Der Tanz des Lebens auf einem rauschenden Fest
Mei Hong Lins Tanzstück "Music for a While" in Kooperation mit Christina Pluhar begeisterte als Uraufführung im Musiktheater.
Die Augen wandern hin und her. Sie hängen an den Lippen der Sängerin am Bühnenrand, deren Arie sich unter die Haut gräbt. Sie wandern zurück zur Bühnenmitte, wo die Tänzer in Hebungen, Drehungen, Sprüngen Anmut und Akrobatik einander umarmen lassen. In den Orchestergraben, zur faszinierenden Christina Pluhar und ihrem Ensemble L’Arpeggiata, das scheinbare Grenzen sprengt und alte Musik in freier Jazz-Improvisation weiterspinnt.
Es ist eine Überfülle, die Landestheater-Ballettchefin Mei Hong Lin in ihrer neuen Arbeit "Music for a While" über ihr Publikum breitet. Ihr szenischer Reigen lotet nicht weniger aus als das unerschöpfliche Spektrum der Gefühle.
Betörender Sinnesrausch
Ein rauschendes Fest wird zum Schauplatz für den Tanz des Lebens. Passend ist ein Ballsaal Ort der Begegnungen, den Ausstatter Dirk Hofacker mit je nach Licht (Johann Hofbauer) in allen Farben schillernden und glitzernden Vorhängen aus Kristallketten gestaltet hat. Ein senkbarer Lüster weckt Assoziationen zu einem barocken Reifrock, oder doch einem Käfig?
Den roten Faden durch elf Szenen über Liebe und Verführung, Verlust und Sehnsucht, schmerzliche Erinnerungen, Krieg, Tod und Erlösung knüpft eine einsame Geistbraut (berührend: Andressa Miyazato) frei nach der Legende "La llorona" ("Die Weinende"), auf der Suche nach ihrer verlorenen Liebe. Aus der Zeit gefallen irrt sie durch das illustre Treiben.
Es ist wieder eine großartige tänzerische Leistung des Ensembles, von dem jede und jeder Einzelne in permanenten Rollenwechseln beeindruckt. Auf einem Fest, das auch die Tanzkunst feiert, ebenso wie die Musik und ihre Zeitlosigkeit. Céline Scheen ist die eingangs erwähnte Gänsehaut-Sopranistin, die einem den Weg in seelische Tiefen weist. Alt Vincenzo Capezzuto zelebriert die lässige Leichtigkeit des Seins. Das von Christina Pluhar an der Theorbe (Basslaute) geleitete Ensemble L’Arpeggiata spielt sich über Stile, Epochen und Kulturen hinweg zum ewig Lebendigen, lässt die Musik lebensfroh sprudeln oder kontemplativ innehalten.
Beides, Tanz wie Musik, fasziniert, zieht einen gleichermaßen in einen Sog, überfordert die Sinne aber mitunter auch. Das Auge will alles sehen, die Ohren wollen alles hören. Beides zugleich ist kaum möglich. Am Ende bleibt nur, sich mit offenem Herzen diesem Sinnesrausch zu überlassen. Und zu akzeptieren, dass das Ganze noch viel mehr ist als die Summe seiner Teile – so viel, dass wir es doch nie ganz fassen können. Tosender Beifall und Standing Ovations.
"Music for a While": Tanzstück von Mei Hong Lin mit Christina Pluhar und dem Ensemble L’Arpeggiata, Uraufführung im Musiktheater Linz, 14. 10.; Termine: 27. 10.; 6., 13., 16., 18., 21. 11.; 17. 12., 19.30 Uhr, Karten-Tel: 0800 218 000.
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