Jan Philipp Gloger wird neuer Volkstheaterdirektor
WIEN. Der neue Volkstheater-Direktor Jan Philipp Gloger (42) war in letzter Zeit in Wien als Regisseur vielbeschäftigt.
Im September 2022 gab er mit Millöckers "Die Dubarry" sein Volksopern-Debüt, im Herbst 2023 inszenierte er "Die Nebenwirkungen" von Jonathan Spector, ein Stück über eine Mumps-Epidemie in denn USA, im Burgtheater. Ausgerechnet am Volkstheater hat der derzeitige Schauspieldirektor in Nürnberg, der auch schon in Bayreuth gearbeitet hat, noch nicht inszeniert.
"Die österreichische Hauptstadt ist ihm näher als die deutsche", stellte schon der Kritiker der "Nürnberger Nachrichten" fest, der am Tag nach Glogers Burgtheater-Premiere mit dem Regisseur ins Café Tirolerhof ging. "Und wenn man in Wien das notorisch nörgelnde und schwer verwöhnte Publikum auf seine Seite bekommt, dann hat man es irgendwie geschafft."
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Glogers Werdegang
Geboren am 14. Dezember 1981 in Hagen, studierte Gloger Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen und Regie an der Zürcher Hochschule der Künste. Während des Studiums arbeitete er als Bühnenmusiker, hospitierte bei Johan Simons und assistierte der Gruppe Rimini Protokoll. Seit 2007 arbeitet er als Schauspielregisseur und inszenierte unter anderem am Bayerischen Staatsschauspiel in München, am Deutschen Theater und an der Schaubühne in Berlin, am Staatsschauspiel Dresden, am Nationaltheater Mannheim und an den Staatstheatern in Wiesbaden, Karlsruhe und Mainz, wo er 2011 bis 2013 Leitender Regisseur im Schauspiel war.
Einige Uraufführungen von Stücken von Philipp Löhle, von Elfriede Jelineks "Das Licht im Kasten" am Düsseldorfer Schauspielhaus oder die Deutschsprachige Erstaufführung von Ayad Aktars "Junk" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg belegen sein Interesse an zeitgenössischer Dramatik. Als Regisseur hat Jan Philipp Gloger in Wien bisher keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Bei "Die Nebenwirkungen" arbeitete er gekonnt mit Stimmungswechseln und den Emotionen der Zuschauer und scheute sich auch nicht, Intimität und Pathos aufkommen zu lassen. Zur Eröffnung der Volksopern-Direktion von Lotte de Beer warf er bei "Die Dubarry" einen frischen Blick auf ein eher verstaubtes Werk, setzte auf Dekonstruktion des Genres und bot einen ebenso humor- wie schwungvollen Abend.
Opern inszeniert er seit 2010, etwa an der Oper Zürich, an der Semperoper Dresden, am Royal Opera House in London, in Frankfurt und Amsterdam sowie bei den Bayreuther Festspielen, wo er 2012 Richard Wagners "Der Fliegende Holländer" umsetzte. An der Oper Köln bringt er am 14. April Verdis "Un ballo in maschera" heraus. Bei den kommenden Bregenzer Festspielen inszeniert er Rossinis Frühwerk "Tancredi" im Festspielhaus (Premiere: 18. Juli).
"Großartige Perspektive"
Seit der Saison 2018/19 ist Jan Philipp Gloger Schauspieldirektor am Staatstheater Nürnberg. Anlässlich der Verlängerung seines Vertrags bis 2028 freute sich Gloger 2022 über die "großartige Perspektive (...) weiterhin für eine so inspirierende Stadt Theater machen zu dürfen, deren Geschichte und Geschichten längst nicht auserzählt sind". Gloger hat nun vor der Zeit eine neue, noch großartigere Perspektive gefunden.
Kürzlich durfte sich Gloger als Schauspielchef über einen noch nie da gewesenen Erfolg freuen: Mit Rieke Süßkows Inszenierung von Werner Schwabs "Übergewicht, unwichtig: Unform" wurde das Nürnberger Staatstheater erstmals in seiner Geschichte zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Doch Gloger weiß auch, wie sich Misserfolg anfühlt: In seiner bisher letzten Nürnberger Inszenierung, Schillers "Wallenstein", den er Ende Jänner zur Premiere brachte, lässt er den Feldherren und seine Entourage unter einer riesigen, von Anfang an bedrohlich in Schieflage hängenden Steinplatte begraben werden. Wer die Gefahr nicht scheut, scheint für das Volkstheater gerüstet.