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Musikalisch grandioser Troubadour aus dem Regietheater-Museum

Von Michael Wruss, 13. Jänner 2020, 00:04 Uhr
Musikalisch grandioser Troubadour aus dem Regietheater-Museum
Federico Longhi als machtbesessener Conte di Luna mit seinen soldatischen Michelin-Männchen samt roten Tarnkappen. Bild: Reinhard Winkler

Linzer Musiktheater: Premiere von Giuseppe Verdis Oper "Il trovatore".

Ein Riesentriumph für das Bruckner Orchester und Dirigent Enrico Calesso, den Generalmusikdirektor des Mainfranken Theaters Würzburg. Das war die Premiere von Giuseppe Verdis Oper "Il trovatore" am Samstag im Linzer Musiktheater zuallererst. Einen ebenso großen Erfolg feierten die Sänger. Die Inszenierung blieb dagegen blass und übte sich kaum erhellend im Zitieren vergangener Regietheater-Interpretationen.

So unplausibel, wie oft behauptet, ist die Handlung gar nicht, wenn man sie aus dem Blickwinkel einer zutiefst von der Ermordung ihrer Mutter auf dem Scheiterhaufen und der Tötung des eigenen Kindes traumatisierten Frau begreift. Dann wird auch klar, welche politische Dimension – außer der offiziell nicht standesgemäßen Liaison zwischen Manrico und Leonora – Antonio Garcia Gutiérrez’ Drama vorgibt.

Musikalisch grandioser Troubadour aus dem Regietheater-Museum
Katherine Lerner (Azucena), Sung-Kyu Park (Manrico) Bild: Reinhard Winkler

Wo bleibt das innere Drama?

Das alles bleibt bei Regisseur Gregor Horres vage. Er konzentriert sich auf den militärischen Aspekt des Bürgerkriegs in Aragonien, der auch optisch dominiert – vor allem durch lächerlich wirkende Six-Pack-Shirts der Soldateska, in denen die meisten wie fleischfarbene Michelin-Männchen mit roten Tarnkappen aussehen. Das innere Drama der durch den Krieg Gebeutelten – und das macht diese scheinbar so verworrene Oper aktuell – bleibt ausgespart. Wie viele Flüchtlinge aus allen Krisenherden der Welt haben ähnliche Grausamkeiten erlebt? Aber auch das szenische Konzept (Jan Bammes) ist unentschlossen und zitiert selbst vergangene Linzer Produktionen – auch beim letzten Mal durfte Leonore im vierten Akt zwischen den Särgen der gefallenen Aufständler wandeln, nun sind es in schwarze Plastiksäcke gewickelte Körper, die fein säuberlich sortiert auf dem Boden liegen. Das hat man nicht nur in Linz schon gesehen, und so wirkt die Inszenierung wie das Panoptikum eines Opernmuseums des 20. Jahrhunderts.

Das Bruckner Orchester beweist seine Meisterschaft auch mit Verdi, zumal man den Orchestergraben derart hochgefahren hatte, dass die Musiker nur über den Zuschauerraum einsteigen konnten. Die klangliche Bereicherung der technischen Übung war enorm. Nur so hören die Musiker die Sänger und können auch ohne drohende Dirigentengebärden reagieren. So subtil und klanglich delikat abgestimmt erlebt man diesen Verdi selten, der oft wegen der häufigen Dreiertakte wie bleierne Tanzmusik klingt.

Hier hat der aus Treviso stammende und in Venedig und Wien ausgebildete Calesso allerbeste Arbeit geleistet. Erfreulich auch die rollenadäquate Besetzung vorwiegend mit Gästen: Allen voran Izabela Matula, die als Leonora alle stimmlichen Qualitäten mitbringt, um diese vielschichtige Partie wirklich umfassend zu gestalten, aber auch über genügend schauspielerisches Können verfügt, um das Gesungene plausibel auf die Bühne zu bringen. Ebenso Federico Longhi, der die skrupellose Machtbesessenheit des Conte di Luna deutlich artikulierte und sich dabei stimmlich von Moment zu Moment steigerte. Sung-Kyu Park ist ein feiner, höhensicherer Manrico, der zwar die "zweite Strophe" der Cabaletta ausgelassen hat und im Aktfinale bis auf das hohe C schwieg, aber sonst fein agierte.

Großartig auch die am Haus engagierte Katherine Lerner, die mit der Azucena eine Traumpartie für sich gewinnen konnte und jene traumatisierte wie nach Rache sinnende Frau ideal verkörperte. Dominik Nekel führte als stimmlich herausragender Ferrando das Ensemble an und komplettierte wie der ebenfalls bestens studierte und disponierte Chor das musikalische Gesamtereignis.

Fazit: Ein Verdi‘scher Troubadour, wie man ihn kaum besser musizieren und singen kann, der aber inszenatorisch auf der Stelle tritt.

"Il trovatore", Oper in vier Teilen von Giuseppe Verdi, Linzer Musiktheater, Premiere: 11. Jänner. Musikalische Leitung: Enrico Calesso, Regie: Gregor Horres. Termine: 14., 18., 28. Jänner; 9., 15., 21., 24., 26. Februar; 6., 11., 13., 18., 20., 31. März, 2. April, 13. Mai. Info/Karten: 0732/76 11-400, www.landestheater-linz.at

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Autor
Michael Wruss
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3  Kommentare
3  Kommentare
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kallewirsch63 (2.124 Kommentare)
am 14.01.2020 22:50

Ich hingegen fand die Inszenierung einfach nur schrecklich.
Das mag zu einem großen Teil am minimalistischen Bühnenbild liegen, welches sich aus quadratischen Säulen zusammen setzt, die immer wieder neu arrangiert werden und sonst nichts.
Welche Botschaft in den beiden Engeln steckt (ein weißer und ein schwarzer) erschliesst sich mir nicht. Ich hatte den EIndruck, sie sind nur deswegen auf der Bühne, weil der Regisseur den EIndruck hatte, hier wäre ein freier Raum und in den müsste man etwas heineingeben. Ich wollte erst schreiben "ihn mit Leben füllen", aber das würde einen falschen Eindruck hinterlassen. Denn beispielsweise unter einem Zigeuenerlager stelle ich mir etwas anderes vor als einen Chor von dem man den Eindruck hat jeder Sänger sucht auf der Bühne nach seinem Kreuzchen am Boden und dort bleibt er dann die ganze Zeit stehen.

Musikalisch allerdings kann man nicht meckern - alles erstklassig.

Ich bin trotzdem in der Pause nach Hause gegangen.

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hanix (684 Kommentare)
am 13.01.2020 12:42

Ich war von der gesamten Vorstellung einschließlich der Inszenierung sehr beeindruckt.
Die Kostüme haben auf mich nicht den Eindruck erweckt "fleischfarbene Michelin-Männchen mit roten Tarnkappen" darzustellen.

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Bergonzi (4.578 Kommentare)
am 13.01.2020 07:33

die armen Sänger, die da "mitspielen" müssen!

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