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Wo sich das Eis entfernt

Von Bernhard Lichtenberger, 29. Juli 2017, 00:04 Uhr
Die beiden Bergsteiger waren auf dem Weg zur Simonyhütte auf 2203 Meter Höhe. Bild: Christoph Mitterer

Vor 140 Jahren wurde auf 2203 Metern Höhe die Simony-Hütte eröffnet. Seit 2010 ist Christoph Mitterer der Hausherr des Dachstein-Basislagers.

Wo einst das Eis noch am Fels leckte, ist heute vom Hallstätter Gletscher nichts mehr zu sehen. Als Friedrich Simony 1840 das ausgedehnte Weiß zum ersten Mal sah, drängte es ihn, "den Gletscher so rasch als möglich selbst zu betreten". An dessen Fuß bestimmte der Dachsteinforscher im Jahr 1875 jenen Platz, auf dem ihm zu Ehren von der Sektion Austria des Alpenvereins die 25. Schutzhütte der Ostalpen errichtet wurde. Im Beisein von 83 Personen wurde das Refugium am 18. August 1877 feierlich eröffnet – und damit auch die touristische Lust auf das gewaltige Massiv geweckt.

"Es ist erschreckend"

Längst ist mit freiem Auge sichtbar, dass das Eis kein ewiges ist. "Das ist der absolute Wahnsinn", sagt Christoph Mitterer, der die Simonyhütte im achten Jahr als Pächter betreibt. Der 38-Jährige aus Saalbach-Hinterglemm schätzt, dass sich die mittlere Zunge seit seinem Einstand "sicher um 150 Meter zurückgebildet hat. An vielen Stellen höre ich das Wasser rinnen, das sich schon vor den Felsen im Grund verliert. Die Schotterfelder werden immer mehr. Es ist erschreckend".

Wo sich das Eis entfernt
Christoph und Doris Mitterer Bild: privat

Wenn das Wetter mitspielt, hat der gelernte Koch und Bergretter in seinem hochalpinen Reich alle Hände voll zu tun. Dann treibt es ihn um fünf Uhr früh aus den Federn, um mit seinen Mitarbeitern mehr als hundert Bewegungshungrigen das Frühstück zu bereiten. Wenn diese zu den Gipfeln des Plateaus ausschwärmen, wird aufgebettet, geputzt und für die Tagesgäste gekocht, die vom Krippenstein herüberwandern. Das Abendgeschäft endet um Mitternacht. "Und bis ein Uhr erledige ich in meinem Zimmer das, was ich Büroarbeit nenne", sagt Mitterer.

Zum Dasein als Hüttenwirt im Salzkammergut sei er gekommen "wie die Jungfrau zum Kind". Eigentlich hatte er sich auf Empfehlung eines Freundes für das Zittelhaus auf dem Sonnblick beworben, "da war ich aber nur trauriger Zweiter". Dann fragte ihn die AV-Sektion Austria, ob er die Simony-Hütte haben wolle. "Und so konnte ich das Berg-Hobby zum Beruf machen."

Friedrich Simony selbst fotografierte die nach ihm benannte Schutzhütte im Eröffnungsjahr 1877. Bild: Christoph Mitterer

Der ursprünglich unbewirtschaftete und mehrmals erweiterte Bergsteiger-Stützpunkt bietet 42 Betten und 94 Plätze im Matratzenlager an. Zu Zeiten Simonys nächtigte es sich noch nicht so gemütlich. Unweit des Standortes hatte der Alpenforscher 1843 für seine Erkundungen eine Felsenhöhle mit Steinen, Holz und einem Mooslager zu einem kleinen Unterstand erweitert, das der Volksmund auf den Namen "Hotel Simony" taufte – und das heute noch zu sehen ist.

Für Christoph Mitterer war Simony "ein Entdecker, der sich für die Heimat interessiert hat und der wissen wollte, was es außer dem Tal noch gibt". Er habe den Dachstein bekannt gemacht, "und wir leben alle sehr gut von dessen Beliebtheit". Mitterer, der seit zehn Jahren auch als Lawinenhundeführer engagiert ist, stand etwa 20 Mal auf dem Gipfel des Hohen Dachsteins – wobei er Touren auf das Hohe Kreuz oder den Niederen Dachstein mittlerweile als reizvoller erachtet: "Da hat man mehr Ruhe."

Der Unterstand, den der Dachsteinforscher 1843 errichtete, wurde von den Einheimischen „Hotel Simony“ genannt. Bild: wikicommons

Kein Schnickschnack

Wenn es um das leibliche Wohl seiner Gäste geht, verzichtet der Koch auf "Schnickschnack", da werden Erdäpfelgulasch, Kasnocken und der unvermeidliche Kaiserschmarrn serviert, "wobei ich mich auch immer frage, warum gerade der auf Hütten so beliebt ist", sagt Mitterer, der außerhalb der Saisonen mit seiner Frau Doris in Garsten wohnt. Wenn er nach dem Bergrummel ins Tal kommt, sei seine Herzensdame "die ersten 14 Tage beleidigt, weil ich nur schlafe". Er wäre aber nicht Koch, wenn er die Verstimmte nicht einkochte: "Dann mach’ ich ihr Germkrapfen mit Kraut, und es passt wieder", sagt Mitterer und lacht.

