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Warum es fairen Fisch nicht gibt

Von Klaus Buttinger, 01. Juni 2013, 00:04 Uhr
Warum es fairen Fisch nicht gibt
Hochwertiger Fisch wie der Thun verbleibt nicht in den Entwicklungsländern, sondern geht in die Industrieländer. Bild: EPA

Fischfang soll nachhaltiger werden, sagt die EU. Wie viel da noch zu tun ist und wie viel Fisch zu viel ist, darüber berichtet Fischereiexperte Francisco Mari.

OÖNachrichten: Bitte um eine kurze Diagnose! Wie geht es dem Meer?

Mari: Das Meer als Ökosystem ist sehr sensibel und mehrfach bedroht – und damit die Menschen, die an seiner Küste leben. Fisch als Lebensgrundlage in den Entwicklungsländern wird knapp. Neben der Überfischung haben es mit den Auswirkungen des Klimawandels zu tun – Übersäuerung und Anstieg des Meeresspiegels – zudem mit den Fragen der Industrialisierung der Meeresküste, insbesondere der Verschmutzungen durch die Öl- und Gasförderung, des Düngemitteleintrags sowie des Plastikmülls und der Verschmutzung durch die Schifffahrt.

Werden die Selbstheilungskräfte des Ozeans unterschätzt? Beispiel: Durch Piratenüberfälle mieden industrielle Fangschiffe die Küste vor Somalia. Die Fischfauna erholte sich dort sehr rasch, lokale Fischer profitierten.

Ähnliche Erfahrung hat man an der Nord- und Ostsee während der Weltkriege gemacht. Viele Fischarten schaffen es, sich bei Nichtbefischung so weit zu erholen, dass ihr Bestand wieder einigermaßen in Ordnung ist. Auch nach der Katastrophe der Exxon Valdez (löste 1989 vor Alaska eine Ölpest aus, Anm.) hat sich die Meeresküste schneller erholt als erwartet. Doch die Bedrohungen haben in den vergangenen 20 Jahren stark zugenommen. Wir erleben, dass sich ein Bestand selbst nach 20-jähriger Nichtbefischung nicht erholt – etwa der Kabeljau vor Neufundland. Am Mittelmeer sehen wir teilweise biologisch tote Küsten.

Können Fische, die aus Aquakulturen stammen, die Probleme mildern?

Aquakulturen sind das einzige Angebot, das überhaupt ein Mehr an Fischkonsum ermöglicht. Seit zwanzig Jahren ist aus den Meeren nicht mehr herauszuholen. Dass die Fänge mit 80 Millionen Tonnen jährlich immer noch so hoch liegen, hängt mit einer immensen Technisierung der Fangboote zusammen, die auch noch den letzten Schwarm jagen und immer tiefer fischen. Allerdings lassen sich beliebte Fische aus der Aquakultur wie der Lachs nur mit Fischmehl füttern. Wo soll der Futterfisch herkommen? Für ein Kilo Zuchtfisch braucht man fünf bis 15 Kilo frischen Fisch.

Inwieweit spielt Landwirtschaft in die Fischerei hinein?

Durch Düngemittel- und Pestizidreste vorwiegend an den Küsten von Industrieländern. Sie führen zu großem Rückgang beim küstennahen Fischfang. Das sehen wir an der Nordsee, der südfranzösischen und südspanischen Küste. Durch den Düngemitteleintrag ins Meer wachsen Algen, die den Fischen den Sauerstoff wegnehmen. Das führt auch zu einer Veränderung des pH-Werts, den viele Fische nicht überleben.

Welche politischen Forderungen leiten sich aus dieser Analyse ab?

