Ein junger Spanier, der Maler sein wollte und zu Picasso geworden ist
Picassos Blaue und Rosa Periode: Die Fondation Beyeler zeigt in Basel in einer einzigartigen Schau die maßgeblichen Entwicklungsschritte des Kunstgenies.
Am 17. Februar 1901 nimmt sich Picassos Künstlerfreund Carles Casagemas aus Liebeskummer mit einem Kopfschuss das Leben – und in Picassos Kunst bleibt kein Stein auf dem anderen. Aus Trauer reduziert der 20-Jährige seine Farbpalette auf Blautöne. "Die Blaue Periode war keine Frage des Lichts oder der Farbe, sondern eine innere Notwendigkeit", sagte der Künstler später selbst. Kurz davor hatte sich der als Pablo Ruiz Geborene erst durchgerungen, seine Kunst nur noch mit "Picasso" – dem Familiennamen seiner Mutter – zu signieren. Sein noch buntes Selbstbildnis "Yo Picasso" ("Ich, Picasso", das einst Hugo von Hofmannsthal gehörte) ist so etwas wie das Attest einer Selbstfindung.
1901, während Picassos zweiten Paris-Besuchs, setzt die herausragende Ausstellung "Der junge Picasso – Blaue und Rosa Periode" mit 75 Hauptwerken von 1901 bis 1906 im feinen Renzo-Piano-Bau der Baseler Fondation Beyeler an. Die Schau mit etlichen Leihgaben von den besten Museen und Sammlungen der Welt tritt einige Schritte zurück, hinter jenes kubistische Schaffen, das Picasso nahe an den Status eines Kitsch-Gottes herangebracht hat.
In reduziertem Farbenspektrum saugt Picasso alle Techniken malender Zeitgenossen auf. Er greift bei Degas, Manet, Gaugin und Toulouse-Lautrec genauso zu wie bei Van Gogh. Und doch münden seine Arbeiten in einer herausragenden Handschrift. Picasso malt Figuren mit schwarzen Augen in asketischen Gesichtern. Das Blau gibt seinem Personal von den Rändern der Gesellschaft Glaubwürdigkeit. Von der "Sitzenden mit Schal" im Gefängnis Saint-Lazare, in dem Prostituierte untergebracht waren, bis zum "Mahl des Blinden" von 1903. Die Verformung, die Picasso weitertreiben wird, hat den Oberkörper schon ergriffen. Die präzisen Gesichter dagegen verfolgen den Betrachter in den Schlaf. Das knapp zwei Meter hohe "La Vie" ("Das Leben") erklärt sich mit einem Mal schlüssig als Allegorie auf den Zirkel des Lebens – einer von vielen Glücksfällen der Ausstellung.
Picasso gleitet sanft ins Rosa. Erst als helle Reflexion auf der Haut, später als Kleidung der Zirkusartisten – aber er belässt den Figuren die Würde der Kargheit. Und wie Picassos Werk verwandelt sich auch die Ausstellung gegen Ende, wo die vom Galeristen-Ehepaar Hildy und Ernst Beyeler 1982 gegründete Stiftung mit eigenen kapitalen Werken bis zu Picassos später Kunst aufwarten kann. An der behutsam luftigen Hängung von Kurator Raphaël Bouviers liegt es, dass die Schau nicht bloß Picassos frühe Arbeiten rehabilitiert, sondern diese als Ursprung einer künstlerischen Evolution etabliert. Noch bis zum 26. Mai.
Picasso in Zahlen
- 1 zahme Maus hielt Picasso in einer Schublade in seinem Atelier in Bateau-Lavoir.
- 9 Jahre alt war Picasso, als er das erste Ölgemälde malte.
- 18 Jahre und drei Monate alt war Picasso, als er in Barcelona seine erste richtige Ausstellung hatte.
- 20 Wörter enthielt Picassos voller Name: Pablo Diego José Francisco de Paula Juan Nepomuceno Maria de los Remedios Cipriano de la Santisima Trinidad Ruiz Y Picasso.
- 163 Zentimeter betrug Picassos Körpergröße.
- 2000 Francs bezahlte Galerist Ambroise Vollard 1906 für 20 Bilder aus Picassos Rosa Periode. Heutiger Gegenwert: 7700 Euro.
- 43.000 Werke schuf Picasso in seinem Leben.
- 179,4 Millionen Dollar erzielte das teuerste Picasso-Werk 2015 bei einer Auktion: „Les Femmes d’Alger“ („Version 0“) von 1955.
[center]Wie die Amerikaner die Blaue- und Roasepoche sehen