Von der Leidenschaft, etwas bewegen zu wollen
Tanzen ist Bewegung, ist Ausdruck, ist Körpersprache, ist Leben. Reinhold Gruber hat in Linz Frauen getroffen, die eine gemeinsame Mission haben.
Es tanzt ein jeder irgendwann einmal in seinem Leben. Mehr oder weniger. Meist weniger. Denn mit dem Tanzen ist das so eine Sache. Die meisten Menschen zieren sich, wenn es ums Tanzen geht. Viele fühlen sich beobachtet und entsprechend unsicher. Im Zweifelsfall hilft ein Satz: Ich kann nicht tanzen.
Dieser Satz würde Ulrike Hager so wenig über die Lippen kommen wie Ilona Roth, Lena Setzwein oder Bianca Anne Braunesberger. Sie alle können tanzen, wobei sie nicht in vorgegebenen Schrittfolgen gefangen sind. Sie leben die Individualität einer Bewegungsform aus, die es ihnen möglich macht, ihre Geschichten zu erzählen.
Sie tanzen für ihr Leben gerne, teilen die Faszination für dieses kreative Ausdrucksmittel. Gemeinsam wollen sie noch mehr. Dem Tanz einen höheren Stellenwert geben, Linz zur Bühne des zeitgenössischen Tanzes machen. Eine Begegnungszone schaffen, in der sich Tanzbegeisterte und Tanzinteressierte austauschen können.
Das "Tanzhafen-Festival" in Linz ist ab 23. April so ein Zeichen, das die Frauen setzen wollen. Dabei geht das Projektteam, zu dem neben den bereits genannten noch Verena Wiesinger und Romana Schiller gehören, einen offenen Weg. Sie filtern nicht vor, sondern wollen, was sie in Linz im Übrigen das ganze Jahr über tun, einen Einblick in eine Szene ermöglichen, die bunt und vielfältig ist. Verschiedene "Anlegestellen", wie sie die ausgesuchten Spiel- und Erlebnisorte des Festivals nennen, dienen dazu, professionelle und kurze Tanzstücke zu präsentieren. "Das ist eine ideale Form, um dem Publikum einen weiten Einblick in die Kunstform des zeitgenössischen Tanzes zu bieten", sagt Ilona Roth.
Auf Begriffsbestimmungen, was denn nun zeitgenössischer Tanz sei, wollen sie sich gar nicht erst einlassen. "Zeitgenössischer Tanz enthält viel Neues. Dafür gibt es keine Denkvorlagen. Man muss sich seine eigene Meinung bilden", meint Roth und lächelt.
Sichtweisen sollen vermittelt werden, ergänzt Ulrike Hager. Kunstvermittlung sieht Lena Setzwein als Schlüssel. "Das Publikum fühlt sich wohler mit Denkvorlagen", sagt sie. Wer also schon vorher weiß, was auf der Bühne tänzerisch dargestellt wird, fühlt sich offenbar mit Barrieren konfrontiert. Salopp formuliert: Was ich möglicherweise nicht verstehe, muss ich mir erst gar nicht ansehen. Wohl wissend, dass Tanz in diesem Sinne Schwellenängste auslösen kann, bleiben die Frauen auf ihrem Weg. "Tänzer wollen das Thema offen halten, wollen mit ihren Bewegungen Bilder erzeugen, die bei den Zusehern hängenbleiben", sagt Lena Setzwein. Der künstlerische Anspruch brauche keine Information im Vorhinein, weil die Diskussion danach viel wichtiger ist. Deshalb wird es beim "Tanzhafen-Festival" sogenannte Tanz-Salons geben. In denen wird die Begegnung gefördert, das Gespräch danach zwischen Tänzerinnen und Tänzern sowie den Zusehern gesucht – und hoffentlich auch gefunden.
Zum Denken anregen. Das ist es, was sie alle wollen. Wenn sie selbst tanzen, ihr Inneres nach außen kehren und so auch ein Stück weit in ihre eigenen Seelen blicken. Diese Denkanstöße sind aber auch Kernpunkte des Festivals. In einer Zeit der großen gesellschaftlichen Veränderungen kann ein wenig "Hirnfutter", ein wenig geistiger Nahrungs-Zusatz nicht schaden.
Dass der zeitgenössische Tanz, wie ihn Frauen wie Lena Setzwein oder Ilona Roth verstehen und leben, viele Assoziationsfelder öffnen kann, macht ihn so interessant. Den Menschen Appetit darauf zu machen, ist ein Ziel des Festivals, in dem praktisch alle Teilnehmer einen Linz-Bezug haben, was keineswegs provinziell ist, sondern ein Zeichen dafür, dass sich in dieser Stadt eine starke Szene gebildet hat. Die sollte halt nur etwas mehr Beachtung finden. Das Festival könnte einen Beitrag dazu leisten. Für die Organisatorinnen ist ein Ziel aber ohnedies schon erreicht. "Unsere Grundmotivation ist immer, etwas bewegen zu wollen", sagt Ulrike Hager. Der Blick in die Runde der Frauen macht klar, dass das nicht einfach so dahergesagt ist. Denn bewegen wollen mit etwas, das bewegt, in dem man selbst mit der Bewegung des Körpers spielt und etwas damit ausdrückt, kann bewegend sein. Für sie ist es das schon.
Das Festival
Vom 23. bis 27. April feiert Linz den zeitgenössischen Tanz in all seinen Facetten. Beim „Tanzhafen-Festival“ locken verschiedene „Anlegestellen“. Ein Großteil der Programmpunkte bietet kostenfrei die Chance, näher kennenzulernen, was man so vielleicht noch nicht gekannt hat.
Der Festivalauftakt ist am Mittwoch, 23. April, ab 19 Uhr mit Vorstellungen im Deep Space des Ars Electronica Center. Die Verschränkung von Tanz- und Medienkunst steht hier im Vordergrund. Tom Hanselmaier, der bereits internationale Erfolge gefeiert hat, ist einer, der an diesem Tag zu sehen sein wird. Im Anschluss an die Vorstellungen findet ein „Tanzsalon“ im „Raumschiff“ (Hauptplatz 5) statt, bei dem das Gespräch mit dem Publikum gesucht wird. Ein Konzert mit Anna Katt rundet den Tag ab.
Tag für Tag werden beim Festival andere thematische Schwerpunkte gesetzt. Am 24. April ist das Lentos Kunstmuseum ab 18 Uhr Bühne für fünf Tanzproduktionen. Das Lentos steht dem Festival auch am 25. und am 27. April zur Verfügung. Der Freitag (25. April) widmet sich ab 15.30 Uhr den „Community Arts“. Damit sind Tanzprojekte gemeint, die vor allem mit Amateuren unter professioneller künstlerischer Betreuung entwickelt werden. Konzeptkunst prägt den letzten Festivaltag.
Der Posthof wird am 26. April die große Bühne für das Festival. Headliner ist die Editta Braun Company. Alle Details zum Festival: www.tanzhafenfestival.com