Auf europäischer Ebene wäre das eine einfache Formel. Man darf nicht so viel fischen, dass sich der Fisch nicht mehr reproduzieren kann. Man muss die Fangquoten an die wissenschaftlichen Empfehlungen anpassen. Das jährliche Geschacher um die Fischquote entsprechend der nationalen Bedürfnisse muss aufhören. Darüber hinaus muss der Beifang stark reduziert werden. Es kann nicht sein, dass für ein Kilo Seezunge bis zu sieben oder acht Kilo Beifang mit im Netz ist. Künftig sollen die Fischer den Beifang nicht mehr zurückwerfen dürfen, was ihre Fangkapazität reduziert. So erhofft man sich, dass die Fangboote mit Netzen fischen, die den Beifang reduzieren. Für die Entwicklungsländer wäre es wichtig, dass die großen Fabrikschiffe, die so gar nicht mehr dem Zustand der Meere entsprechen, nicht mehr in die Fangzonen der kleinen Fischer einfahren dürfen.

Aber da wird ja getrickst, dass man nur noch staunt …

Da wird zum Beispiel umgeflaggt, damit ein und dasselbe Fangschiff mehrmals in dieselbe Fangzone einfahren kann. Das soll nun verboten werden.

Wie arbeiten andere Fischfangnationen?

Vor allem chinesische und koreanische Boote fischen sehr oft ohne Lizenzen. Trotzdem kommt ein Teil dieser Fische auf den europäischen Markt, indem europäische Fangboote den illegalen Booten den Fisch abkaufen und ihn in europäischen Häfen als ihren Fang ausgeben. Das hat sich vor allem vor Westafrika eingebürgert. Der Hafen von Las Palmas dient quasi als Fischwaschanlage. Die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, Anm.) schätzt, dass bis zu 40 Prozent der Fische, die wir konsumieren, illegal gefangen wurden. Das muss erheblich reduziert werden.

Ist der Verzicht auf Meeresfisch eine praktikable Antwort auf diese Missstände?

Weder in Österreich noch in den anderen Industrieländern braucht man Fisch, um seinen Eiweißbedarf zu decken. Gerade in armen Ländern macht Fisch aber die Hälfte bis zwei Drittel des Eiweißbedarfs aus. Der Fisch sollte den Menschen dort erhalten bleiben. Derzeit geht die Hälfte des weltweiten Fischfangs in die Industrieländer und davon 70 Prozent in den größten Markt für Fisch – die EU.

Österreich importiert den Großteil des Fischs aus Deutschland ...

In Österreich wird hauptsächlich panierter Seelachs konsumiert und Thunfisch. Die Packung der Fischstäbchen kommt aus Deutschland, der Fisch aus dem Pazifik.

Ist Fisch, dessen Packung die Auszeichnung MSC (Marine Stewardship Council/nachhaltige Fischerei) trägt, bedenkenlos zu konsumieren?

Bei diesem Label kann man davon ausgehen, dass nicht mehr Fisch gefangen wird, als sich reproduzieren kann. Nicht sicher bin ich bezüglich der sozialen Kriterien; ob zum Beispiel die Menschen an den Küsten beteiligt wurden oder es sich – wie anzunehmen ist – um bloße Industriefischerei handelt. Fairen Fisch gibt es nicht.

Was geben Sie jemandem zu bedenken, der sagt: „Ich esse zweimal die Woche Fisch, weil das für die Gesundheit empfohlen wird.“

Das ist ein Luxus der Industrieländer. So kann es nicht sein. Es gibt einfach nicht genug Fisch. Würde sich die ganze Menschheit an diese Empfehlung halten, bräuchte man doppelt so viel Wildfang: 160 Millionen Kilo! Das wäre das Ende der essbaren Fischreserven.

Die Alternative?

Gerade Österreich hat einheimischen Fisch aus Flüssen und Seen.

Der meiste Fisch aus Österreich stammt aus Zuchtanstalten, wo wieder Fischmehl verfüttert wird.

Nicht nur. Friedfische wie Karpfen fressen keinen Fisch.

Woher stammt das Fischmehl?

Das ist der Fisch, von dem sich die Entwicklungsländer letztlich ernähren.

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 01.06.2013 04:26

Den Diskontern wird's wurscht sein, man sieht es an den Aktions-Preisen für heimischen Lebensmittel, welche Wertschätzung sie für hochwertige Produkte haben.
Da lob ich mir den heimischen Fischbestand an den unregulierten, Bruttauglichen Gewässern, die ohne extra Zufütterung ein Luxusprodukt für den Teller fabrizieren.
Allerdings, der Konsument will es nicht.

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