 

Touren

  • Zur Simonyhütte: Von Hallstatt durch das Echerntal über das Wiesberghaus auf dem Reitweg in 5 bis 6 Stunden; von der Bergstation der Krippensteinbahn über die Kaserne Oberfeld in ca. 3 Stunden
  • Von der Simonyhütte: Hoher Dachstein (2995 m) über den Hallstätter Gletscher und den Randkluftsteig in 3 Stunden; Hoher Gjaidstein (2792 m) in 2 1/2 Stunden; Hoher Ochsenkogel (2520 m) in 2 Stunden; Taubenkogel (2301 m) in ca. 2 Stunden; Schöberl (2426 m) über den Klettersteig in 45 Minuten

 

Alpenforscher und Stifterfreund

Friedrich Simony (1813–1896): Der Dachstein war sein Leben

Als ein „Eroberer der Landschaft“ ist sein Name untrennbar mit der Erforschung und touristischen Erschließung des Dachsteins verbunden. Friedrich Simony, am 30. November 1813 als lediges Kind im nordböhmischen Hrochowteinitz geboren, vereinte viele Begabungen. Er war Wissenschafter, Alpinist, Abenteurer, Lehrer, Maler, Zeichner, Fotograf und akribischer Schreiber, der seine Beobachtungen und Gedanken in 86 Notizbüchern festhielt. Er ebnete beratend den Weg zum Österreichischen Alpenverein, der 1862 in Wien gegründet wurde, um „die Kenntnis von den Alpen zu verbreiten, die Liebe zu ihnen zu fördern und ihre Bereisung zu erleichtern“.

Alpenforscher und Stifterfreund
"Ein unheimlicher Schauer rieselte über meinen Körper, als ich mich plötzlich so ganz allein und verlassen auf der fürchterlichen Zinne sah." Friedrich Simony (1813–1896), nachdem er im September 1843 eine Nacht auf der Dachsteinspitze verbracht hatte

Als 27-Jähriger wandert Simony 1840 zu Fuß von Wien ins Salzkammergut, sucht den Hallstätter Gletscher auf und erklimmt den Gjaidstein (2792 m). Zwei Jahre später wagt er sich auf den Hohen Dachstein (2995 m), den 1832 der Filzmooser Peter Gappmayr als Erster bestiegen hatte.

„Kühnes Vorhaben“

Ein „kühnes Vorhaben“ des Naturmenschen im Dezember 1842 lässt die Einheimischen den Kopf schütteln. „Alle grellen Schilderungen der Schrecknisse eines Alpenwinters, der grundlose Schnee, die grimmige Kälte, einfallende Nebel oder wohl gar plötzliches Schneegestöber, die Wahrscheinlichkeit, ja fast Gewissheit unseres Unterganges in denselben, alles dies scheiterte erfolglos an unserem felsenfesten Entschluss“, schrieb Simony, dem mit seinem Hallstätter Bergführer Johann Wallner die erste Winterbesteigung des Dachsteins glückte.

Die Abenteuerlust des neugierigen Mannes aus Böhmen war damit längst nicht befriedigt. Im September 1843 verbrachte er zwei Nächte auf dem Kalkalpen-Riesen. „Ein unheimlicher Schauer rieselte über meinen Körper, als ich mich plötzlich so ganz allein und verlassen auf der fürchterlichen Zinne sah“, schilderte er dieses Hochgebirgserlebnis.

50 Jahre seines Lebens widmet der Seen-, Klima-, Gletscher- und Eiszeitforscher dem Massiv. Die Vermessungen und Erkenntnisse gipfeln im Monumentalwerk „Das Dachsteingebiet, ein Charakterbild aus den österreichischen Nordalpen“. Friedrich Simony findet und markiert Wege, etwa seinen so oft gegangenen, der von Hallstatt durch das Echerntal, vorbei an Tropfwand und Wiesalpe hinauf zum Plateau und seinen Gipfeln führte.

Erster Klettersteig

Ihm ist auch der erste Klettersteig der Ostalpen zu verdanken, nachdem er seinen ersten Aufstieg über die Randkluft auf den Hohen Dachstein als „recht abscheuliches Klettern“ empfunden hatte. „Möchte sich doch ein begüterter Freund der Alpennatur finden und zur Gangbarmachung eine kleine Summe opfern“, schrieb Simony in einem Brief und sammelte bei reichen Kurgästen in Bad Ischl. Mit dem Geld versicherten er und sein treuer Seilgefährte Wallner den Weg mit Eisenzapfen, Haken, Tritten, Leitern und Seilen.

Der Freund des Schriftstellers Adalbert Stifter, den eine gemeinsame Wanderung zur Erzählung „Bergkristall“ inspirierte, stand mit 73 Jahren zum letzten Mal auf dem Gipfel, der sein Leben prägte. Erblindet und im Rollstuhl sitzend, stirbt Simony am 20. Juli 1896 in seinem Haus im steirischen St. Gallen.

 

 

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