Trend geht aber dahin, den Klärschlamm nicht mit anderen Abfällen zu verbrennen, weil so auch der wertvolle Rohstoff Phosphor, der im Schlamm enthalten ist, verloren geht. Die Kostenfrage ist auch für die Gemeinden virulent, die Beiträge an die Reinhalteverbände entrichten müssen.
Zukunftsthema für alle Reinhalteverbände
Vierzehn Verbandskläranlagen gibt es im Innviertel und dazu noch einige kleinere Gemeindekläranlagen. Der Reinhaltungsverband Braunau und Umgebung (RHV BU) ist innviertelweit einer der größten, in der Kläranlage am Braunauer Inn-Ufer kommen die Abwässer aus elf Gemeinden an. Weil der Kostendruck im RHV BU besonders hoch ist, sind Obmann Günter Weibold und Geschäftsführer Hermann Hauser initiativ geworden.
Projektmitarbeiterin Claudia Huber und das Ingenieurbüro Knoll wurden einbezogen, eine Machbarkeitsstudie erstellt, die anderen RHVs im Innviertel informiert. Die Leader-Region Oberinnviertel-Mattigtal ist als Förderpartner dabei. „Wir haben uns sehr intensiv mit der Causa beschäftigt“, sagt Weibold. Auch Exkursionen zu bereits bestehenden Klärschlammverwertungsanlagen gehörten zu dieser Einarbeitung ins Thema.
Derzeit muss für den Klärschlamm des RHV BU ein externes Lager angemietet und ein Abnehmer bezahlt werden. Rund 190.000 Euro kostet das pro Jahr, Tendenz stark steigend, weil es immer weniger Bauern gibt, die Klärschlamm abnehmen (dürfen). In Simbach wird das Endprodukt der biologischen Abwasserreinigung nach Burgkirchen an der Alz gebracht und dort mit anderem Abfall verbrannt. „Braunau liegt räumlich viel näher“, hofft Weibold auch auf Interesse jenseits der Grenze.
"Die Asche enthält 20% Phosphor"
Was enthalten die restlichen 80% - Wieder die Schwermetalle, wieder die restlichen Giftstoffe, welche durch die Verbrennung noch nicht in die Luft gejagt wurden? Jeder lässt sich nur teuschen von: "Die Asche enthält 20% Phosphor"
Ja, die Asche enthält wohl alle anorganischen Stoffe sowie auch Phosphor. Allerdings sind sämtliche organischen Bestandteile wie Hormone, Medikamente, Plastik verbrannt - in erster Linie zu CO2.
Nicht perfekt, aber immerhin. An Phosphor-Rückgewinnungsmethoden aus Asche wird geforscht - Bessere Vorschläge?
Was mir in dem Artikle fehlt:
Eine genauere Beschreibung der "thermischen Verwertung"?
Warum wird das Wort "Pyrolyse" dabei nicht erwähnt?
Pyrolyse ist meines Wissens eine unvollständige Verbrennung bzw. Verkohlung mit relativ hohem Restkohlenstoff-Gehalt im Rest.
Da bei Klärschlamm aber alle organischen Schadstoffe beseitigt werden sollen, auch die kleinen, robusten (Medikamente und Plastik sowie Krankheitserreger), ist dafür eine vollständigere Verbrennung vorgesehen - keine Verkohlung.